Selbst zu Zeiten sommerlicher Hitzewellen sorgt die Erinnerung an den mittelalterlichen "Schwarzen Tod" für Gänsehaut: Die Pandemie tötete auf ihrem Höhepunkt in Europa jede dritte Person. Ärzte mit schauderhaften Pestmasken versuchten, sich die Krankheit vom Leibe zu halten, auch wenn ihre Übertragung noch lange rätselhaft bleiben sollte. Auf Sammelkarren wurden Pesttote gestapelt und in Massengräber geworfen.

Bei diversen Ausbrüchen der Krankheit könnte unter den hastig Bestatteten auch manch ein lebendiger, wenngleich benebelter Alkoholkonsument wie der legendäre "liebe Augustin" aus Wien gewesen sein. Angeblich starb sogar der römische Kaiser Mark Aurel in Wien (beziehungsweise im damaligen Vindobona) im Jahr 180 an der Pest. Doch in der historischen Forschung ist Pest nicht gleich Pest. Damals dürfte der Symptombeschreibung zufolge eher eine Variante der Pocken gewütet haben und nicht die Beulenpest, die vom Bakterium Yersinia pestis hervorgerufen wird.

Links eine Zeichnung der Lage der Skelettknochen in der Grube, rechts ein Foto des zusammengekauerten Skeletts des ältesten Pesttoten in Österreich
Einer der prähistorischen Pesttoten in seinem Grab.
ArchaeoProtect/ÖAW

Heute weiß man, dass der Erreger schon vor rund 5.000 Jahren in Eurasien kursierte, also beim Übergang von Steinzeit zu Bronzezeit. Neue Studien wiesen Teile der Bakterien-DNA etwa in einem Grab im heutigen Lettland nach, erst kürzlich stieß ein Forschungsteam auf die ältesten Spuren der Krankheit in Großbritannien. Ähnlich alt sind auch die neuen Rekordhalter auf dem Gebiet Österreichs: Vor etwa 4.000 Jahren wurden zwei junge Männer in einem Gräberfeld in Niederösterreich bestattet, die den Pesterreger in sich trugen. Zuvor waren es mittelalterliche Todesfälle, die als älteste Pesttote Österreichs gewertet wurden.

Überraschungsfund mit Pesttoten

Die neuen Funde wurden bei einer Grabung in Drasenhofen unweit der Grenze zu Tschechien entdeckt, insgesamt befinden sich dort 22 Gräber aus der frühen Bronzezeit um 2000 vor Christus. Eigentlich wollte das Team um Archäologin Katharina Rebay-Salisbury, die an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) und der Universität Wien forscht, die Verwandtschaftsverhältnisse der Verstorbenen ermitteln. Bei den genetischen Analysen am Max-Planck-Institut für Evolutionäre Anthropologie in Leipzig stellte sich allerdings heraus, dass auch das Pestbakterium in den DNA-Proben aufgespürt werden konnte. Veröffentlicht wurden die Ergebnisse nun im Fachmagazin "Archaeologia Austriaca" im Verlag der ÖAW, auch Experten der Med-Uni Wien und der Grabungsfirma Archaeoprotect GmbH waren beteiligt.

Autobahn bei Drasenhofen, A5, und umliegende Felder
Bei der Autobahn-Umfahrung Drasenhofen stieß das Forschungsteam auf ein Gräberfeld.
ÖAW/K.Rebay-Salisbury

Beide verstorbenen Männer wurden den Analysen zufolge etwa 22 bis 30 Jahre alt, offenbar war die Pest selbst die Todesursache. Denn der Erreger befand sich zum Zeitpunkt des Todes im Blut: Die DNA-Proben stammen aus dem Inneren der Zahnkronen, wo sich auch Blutgefäße befinden. Ist das Bakterium ins Blut gelangt, dann besteht bisherigen Erkenntnissen zufolge auch eine hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Verlauf. Interessant ist in diesem Kontext auch die Platzierung der Grabstätten der Infizierten: "Ihre Gräber befinden sich in Randlage, man war sich also vielleicht bewusst, dass sie an einer ansteckenden Krankheit verstorben sind", sagt Rebay-Salisbury.

Hirten oder Jäger?

Theoretisch ist es auch möglich, dass weitere Tote Yersinia pestis in sich trugen, das Bakterium aber nach solch langer Zeit nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Es ist außerdem bemerkenswert, dass die Pesttoten nicht denselben Stamm des Erregers in sich trugen. Sie haben sich also nicht gegenseitig angesteckt. "Anders als später im Mittelalter wurde die Pest eventuell nicht über Flöhe übertragen, da den frühen Pestbakterien wichtige genetische Eigenschaften dafür fehlen", erklärt Rebay-Salisbury. Dies passt auch zu anderen bronzezeitlichen Funden, bei denen das entsprechende Gen fehlt. "Es könnte sich deshalb um andere Infektionswege wie zum Beispiel Tröpfcheninfektionen oder den Konsum von infiziertem Fleisch gehandelt haben."

Links zwei Skelette in einer Gruppe als Skizze, rechts wieder auf einem Foto abgebildet.
Auch bei dem hier unten liegenden Skelett wurde der Pesterreger nachgewiesen.
ArchaeoProtect/ÖAW

Prinzipiell ist die Verbindung zwischen Tier und Mensch wichtig, da es sich bei der Pest um eine Zoonose handelt, sie also zumindest ursprünglich von Tieren auf Menschen übertragen wird. Bei den mittelalterlichen Pestausbrüchen spielten Ratten als Wirtstiere in der Übertragungskette eine wichtige Rolle. Doch auch Mäuse, Katzen und Hunde können – wie rund 200 Säugetiere – von der Pest befallen werden. Der Forschungsgruppe zufolge könnten die betroffenen Männer sich als Hirten um infizierte Nutztiere gekümmert haben oder bei der Jagd nach Wildtieren dem Erreger ausgesetzt gewesen sein.

Gräberfeld Drasenhofen aus der Vogelperspektive mit ältesten Pesttoten Österreichs
Zwei Tote im Gräberfeld – hier in der Ansicht von oben – trugen das Pestbakterium im Blut.
ÖAW/ArchaeoProtect

Bisherige Daten lassen vermuten, dass in der Bronzezeit Männer öfter als Frauen von der Pest betroffen waren, sagt Rebay-Salisbury, die sich schwerpunktmäßig auch mit Geschlechterfragen in der Archäologie beschäftigt. "Wir beobachten in der Zusammenstellung aller bisher publizierten Pestopfer der späteren Urgeschichte in Eurasien, dass mehr Männer als Frauen an der Pest gestorben sind." Bisher wurden 27 Männer und elf Frauen mit Spuren des Pestbakteriums entdeckt. Der entsprechende Überhang könnte etwa mit Aufgaben zu tun haben, die häufiger von Männern erledigt wurden.

Pest noch nicht ausgelöscht

Allerdings wird darüber diskutiert, in welchen Fällen die Krankheit als Todesursache gilt: Eine hohe Erregerzahl wird teils als Hinweis auf einen eher milden Verlauf interpretiert, in manchen Fällen weisen die Skelette zusätzlich Spuren von Gewalteinwirkungen auf. Bei solchen Verletzungen ist es schwierig herauszufinden, ob sie vor, während oder nach dem Tod eingetreten sind, sagt die Archäologin auf STANDARD-Nachfrage: "Wenn Pestbakterien nachweisbar sind, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass diese auch die Todesursache waren."

Dass heute dank molekularbiologischer Methoden so viele prähistorische Fälle mit der Pest in Verbindung gebracht werden können, ist beachtlich – auch wenn die Zahlen für eine hohe statistische Aussagekraft zu Geschlechterverhältnissen eher gering sind. Die tödliche Krankheit wird die Forschung gewiss noch eine ganze Weile beschäftigen, aber auch die moderne Epidemiologie. Schließlich sind Beulen- und Lungenpest nicht ausgestorben, sondern fordern heutzutage etwa bei Ausbrüchen in Madagaskar weiterhin Tote. (Julia Sica, 21.6.2023)