Bau von Wohnungen für Siedler im Westjordanland
Nach dem Anschlag hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu den beschleunigten Bau von rund 1.000 Wohnungen in der Region angekündigt.
REUTERS/ AMMAR AWAD

Jerusalem – Die israelische Armee hat eingeräumt, bei der Verhinderung eines Angriffs jüdischer Siedler auf das palästinensische Dorf Turmus Ayya mit einem Toten im besetzten Westjordanland am Dienstag "versagt" zu haben. "Wir hatten bei der ersten Angriffswelle nicht genügend Kräfte vor Ort", sagte der Armeesprecher Daniel Hagari am Freitag. "Dieses Mal haben wir versagt." Israels Inlandsgeheimdienst Shin Beth nahm nach Medienberichten drei Tatverdächtige fest.

Am Mittwoch hatten nach Angaben von Einwohnern 200 bis 300 jüdische Siedler das Dorf Turmus Ayya angegriffen und Gebäude, Felder und Fahrzeuge zerstört oder in Brand gesetzt - ein Vergeltungsangriff nach dem Tod von vier Israelis bei einem Angriff mit Schusswaffen auf eine Tankstelle nahe einer jüdischen Siedlung am Dienstag, der wiederum als Vergeltungsangriff auf eine israelische Razzia am Montag galt, bei der sieben Palästinenser getötet wurden.

Allein seit Anfang der Woche starben damit im besetzten Westjordanland mindestens 18 Menschen, darunter mehrere Jugendliche, sowohl durch das israelische Militär als auch durch Angriffe von Palästinensern oder jüdischen Siedlern.

Kritik von Österreich

Turmus Ayya ist die Heimat einer größeren Anzahl palästinensischer US-Amerikaner, die sich über den mangelnden Schutz aus Washington frustriert und hilflos zeigten.

Eine Delegation aus mehr als 20 diplomatischen Vertretungen, darunter EU und USA, besuchte das Dorf am Freitag, um die Schäden zu begutachten. UN-Menschenrechtskommissar Volker Türk warnte: "Die neuesten Tötungen, die Gewalt und eine hetzerische Rhetorik führen Israel und die Palästinenser nur weiter in den Abgrund." Der US-Botschafter in Israel, Tom Nides, kritisierte die Siedler. Die USA sähen solcher Gewalt nicht tatenlos zu. Zugleich sprach er den Familien der Anschlagsopfer sein Mitgefühl aus.

Kritik kam auch von Österreich. Israel als Besatzungsmacht müsse dafür sorgen, dass die Verantwortlichen vor Gericht gestellt und proaktive Schritte zum Schutz der palästinensischen Gemeinden unternommen werden, hieß es am Freitag in einer gemeinsamen Erklärung mit 15 weiteren europäischen Ländern. Kritisiert wurde auch der Siedlungsausbau und der palästinensische Anschlag.

Siedlungen aufgelöst

Die Gewalt im israelisch-palästinensischen Konflikt hat seit Jahresbeginn deutlich zugenommen. Bisher wurden in diesem Jahr laut Zählungen der Nachrichtenagentur AFP bereits mindestens 174 Palästinenser, 25 Israelis, eine Ukrainerin und ein Italiener getötet.

Jüdische Siedler errichteten im besetzten Westjordanland neue Außenposten, wie am Freitag bekannt wurde. Das israelische Militär teilte mit, seit Donnerstag seien mehrere der illegalen Ansiedlungen entdeckt worden. Sie würden nach nicht näher beschriebenen Prioritäten aufgelöst, hieß es weiter. 

"Häuser zerstören, Terroristen auslöschen"

Der rechtsextreme Minister für nationale Sicherheit, Itamar Ben-Gvir, erklärte dagegen bei dem Besuch eines dieser Außenposten: "Wir halten euch den Rücken frei, lauft auf die Hügel, besiedelt das Land." Gleichzeitig verlangte er einen breiten Militäreinsatz gegen militante Palästinenser. "Häuser zerstören, Terroristen auslöschen, und zwar nicht einen oder zwei, sondern dutzende, hunderte, und wenn nötig, auch tausende", so Ben-Gvir. Die Tageszeitung "Yediot Ahronot" berichtete, seit Donnerstag seien mindestens sieben neue Siedlungen mit Wissen der Regierung errichtet worden.

Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte nach dem palästinensischen Anschlag den beschleunigten Bau von rund 1.000 Wohnungen in der Region angekündigt. "Unsere Reaktion auf Terror ist, ihn mit aller Macht zu bekämpfen, und unser Land aufzubauen", hieß es in einer Mitteilung (APA, red, 23.6.2023)