Der neue SPÖ-Chef Andreas Babler versucht mit Personalpolitik, die Lager seiner Partei zu einen.
Christian Fischer

Eines hat sich wieder einmal bestätigt: Prognosen sind schwierig. Das gilt auch für die üblichen Personalspekulationen, die vor größeren Umbesetzungen in Parteien stets Hochkonjunktur haben. Denn auch bei der großen Postenvergabe in der SPÖ durch Neo-Parteichef Andreas Babler kamen nicht jene beiden zum Zug, die fast alle auf der Rechnung hatten: Weder die 30-jährige Nationalratsabgeordnete und enge Babler-Vertraute Julia Herr noch die gleichaltrige SPÖ-Frauenvorsitzende Eva Maria Holzleitner erhielten eine der zu vergebenden Spitzenpositionen. Die beiden Frauen waren im Vorfeld als größte Favoritinnen für den Job der Bundesgeschäftsführerin beziehungsweise der Klubchefin gehandelt worden.

Doch nun macht Babler den Job selbst in einer ungewöhnlichen Konstruktion als Bundesrat, sein geschäftsführender Klubchef im Nationalrat wird Philip Kucher (siehe Porträts). Holzleitner und Herr werden die Stellvertreterinnen des 41-jährigen Kärntners, der seit 2013 für die SPÖ im Nationalrat sitzt und bislang als Gesundheitssprecher fungierte. Er hatte sich als Unterstützer Doskozils deklariert, Herr für Babler und Holzleitner für Rendi-Wagner. "Wir haben eine Teamlösung gesucht, die die Stellvertreterinnen auch aufwertet", sagte Babler, angesprochen darauf, dass an der Spitze des Klubs nun zwei Männer stehen. "Sie werden ab morgen erleben, was das tatsächlich auch praktisch in der Wahrnehmung heißt." Holzleitner sagte, sie wolle den SPÖ-Zug nach den internen Debatten nun "losstarten lassen".

Kai Jan Krainer steigt ins Klubpräsidium auf.
APA/EVA MANHART

Kein Rederecht im Nationalrat

Babler selbst wird formal nur Vorsitzender des gesamten SPÖ-Klubs, der alle SPÖ-Abgeordnete aus Nationalrat, Bundesrat und aus dem EU-Parlament umfasst. Rederecht hat er damit im Nationalrat keines, bestätigt die Parlamentsdirektion sowie der Parlamentsexperte Werner Zögernitz auf STANDARD-Anfrage. Denn Babler sitzt zwar im Bundesrat, hat aber kein Nationalratsmandat. Das bedeutet auch: Nur in Ausnahmefällen kann Babler in Ausschüssen des Nationalrats mitdiskutieren, etwa wenn der Ausschuss dies mehrheitlich wünscht.

Ob Babler neben all diesen Funktionen auch Bürgermeister von Traiskirchen bleibt, ist anscheinend offen: Er wolle das zuerst mit den Genossinnen und Genossen in Traiskirchen besprechen, sagte der Parteichef.

In der Geschäftsstelle der Partei gibt es nun eine Doppelspitze – mit Namen, die außerhalb der Partei bislang deutlich weniger Prominenz genossen: Als Nachfolger von Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch entschied sich Babler für Sandra Breiteneder und Klaus Seltenheim, die der Bundesvorstand am Dienstag auch einstimmig bestätigte. Die 40-jährige Wienerin Breiteneder kommt aus der Privatangestellten-Gewerkschaft und werkte im Kabinett der früheren Staatssekretärin Muna Duzdar. Sie engagierte sich im Zuge der Vorsitz-Wahl für die Babler-Kampagne. Seltenheim war unter Franz Schnabl Landesgeschäftsführer der SPÖ Niederösterreich und hatte sich im internen roten Wahlkampf für Hans Peter Doskozil deklariert.

Erfahrung im Gepäck

Babler begründete die Wahl unter anderem mit dem "wahnsinnigen Erfahrungsschatz" des 39-Jährigen – habe er doch schon Gemeinderats- wie Landtagswahlkämpfe organisiert. Seltenheim war früher auch schon in der Bundesgeschäftsführung tätig. Er wird sich vorwiegend um Finanzen und Organisation der Partei kümmern, Breiteneder für Kommunikation und Kampagnen zuständig sein.

Auch die Öffentlichkeitsarbeit wird neu aufgestellt: Nachfolgerin von Stefan Wenzel-Hirsch, bisher Kommunikationschef, wird Patricia Huber. Die 37-Jährige war Chefredakteurin des vom SPÖ-Parlamentsklub herausgegebenen Kontrast-Blogs. Huber hatte sich bei der Vorsitzwahl für Bablers Kampagne engagiert.

Im Parlamentsklub muss Jörg Leichtfried, der unter Bablers Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner noch erster Stellvertreter war, diesen Posten nun abgeben. An seine Stelle rücken Holzleitner und Herr, die für die Posten als Klubchefin respektive Bundesgeschäftsführerin jeweils abgewinkt haben sollen.

Patricia Huber wird neue Kommunikationschefin.
APA/HANS PUNZ

Zugeständnisse an Wien

So wie Babler bei seinen Personalentscheidungen offensichtlich versucht, sowohl eigene Unterstützerinnen und Unterstützer als auch das Doskozil-Lager einzubinden, so gibt es auch gewisse Zugeständnisse für die mächtige Wiener Landespartei: Kai Jan Krainer, bisher schon durchaus prominent durch seine mehrmalige Fraktionsführerschaft in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, steigt ins Klubpräsidium auf und soll in der Öffentlichkeit noch stärker als Kämpfer gegen Korruption positioniert werden. Auch Krainer hatte Andreas Babler im SPÖ-internen Rennen unterstützt.

Die Grünen bedauerten, dass das Spitzenpersonal der SPÖ künftig insgesamt weniger weiblich ist. FPÖ-Chef Herbert Kickl nannte Bablers Personalentscheidungen eine "Steißgeburt". Kickl selbst unterlief bei einer einberufenen Pressekonferenz, in der er betonte, "dem Marxismus die Stirn bieten zu wollen", ein Fauxpas. "Sie kennen das ja eh, Karl Marx: ‚Gott ist tot‘ – Ich bin da lieber auf der Seite Gottes: ‚Marx ist tot‘", sagte der studierte Philosoph Kickl – verwechselte allerdings den Urheber des Zitats. Der ist nämlich nicht Marx, sondern Friedrich Nietzsche.

Die Reaktionen aus der eigenen Partei sind dagegen positiv. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig sprach angesichts der einstimmigen Wahl des neuen Teams von einem schönen Zeichen der Geschlossenheit in der Partei. In Niederösterreich sieht auch Landeschef Sven Hergovich ein starkes Zeichen der Erneuerung. Hergovich war zuletzt bekanntlich ein Unterstützer Doskozils. (Sebastian Fellner, Max Stepan, Martin Tschiderer, 13.6.2023)