Premier Ľudovít Ódor Präsidentin Zuzana Čaputová Empfang
Der slowakische Premier Ľudovít Ódor mit Präsidentin Zuzana Čaputová.
AP/Jaroslav Novak

Bratislava – Die neue slowakische Expertenregierung unter dem parteilosen Wirtschaftsexperten Ľudovít Ódor hat die Vertrauensabstimmung im Parlament verloren. Nur 34 von 136 anwesenden Abgeordneten stimmten am Donnerstag für das Regierungsprogramm. Notwendig war zumindest eine einfache Mehrheit von 76 der insgesamt 150 Mandatare. Zu einem neuerlichen Regierungswechsel dürfte es dennoch nicht kommen.

Als erster Ministerpräsident in der Geschichte der souveränen Slowakei seit 1993 hatte sich Ódor der Vertrauensabstimmung im Parlament stellen müssen, obwohl klar war, dass ihm eine Mehrheit der Abgeordneten das Vertrauen verweigern würde. Neben der gesamten Opposition hatte auch ein Großteil der bisherigen Regierungskoalition bereits im Vorfeld angekündigt, gegen die Beamtenregierung zu stimmen. Am Donnerstag stimmten 43 Abgeordnete gegen die Regierung, 54 enthielten sich der Stimme. Fünf hatten nicht abgestimmt.

Letzter Versuch

Dennoch versuchte der 46-jährige ehemalige Vizegouverneur der slowakischen Notenbank noch dieses Woche, im Parlament für seine Regierung zu werben. "Unsere Hauptambition ist es, Ruhe, Stabilität, Kontinuität und Toleranz zu bringen, und nicht zuletzt auch eine kultivierte gesellschaftspolitische Diskussion", sagte Ódor bei der Präsentation seine Regierungserklärung am Dienstag. Man habe weder Zeit noch das Mandat, Reformen in ihrer ganzen Breite zu verwirklichen, könne aber auf vieles hinweisen und konkrete Schritte für die Nachfolgeregierung vorbereiten, erklärte der Ministerpräsident.

Als Prioritäten hatte das nur 28 Seiten lange Regierungsprogramm die Sicherung eines ordentlichen Funktionierens des Staats bis zu den Neuwahlen im September, die Fortsetzung humanitärer, politischer sowie militärischer Hilfe für das von Russland angegriffene Nachbarland Ukraine, die Gesundung der öffentlichen Finanzen sowie staatliche Hilfe für schwache Einwohnerschichten in der Inflationskrise beinhaltet.

Die zweitägige Debatte zur Regierungserklärung im Parlament verlief zum Teil mehr als lebhaft, statt fachlicher Anmerkungen waren vielmehr persönliche Beleidigungen zu hören. Die Opposition und Teile der Koalition kritisierten das Regierungsprogramm als viel zu vage. Beobachter im Land führen dies auch darauf zurück, dass sich die Parlamentsparteien bereits voll im Wahlkampf befinden.

Parteien kritisieren Experten

Ex-Ministerpräsident Igor Matovič, der Vorsitzende der stärksten Partei der bisherigen Koalition, Olano, kritisiert in der Aussprache vor allem Passagen über den aktuell "historisch schlechtesten" Zustand öffentlicher Finanzen des Landes heftig. "Gewaltige Schande und Lügen, die sie hier verbreiten", sagte er und wies den Vorwurf zurück, dass seine Regierung in den Jahren 2020 bis 2022 schlecht gewirtschaftet und einen Zerfall öffentlicher Finanzen verursacht hätte.

Die Expertenregierung solle der bisherigen Koalition lediglich Zeit verschaffen, sich nach ihrer heftigen internen Krise wieder zu fassen und auf die Neuwahlen im September vorzubereiten, beklagte hingegen Robert Fico, Vorsitzender der oppositionellen Partei Smer. Lediglich die liberale SaS von Richard Sulík hatte die Odor-Regierung unterstützen wollen.

Präsidentin Zuzana Čaputová hatte die Expertenregierung nach einer langwierigen Krise am 15. Mai ernannt. Der Verfassung gemäß musste sich das neue Kabinett innerhalb von 30 Tagen mit seiner Regierungserklärung im Parlament einer Vertrauensabstimmung stellen.

Neuwahlen Ende September

Es wird erwartet, dass die Präsidentin die Expertenregierung nun mit der Leitung der Regierungsgeschäfte bis zu den Neuwahlen am 30. September beauftragen wird. Ódors Regierung wird somit nur mit eingeschränkten Kompetenzen wirken und keine grundsätzlichen Entscheidungen im Bereich Wirtschaft oder Außenpolitik annehmen können, ähnlich wie zuvor die konservativ-populistische Minderheitsregierung von Eduard Heger, die seit einem verlorenen Misstrauensvotum im Dezember nur noch geschäftsführend im Amt war.

Laut aktuellen Umfragewerten steuern die Parteien der bisherigen rechtsorientierten Regierungskoalition auf eine schwere Niederlage bei der Parlamentswahl zu. Das weckt Befürchtungen vor einer Richtungsänderung in der slowakischen Außenpolitik. Die linkspopulistische Smer, derzeit in allen Umfragen klar vorne, lehnt weitere Waffenlieferungen an die Ukraine langfristig ab. (APA, 15.6.2023)