Posie Parker bei einer ihrer – meist karg besuchten – Kundgebungen, hier in Genf.
Posie Parker bei einer ihrer – meist karg besuchten – Kundgebungen, hier in Genf.
APA/AFP/FABRICE COFFRINI

Die britische Antitransaktivistin Kellie-Jay Keen alias Posie Parker hat nun auch Wien einen Besuch abgestattet. Am Samstag demonstrierte sie in der Nähe der Votivkirche mit Mitstreiterinnen. Organisiert wurde die Kundgebung von einem SPÖ-Mitglied, das in einem Stadtbüro in Wien tätig ist*. Auf einen ersten flüchtigen Blick hin scheint Parker eine Frauenrechtlerin zu sein, bei fast jedem ihrer Auftritte findet sich das  Wort "Women" irgendwo auf ihrer Kleidung abgedruckt. In ihren Reden geht es allerdings vorwiegend darum, dass Transpersonen Frauen ihre Stimme rauben würden und Rechte für Transpersonen die Gefahr unserer Zeit schlechthin seien.

Dafür benutzt sie auch eine rechte Rhetorik und macht sich mit Rechtsradikalen gemein. Für Kritik sorgte daher, dass auch die grüne Nationalratsabgeordnete Faika El-Nagashi bei der Kundgebung mit rund 30 bis 40 Teilnehmer:innen war und dort eine Rede hielt. Parallel dazu fand eine Gegendemonstration statt, an der laut eigenen Angaben rund 100 Personen teilnahmen. Die Gegendemo wurde von der österreichischen Hochschülerinnen- und Hochschülerschaft organisiert, die Parker als massiv transfeindlich kritisiert. Eine Einschätzung, die große Teile der LGBTIQ+-Community teilen. 

Überall dieser Pride-Monat 

Die Wiener Gemeinderätin und Landtagsabgeordnete Viktoria Spielmann (Grüne) meldete sich auf Twitter zum Auftritt ihrer Parteikollegin El-Nagashi zu Wort, indem sie das Grundsatzprogramm der Grünen zitierte, das dort die Rechte von Transmenschen ausdrücklich verankert.

El-Nagashi verteidigte am Montag ihre Teilnahme bei der Antitransdemo, ebenfalls auf Twitter, indem sie den Inhalt ihrer Rede wiedergab. In dieser beklagte sie, dass sie als "Menschenfeindin" diffamiert worden sei. Auf die Vorwürfe, dass Parker massiv transfeindliche Positionen vertrete, ging El-Nagashi nur indirekt ein, sie teile aber viele der "Ansichten und Zugänge von Posie Parker nicht". Die Nationalratsabgeordnete behauptete, zahlreiche Frauen hätten Angst gehabt, zu dieser Veranstaltung zu kommen, sie hätten Angst um ihre "Reputation" und um "berufliche Perspektiven". Es gehe nicht um Posie Parker, sondern um "die Komplexität einer Debatte".

Doch bringt ausgerechnet eine Teilnahme bei der Antitransdemo mit Posie Parker eine differenzierte Debatte, wie sie El-Nagashi beim Thema Transrechte laufend fordert? Und was genau ist diese Debatte?

Parkers Positionen sind nicht differenziert, sondern konfus und widersprüchlich. Sie bewegen sich zwischen klar homofeindlich hier und angeblicher Unterstützung für homosexuelle Menschen dort. Zwischen plumpen "For Women"-Slogans – was immer das auch heißen mag – und antifeministischen Positionen. In einem Puls-4-Interview anlässlich ihres Wien-Besuchs sagte sie auf die Frage, warum sie ausgerechnet im Pride-Monat Juni hier in Wien sei, dass der ganze Monat "ruiniert wegen eines globalen autoritären Kults" sei – und wo solle sie sonst hingehen, schließlich sei überall Pride-Monat. Im selben Interview sagte sie auch, sie würde sich "besonders um Menschen sorgen", die sich für die Rechte homosexueller Menschen einsetzen, denn die Transgender-Community sei insofern homophob, bringe sie doch junge Lesben dazu, eine Transition in heterosexuelle Buben vorzunehmen. Frauen könnten nicht mehr Lesben sein, behauptet die Britin.

Gegen leistbare Kinderbetreuung

Im Widerspruch zu ihrem Image als Frauenrechtlerin stehen auch Positionen wie jene, dass sie nicht der Meinung ist, es brauche leistbare Kinderbetreuung – denn die meisten Frauen würden bei ihren Babys und kleinen Kindern bleiben wollen.

In anderen Videos spricht Parker von Transaktivistinnen als "Parasiten", die "absolut überall" seien, das sei eine "globale Attacke". Für diese Botschaften über Transpersonen, die laut Vereinten Nationen besonders von Menschenrechtsverletzungen bedroht sind, reist Parker um die Welt. Ihre Auftritte stoßen aber mittlerweile auf Widerstand. In Auckland musste Parker wegen Protesten ihre Tour abbrechen. Sie wurde ausgebuht und mit Tomatensaft übergossen. Davor war sie bereits in Australien aufgetreten, wo Parker auch von Nazi-Gruppen begleitet wurde.

Eine Nähe zu Rechtsextremen ist bei Posie Parker somit nicht nur in ihrer Rhetorik auszumachen. So zeigte sie sich auch mit dem kanadischen Alt-Right-Kommentator und White Supremacist Jean-François Gariépy in einem gemeinsamen Gespräch.

Tatsächlich kompliziert

Die Diskussionen über Geschlechteridentität sind tatsächlich komplex, für Rechte und Antitransaktivist:innen wie Posie Parker sind sie aber schnell beendet. Sie erkennen Transidentität schlicht nicht an. Ginge es nach ihnen, hätten Transpersonen kein Recht auf eine Geschlechtsidentität, die nicht mit der übereinstimmt, die ihnen bei ihrer Geburt zugewiesen wurde.

Die meisten liberalen Demokratien sind da viel weiter, und das führt tatsächlich zu vielschichtigen Debatten, geht es doch noch immer um die große Frage, was Geschlecht in unserer Gesellschaft bedeutet. Bei der Diskussion über Transrechte geht es derzeit konkret oft um das Recht für Transpersonen, den Personenstand zu ändern. Genau das soll etwa in Deutschland erleichtert werden: Der Personenstand soll ohne vorangehende psychiatrische Gutachten geändert werden können. In Österreich braucht man derzeit für eine Änderung der Geschlechtszugehörigkeit im zentralen Personenstandsregister entweder ein psychiatrisches Gutachten oder eines von Psychotherapeut:innen bzw. klinischen Psycholog:innen. 

Diskurs im Netz

Antitransaktivist:innen stellen sich gegen die Möglichkeit, ohne Gutachten die Geschlechtsidentität ändern zu können. Ebenso kritisieren sie jegliche medizinische Möglichkeiten für transidente Jugendliche. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland entscheiden Ärztinnen und Ärzte, ob Jugendliche sogenannte Hormonblocker bekommen, die die Ausschüttung körpereigener Geschlechtshormone stoppen – und damit eine "Weiterentwicklung des Körpers in die gefühlt falsche Richtung", wie auf der Seite der Med-Uni Innsbruck erklärt wird. Die Diskussion über mögliche Langzeitfolgen und Vor- und Nachteile davon ist auch in der Fachwelt groß. Posie Parker erweckt aber gezielt den Eindruck, Jugendliche würden praktisch sofort auf Hormonblocker gesetzt und operiert – aufgrund einer angeblich übermächtigen Translobby.

Eine differenzierte Debatte verhindert auch der Diskurs im Netz. Jegliche Berichterstattung zu Transgender-Themen mobilisiert auf sozialen Medien zahlreiche Accounts, die sämtliche Forderungen nach Rechten für Transpersonen scharf kritisieren und interviewte Fachleute diffamieren. Viele der Accounts geben sich, wie Posie Parker, als feministisch aus, weisen aber in anderen Tweets oder der Bebilderung des Accounts frauenverachtende Inhalte auf. Expert:innen, die zu bestimmten Lebensbereichen – etwa Sport – fehlende Rechte und Gleichstellung anmerken, wird eine Transidentität unterstellt und somit eine persönliche Agenda. (Beate Hausbichler, 13.6.2023)