Bilderbuch
Sänger Maurice Ernst von der Band Bilderbuch beim Heimspiel im Burgenland. Vor und auf der Bühne machte es "Plansch".
APA/FLORIAN WIESER

Bei Wolfmother kamen einem die Melvins in den Sinn, ja, schon wieder. Dieses Mal war es naheliegend. Schließlich wächst am Kopf von Andrew Stockdale dasselbe Kraut wie auf jenem von Melvins-Chef King Buzzo. So ein Wildwuchs an Korkenzieherlocken, die der Erdanziehungskraft zu trotzen scheinen. Die Unterscheidung liegt im Farbton: Während Buzzos Wolle längst zeitlos versilbert ist, steht jene von Stockdale noch in vollem Schwarz.

Selbst musikalisch sind sie verwandt. Wolfmother spielten am frühen Abend am dritten Tag des Nova Rock auf einer der Großbühnen Nickeldorfs. Aufgetaucht war das australische Trio 2005, als es wie ein fix-fertige Supergroup antrat, um mit einem sehr nahe am originalen 1970er-Hardrock gebauten Stil Karriere zu mache – schon der Name sprach Bände.

Die Musik klang wie eine Frischzellenkur für das Erbe von Led Zeppelin, Black Sabbath und Ram Jam. Das ist im Wesentlichen so geblieben. Zwar war der Bühnenhintergrund mit dem Bandlogo deutlicher am Metal der 1980er orientiert, der Sound nicht. Heavy Rock im Urschlamm des Blues steckend, dazwischen ein paar höfliche Ansagen bezüglich "Austria" und "Australia". Was die Melvins eher bei angezogener Handbremse servieren, liefern Wolfmother im fünften Gang ab. Ein bisserl Trockennebel auf der Bühne, sonst kein Firlefanz. Eine No-Bullshit-Band, hart im Nehmen, geil im Geben.

Jan Gorkow von Feine Sahne Fischfilet.
APA/FLORIAN WIESER

Auf der anderen Großbühne tröteten derweil die Hörner von Feine Sahne Fischfilet. Das klang in den besten Momenten nach den Dexys Midnight Runners, nur anders. Schließlich sind die Fischfilets linksdrehende Punks und stilistisch im Vergleich zu den stets bemüht bekleidet gewesenen Dexys eine Spur mehr Streetcore. Die Show war so druckvoll wie unterhaltsam, die Band am Nova schon so jemand wie ein Stammgast und außerdem gerade erst in Wien zu erleben gewesen. Aber zwei, drei, zwölf Déjà-vus bietet einem das alte Nova ja ständig.

Pyrotechnik aus Minimundus

Was war noch? Das Wetter, stimmt. Das war gut, bis es nicht mehr gut war, aber ganz schlecht wurde es nicht. Bei der Landung am Planeten Nova Rock am Nachmittag schienen alle Zeichen auf Trockenheit zu stehen, die Gummistiefel blieben an dem Tag von den Chronistenhaxen ungefüllt, optisch ansprechenderes Schuhwerk erhielt den Zuschlag. Fehler, wie sich herausstellen sollte. Irgendwie wären die Wolkentürme am Horizont doch als Zeichen zu lesen gewesen. Und Eitelkeit wird nicht umsonst als Todsünde gehandelt.

Denn am frühen Abend kams dann runter, aber nicht dicke, wie Fischfilet sagen würden. Aber nachdem das Nova per se eine feucht-heitere Veranstaltung ist, erschien der Boden bald wieder weich wie die Knie manch seiner Gäste.

Papa Roach, ein 30 Jahre alter Festivalgast, bot den rund 50.000 Gästen während des einsetzenden Regens einen Partysound aus der Schnittmenge von Punk, Alternative Rock und handzahmem Metal. Dazu Pyrotechnik aus Minimundus. Dann wurden Blümchen angebaut.

Rapper Casper während seines Konzertes auf der Blue Stage.
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Falsche natürlich, aber sie signalisierten, dass sich etwas ändern würde - und tatsächlich: Casper kam. Der deutsche Rapper überraschte sich und das Publikum mit einem motivierenden Set. Dabei gestand er, nicht mit so viel Zuspruch für seine "kleinen Lieder" gerechnet zu haben. Schließlich sei er im Rahmen des sonst gebotenen doch eher fremdkörperlich. Tiefstapler.

Einer der Hauptacts des Tages waren schließlich Bilderbuch, die nach einigen Monaten Pause mit ein paar neuen, ins Psychedelische abbiegenden Songs zurückkamen, dem Publikum aber, wie die meisten Bands auf Festivals, eine Art Best-Of-Programm boten. Im edel zersäbelten Designerteil stellte Maurice Ernst sein Show-Talent einmal mehr unter Beweis, Gitarrist Michael Krammer muss wie die Melvins pflichtschuldig erwähnt werden: Klasse wie immer. Im Set Hits wie "Maschin", "Spliff "und das zum aufgeweichten Boden passende "Plansch". Das Publikum in Hochstimmung. Was will man mehr? Die Gummistiefel. (Karl Fluch, 10.6.2023)