Die RTX 4060 Ti ist das erste Modell der neuen "60er"-Serie von Nvidia. Zwei weitere Modelle sollen in Kürze folgen.
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Chipdesigner und -entwickler Nvidia befindet sich gerade im Höhenflug. Das liegt in erster Linie daran, dass die Geschäfte im anhaltenden Hype um künstliche Intelligenz gut laufen. Was das ursprüngliche Kerngeschäft der Grafikkarten anbelangt, sitzt man zwar noch fest im Sattel. Der Marktanteil bei Computern mit dedizierter GPU ist ungebrochen hoch, und auch die Hardware-Charts der populären Spieleplattform Steam werden nach wie vor von Nvidia dominiert.

Doch die Einführung der neuen Grafikkartengeneration RTX 4000 ist bislang nicht ohne Probleme verlaufen. Das liegt einerseits daran, dass der PC-Markt zuletzt massiv eingebrochen ist, Nvidia hat sich aber auch das eine oder andere Hoppala erlaubt. Dazu zählen unter anderem der "Unlaunch" eines Grafikkartenmodells nach Kontroversen um eine (wieder einmal) irreführende Namensgebung sowie öffentlichkeitswirksame Beschwerden wegen schmelzender Stromstecker.

Mit dem Launch der 4060er-Serie zeigt Nvidia nun, was RTX 4000 für die neue Mittelklasse bedeutet. Den Anfang macht die 4060 Ti, an sich also die "leistungsstärkere" Variante der 4060er – mit dem fahlen Beigeschmack, dass sich Interessenten vorerst mit 8 GB Grafikspeicher begnügen müssen, doch dazu später noch mehr. DER STANDARD hat sich die RTX 4060 Ti am Beispiel eines Modells von Hersteller Zotac in der Praxis angesehen.

Die neue GPU

Mit der RTX 4060 Ti schickt Nvidia den bislang kleinsten Chip der Ada-Architektur ins Rennen. Auf einer Chipgröße von 188 Quadratmillimetern finden 36 Shader-Multiprozessoren Platz. "AD106", so die offizielle Bezeichnung des Chips, ist im Vergleich zu bisherigen Ada-GPUs deutlich abgespeckt, bei der 4070 Ti waren es noch 60 Shader-Multiprozessoren, beim Topmodell der 4090er sind es gar 128. Der Größe entsprechend verfügt der Chip auch nur über 4.352 CUDA-Cores (im Gegensatz zu 7.680 bzw. 16.384). Der Basis-Takt der GPU beläuft sich auf 2.310 MHz, der Boost-Takt auf 2.535 MHz – diese Werte wurden vom Zotac-Modell 1:1 übernommen, damit wird laut Angaben von Nvidia theoretisch eine Rechenleistung von 22,1 Teraflops erreicht.

Die Zotac-Variante der RTX 4060 Ti setzt auf klassisches Boardpartner-Design, kann sich aber durchaus sehen lassen.
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Stark verbessert hat sich RTX 4060 Ti hinsichtlich Effizienz: Die Grafikkarte kommt mit maximal 160 Watt aus, weshalb Boardpartner-Karten wie die von Zotac nur einen einzigen 8-Pin-Stromanschluss benötigen. Das bedeutet also, dass die Architektur bei besserer Performance und einem größeren Feature-Set 40 Watt weniger verbraucht als ihr direkter Amperevorgänger. 

Die GPU verfügt darüber hinaus über zwei Besonderheiten, die schon im Vorfeld für Kontroversen gesorgt haben. Zum einen wurde das Speicherinterface der Karte (für den Datenaustausch zwischen Grafikchip und Speicher) im Vergleich zum Vorgänger auf 128 Bit halbiert. Dass die Bandbreite hochgerechnet dennoch über dem Vorgänger RTX 3060 Ti liegen soll, begründet Nvidia damit, dass man den L2-Cache der RTX 4060 Ti von vier MB auf 32 MB vervielfacht hat. Dadurch würden häufig benötigte Daten im L2-Cache der GPU verbleiben und müssten nicht erneut aus dem Speicher gelesen werden. Aus der Reduktion von 448 GB/s auf 288 GB/s wird so eine Erhöhung auf 554 Gb/s argumentiert. 

Zum anderen gibt es die RTX 4060 Ti derzeit nur in der Variante mit acht GB Grafikspeicher. Das erklärt, weshalb Nvidia den Grafikchip auch "nur" als 1080p-Karte positioniert. Wäre die GPU an sich stark genug, auch mit 1440p in hohen Detailstufen zurechtzukommen, erhöht der magere Speicher die Wahrscheinlichkeit, limitierender Faktor für solche Auflösungen zu sein.

Das ist zudem verwunderlich, weil zuletzt auch schon 3060er-Modelle wenigstens mit zwölf GB Grafikspeicher bestückt worden sind. Immerhin soll von Boardpartnern eine Variante mit 16 GB nachgereicht werden, allerdings zu einem deutlich höheren Preis. Zum Vergleich: Die RTX 4060 Ti wird mit einer UVP ab 439 Euro angegeben, die 16-GB-Version soll ab Juli 549 Euro kosten.

Das Modell von Zotac

Für ein konkretes Beispiel der RTX 4060 Ti musste ein Modell von Zotac herhalten. Wie für Boardpartner-Karten üblich bietet auch das Design der "Gaming GeForce RTX 4060 Ti 8GB Twin Edge" keine großen Überraschungen. Unterhaltsam sind immer wieder die Bezeichnungen, mit denen man Gamern bestimmte Features von Grafikkarten schmackhaft machen will. Unter dem Motto "Love Gaming. Power the win." soll "Icestorm 2.0" zunächst für eine bessere Kühlung der Karte sorgen. Gleichzeitig stellt Zotac aber auch "Firestorm" bereit, ein Userinterface zum Tunen und Überwachen der GPU. Da waren offenbar besonders gefinkelte Marketing-Füchse am Werk. 

Gleiche Generation, andere Liga: der Vergleich der RTX 4060 Ti (unten) zu einer RTX 4090 (oben).
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Vom belustigenden Wording diverser Versprechungen abgesehen, hinterlässt das Zotac-Modell aber tatsächlich einen tadellosen Eindruck: Die Karte ist mit knapp 23 Zentimetern Länge recht kompakt ausgefallen und verfügt über zwei Axial-Lüfter mit einem Durchmesser von 95 Millimetern, die auch unter Last angenehm leise drehen. Im Idle-Betrieb schalten sich die Lüfter ab Werk automatisch ab.

Die Kühlleistung ist ansonsten ausreichend stark, um die GPU im Griff zu behalten. Im Test wurden 72 Grad GPU-Temperatur selbst bei fordernden Titeln auf maximaler Detailstufe nicht überschritten. Eine Backplate aus Metall rundet den Eindruck hochwertiger Verarbeitung ab. Wem die ohnehin dezente Spectra-RGB-Beleuchtung nicht gefällt, die sich auf einen Schriftzug beschränkt, kann sie problemlos deaktivieren.

Die Performance in der Praxis

Jagt man die RTX 4060 Ti durch eine Reihe von Benchmarks, zeichnet sich rasch ein ganz gutes Bild ab, warum Nvidia die 1440p-Leistung der Karte nicht in den Vordergrund zu stellen scheint. Der bloße Blick auf die durchschnittlichen Bilder pro Sekunde zeigt zunächst, dass es der RTX 4060 Ti ohne Upsampling schon bei einigen modernen Titeln schwerfällt, konstante 60 Bilder pro Sekunde bei maximaler Detailstufe zu halten.

Wie so oft steckt der Teufel auch bei der RTX 4060 Ti im Detail.
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Selbst wenn die Framerate hoch genug ist, kann sich der limitierende Grafikspeicher aber negativ auf das Spielerlebnis auswirken. Da der Speicher ab einer gewissen Detailstufe mit den zu ladenden Texturen nicht mehr richtig nachkommt, beginnt die Bildausgabe zu ruckeln. Je höher die Auflösung und je höher die voreingestellte grafische Detailstufe des Spiels ist, desto offensichtlicher zeigt sich diese Limitierung.

Wenn man diese Eigenschaften im Vorfeld kennt, ist das natürlich keine Katastrophe. Die RTX 4060 Ti lässt sich uneingeschränkt im 1080p-Betrieb nutzen, wo sie nicht selten mit einer dreistelligen Framerate überzeugen kann. Auch in 1440p ist der Einsatz durchaus möglich, allerdings sollte man aufgrund der Speicherbeschränkung Abstriche in der Detailstufe einkalkulieren. Klar sein sollte auch, dass die Karte in der Regel nicht für Auflösungen darüber hinaus geeignet ist.

DLSS 3 – ein seltener Joker

Wie bei anderen Grafikkarten-Modellen von Nvidia auch, lässt sich die Framerate mit den Upsampling-Methoden DLSS 2 (Super Resolution) und DLSS 3 (Frame Generation) deutlich steigern. Im Fall der RTX 4060 Ti lässt DLSS die Spieler nicht im Stich und kann (trotz Belegung im Grafikspeicher) die Defizite der Karte ein wenig kompensieren. Das funktioniert aber klarerweise nur dort, wo DLSS von Spielen unterstützt wird: Während DLSS 2 mittlerweile schon in knapp 300 Spielen genutzt werden kann, beschränkt sich DLSS 3 noch immer auf wenige dutzende Titel.

DLSS 2 befindet sich mittlerweile in der dritten Generation, ist bewährt und keine große Besonderheit mehr. DLSS 3 hingegen ist ein Alleinstellungsmerkmal für alle RTX-4000-Modelle – in Form der RTX 4060 Ti zur bislang niedrigsten Eintrittshürde. Bei den meisten größeren Neuerscheinungen für den PC gilt DLSS als gesetzt, wirklich verlassen sollte man sich aber auch nicht darauf. Zieht man einen Kauf in Erwägung, lohnt es sich jedenfalls, seine bereits vorhandene Spielebibliothek oder die künftigen Titel, die man spielen möchte, auf Kompatibilität zu überprüfen.

Alternativen und Ausblick

Je nach Ausgangssituation in Erwägung zu ziehen sind in so einem Fall ebenso mögliche Alternativen zur RTX 4060 Ti. Wer bereits ein Turing- (RTX 2000) oder Ampere-Modell (RTX 3000) besitzt, wird in der Regel zurecht keine Eile mit dem Upgrade haben - und es auch nicht benötigen, sofern sich die eigenen Ansprüche nicht drastisch geändert haben sollten. DLSS 3 im Feature-Set ist alleine gesehen kein Grund für einen Wechsel, auch wenn Nvidia das gerne so sieht. Ist der zukünftige Einsatz "nur" für Auflösungen von bis zu 1080p geplant, sind die 8-GB-Modelle mit einer UVP für rund 430 Euro schlicht zu teuer. Die kommenden 16-GB-Modelle sollten zwar zukunftstauglicher und auch als 1440p-Karten geeignet sein, bei einer geplanten UVP ab 550 Euro ist in dem Fall das sinnvollere Upgrade zur RTX 4070 aber auch nur 50 Euro entfernt.

Klare Alternativen scheinen jedenfalls nicht vorhanden: Die Performance der Karte befindet sich ungefähr zwischen dem Level einer RTX 3070 und einer RTX 3060 Ti. Im Vergleich zur RTX 4060 Ti zahlt sich aufgrund des höheren Stromverbrauchs aber weder die eine noch die andere Karte aus. Schielt man zur Konkurrenz, würde sich derzeit am ehesten die RX 6750 XT von AMD anbieten: Sie kann bei der rohen Performance – selten, aber doch – einen Hauch vor der RTX 4060 Ti liegen, allerdings um den Preis, deutlich mehr Strom zu verbrauchen – und bei der Verwendung von Raytracing-Features klar ins Hintertreffen zu geraten.

Deutlich unter 500 Euro gibt es auch schon die RX 6800 von AMD: Sie ist schneller und hat 16 GB Speicher, verbraucht aber auch deutlich mehr Strom (235 Watt). Die nächstgrößere Option bei Nvidia selbst wäre die RTX 4070, die ab 600 Euro aufwärts aber in vielen Fällen das Budget sprengen dürfte. Bleibt sinnvollerweise eigentlich nur die Option, sich ein wenig in Geduld zu üben und zu schauen, bis der Markt wieder attraktiver wird. Das könnte vor allem der Fall sein, wenn die von AMD-Chefin Lisa Su eigentlich für Sommer angekündigte Radeon-7000er-Serie in höheren Ausbaustufen (7700 und 7700 XT) veröffentlicht wird – und sei es nur, um die Preise dieses Marktsegments zu drücken. 

Fazit

Wer mit der RTX 4060 Ti auf ein Grafikwunder in der Mittelklasse gehofft hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit enttäuscht werden. Zwar hat Nvidia deutlich an der Effizienz des Grafikchips und seiner Architektur geschraubt – die Performance, die dabei unterm Strich herausschaut, ist am Beispiel des Zotac-Modells und besonders unter Berücksichtigung des Preises eher ernüchternd.

Das liegt nicht nur daran, dass der Generationensprung hinsichtlich roher Grafikleistung vergleichsweise gering ausgefallen ist. Insbesondere die Entscheidung für ein Modell mit 8 GB Grafikspeicher kann nicht nachvollzogen werden, weil die GPU, die für Auflösungen bis 1440p eigentlich stark genug wäre, damit jetzt schon leicht an ihre Grenzen gebracht werden kann. Klar ist, dass sich Nvidia generell stark auf seine Upsampling-Trickkiste mit DLSS 2 und 3 verlässt. Insbesondere bei DLSS 3 ist aber anzumerken, dass nach wie vor nur ein Bruchteil des gesamten PC-Spieleangebots von dieser Technologie profitiert. Daher kann besonders DLSS 3 derzeit maximal als netter Bonus betrachtet werden, aber keinesfalls als Kaufgrund.

Letztendlich ist die RTX 4060 Ti also nicht zu empfehlen. Sollte man auf der Suche nach einer aktuellen Midrange-Grafikkarte sein, empfiehlt sich noch ein wenig Geduld. Nicht nur, weil Nvidia das "60er"-Lineup in Kürze mit alternativen Modellen vervollständigen wird, sondern weil in absehbarer Zeit auch mit neuen Karten von Konkurrent AMD zu rechnen ist. Und so wie es aussieht, dürfte die RTX 4060 Ti in der 8-GB-Version danach so oder so selten eine ernsthafte Option für Gamerinnen und Gamer sein. (Benjamin Brandtner, 23.6.2023)