Erst einmal justieren im Auto, bevor es losgeht. Sitzposition, Spiegel, Klima. Der Ganghebel sitzt am Volant. Und was ist das da, wo man die Rechte fallen lässt? Ein Bügeleisengriff, da man es über das multipel nutzbare Mittelfach verschieben kann? Nein, das ist eine Armauflage, um auf dem Berührungsbildschirm besser zu treffen, erläutert Renault-Österreich-Sprecherin Valeska Haaf. Aha. Gute Idee prinzipiell – dann sollte es aber ergonomisch ein paar Zentimeter höher sein. Denn die einzigen physischen Tasten, die eben mit der Klimaanlage zusammenhängen, die trifft man auch so ganz gut.
Der Lenkradkranz ist groß, und jetzt aber hurtig, legen wir los, Martin hat schon Zeit liegenlassen. Es geht zunächst kreuz und quer durch das schöne Porto und dann teils den Douro entlang, teils kreuz und quer darüber.
Überraschend harmonisch
Der hochkomplexe Antrieb fühlt sich dabei überraschend harmonisch an, anders als vom Austral erinnerlich. Der Verbrenner tritt in der Stadt kaum in Erscheinung (laut Renault legt man urban 80 Prozent der Strecken elektrisch zurück), erst über Land, dann und auch da zurückhaltend und in ruckfreier Kooperation mit den elektrischen Komponenten. Es werken zusammen: ein 1,2-Liter-Dreizylinder (96 kW), ein E-Motor (50 kW), ein beide koordinierendes Multimode-Getriebe sowie ein Startergenerator (18 kW) für sanftes Anfahren des Ottos und Wechseln der Schaltstufen. Die Pufferbatterie sitzt unter den Vordersitzen.
Was im Fahrbetrieb dieses 4,72-Meter-SUVs besonders auffällt, ist das komfortable Fahrwerk, selbst im strafferen Sport-Modus zitiert es gekonnt eine große, reiche französische Tradition. Nur, das mit der Tradition ist so eine Sache, denke ich mir, als ich das Lenkrad an Martin übergeben und hinten Position bezogen habe. Mit dem Urmeter hat der neue Espace, von dem hier die Rede ist, nichts mehr zu tun. Der seit 1984 über 1,3 Millionen Mal verkaufte, einst extrem beliebte Vielseitigkeits-Familiengroßmeister ist nun endgültig kein Minivan mehr. Wie sich die Zeiten ändern: Um die Nullerjahre herum konnte einpacken, wer keinen Van im Sortiment führte. Heute gilt das für den SUV. Insofern ist der Schritt nachvollziehbar, auch dass Renault diesen Namen mit seiner großen Strahlkraft beibehält.
Geschmackvolle Einrichtung
Was im Auto hinten auffällt? Die insgesamt geschmackvolle Einrichtung, die hochwertige Materialauswahl. Riesiges (aufpreispflichtiges) Panoramaglasdach, über einen Quadratmeter groß und abgedunkelt, damit der Wagen sich nicht so aufheizt. Schafft großzügige, luftige Atmosphäre. Da merkt man gar nicht, dass der Neue um 13,6 cm kürzer ist als zuletzt (erst beim Kofferraum ist das evident). Dass er 215 kg leichter ist, hingegen schon, das macht sich in leichtfüßigerem Fahrverhalten bemerkbar, in einer Agilität, zu der auch die Allradlenkung beiträgt, womit der Espace auf einen Wendekreis à la Clio kommt: 10,4 m.
Aber weiter mit den Beobachtungen aus der billigen Reihe. Sehr angenehm: Sitzlehne mehrfach neigungsverstellbar. Dahinter findet sich noch die dritte Reihe, sofern man zum Siebensitzer greift – der Importeur rechnet mit 70 Prozent Anteil. Warum? Gleicher Preis wie beim Fünfsitzer. Die Sitze ganz hinten eignen sich aber nur für Kinder oder Kurzstrecke. Zur Grundphilosophie hohen Komforts würde noch gut eine Temperaturregelung bei den Lüftungsdüsen hinten passen, gibt’s aber nicht – ebenso wenig wie Sitzkühlung vorne und Sitzheizung hinten.
Und dass der SUV nur als Fronttriebler angeboten wird, ist nur mit dem Wissen nachvollziehbar, dass Allrad eben dem Allianzpartner Nissan vorbehalten bleibt. Dass die vorzüglichen Renault-Diesel Geschichte sind, wird manche schmerzen. Dass aber Renault sich wieder in den höheren Fahrzeugklassen engagiert, wie der Espace nahelegt, ist nachvollziehbar: Da ist einfach mehr Profit zu holen. (Andreas Stockinger, 27.7.2023)