Hat der Leadsänger der deutschen Rockgruppe Rammstein Frauen systematisch zu sexuellen Handlungen gezwungen? Till Lindemanns Anwälte weisen die Vorwürfe kategorisch zurück. Bei "Im Zentrum" ging es am Sonntag im ORF um die Frage, wie schmal der Grat zwischen Verurteilung und Vorverurteilung ist. Wie schmal dieser Grat tatsächlich ist, wurde just in der Sendung eindrücklich unter Beweis gestellt. 

Rudi Dolezal, Produzent des Musikvideos "Engel" von Rammstein, sowie Musikjournalist Samir Köck berufen sich auf die Unschuldsvermutung. Dolezal argumentiert, Konzepte wie die Row Zero und Machtmissbrauch habe es in der Branche schon immer gegeben, deswegen heiße es auch "Sex, Drugs and Rock 'n' Roll". Es sei "kein Kindergeburtstag und keine Klosterschule". Die Leinen waren schnell gelegt, es ging drunter und drüber.

Bei "Im Zentrum" ging es am Sonntag um die Vorwürfe gegen Rammstein-Leadsänger Till Lindemann.
Screenshot ORF

Meri Disoski, stellvertretende Klubobfrau und Frauensprecherin der Grünen, und Journalistin und Podcasterin Alexandra Stanić sind für eine Absage der Konzerte. Jeder unterbricht jeden, alle fallen einander ins Wort. Moderator Leitner gelingt es kaum, die Teilnehmenden zu beruhigen. 

"Im Zentrum" zum Nachschauen

IM ZENTRUM: IM ZENTRUM: Drogen, Sex und Machtmissbrauch - Starkult mit Abgründen?
ORF

Weibliche Perspektiven

Theologe und Ethiker Ulrich Körtner findet Frauen, die gegen Lindemann aussagen, mutig, gleichzeitig befeuere die mediale Aufmerksamkeit im Endeffekt die Gewinne der Band. Die Konzerte sollten nicht abgesagt werden. Das grenze an Zensur, und Zensur findet Dolezal generell "irgendwie uncool".

VIDEO: Trotz lautstarkem Protest gingen am Wochenende zwei Rammstein-Konzerte im schweizerischen Bern über die Bühne
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Die Diskussion wird immer brisanter. Dolezal bezeichnet Disoski und Stanić als "Darlings". Was Frauen sich erwarten, die Tickets für die sogenannte Row Zero bei Rammstein-Konzerten bekommen, fragt Tarek Leitner. Eine Einladung sei kein Freibrief für sexuellen Missbrauch oder die Verabreichung von K.-o.-Tropfen, erwidert Disoski. Laut Stanić fehle es an weiblichen Perspektiven in der Musikbranche, auch das Musikvideo "Engel", produziert von Dolezal, sei eindeutig von einer männlichen Sicht geprägt. Ein Abend voller Abgründe. (Eleni Ernst, 19.6.2023)