Das Kadinjača-Denkmal in Serbien
Das Kadinjača-Denkmal in Serbien.
Spomenik Database

Ich glaube, es war 2010, als ein Bildband erschien, der nicht nur mich in Staunen versetzte: "Spomenik" des belgischen Fotografen Jan Kempenaers zeigte Denkmäler, die über den gesamten jugoslawischen Raum verteilt waren, riesige, futuristische Skulpturen, die sich mitten in der Natur auftürmten, magisch und geheimnisvoll, wie aus einer anderen Welt: unheimliche Augen aus Beton, gigantische Blumen aus Stahl, Ufos, die gerade gelandet schienen. Kempenaers verstand sich weniger als Dokumentarfotograf, mehr als Künstler, der die Schönheit dieser außerhalb des Balkans kaum bekannten Monumente feiern wollte.

Das Makedonium in Kruševo, Nordmazedonien
Das Makedonium in Kruševo, Nordmazedonien.
Spomenik Database

Meine Leidenschaft war geweckt. Ich wollte zumindest einige davon unbedingt sehen, was sich als erstaunlich schwierig herausstellen sollte, weil viele tatsächlich recht entlegen sind. Oft wissen nicht einmal die Einheimischen selbst, wo sie zu finden sind, der Zahn der Zeit nagt am Beton. Andere wiederum werden noch heute aktiv als Gedenkstätten genutzt. "Spomenik" bedeutet übersetzt eigentlich nur Denkmal und gibt sehr ungenügend wieder, worum es sich handelt: Im Zweiten Weltkrieg fielen hier jugoslawische Partisanen, unter Staatschef Tito entstanden von den 1950er- bis in die 1990er-Jahre diese Anlagen zum Andenken, geschaffen von bekannten Architekten und Bildhauern wie Dusan Dzamonja oder Bogdan Bogdanovic.

"Gefallene Soldaten" in Ostra, Serbien.
Spomenik Database

Um diese Denkmäler zu verstehen, muss man sie in echt gesehen haben: Sie folgen einer Choreografie, waren für Massenaufläufe gedacht. Auf Fotos lässt sich das nur schwer einfangen, auch wie exponiert sie in der Landschaft stehen. Spektakulär sind die Flügel von Tjentište in Bosnien-Herzegowina von 1971, die an die Schlacht von Sutjeska erinnern, eine der blutigsten im Zweiten Weltkrieg. Auf einem Hügel, relativ unscheinbar, bis man direkt vor ihm steht, liegt das Kriegerdenkmal Popina, entworfen von Bogdan Bogdanovic. Im Volksmund heißt es "Sniper", wenn man durch die Elemente schaut, wirkt es wie ein Zielfernrohr. Eines der für mich schönsten, am besten erhaltenen Denkmäler ist Kadinjača in Serbien: Wie in einem Science-Fiction-Film öffnet sich da ein riesiges Einschussloch in einem weißen Granitmonolith, es wirkt wie ein Fenster in eine andere Dimension. Toll ist auch das "Ufo" von Kruševo in Mazedonien, auch Makedonium genannt, in das man reingehen kann. Beeindruckt hat mich auch die Stahlskulptur, aus der Gesichter zu wachsen scheinen, die in Ostra, Serbien steht.

Der
Der "Scharfschütze" in Popina, Serbien.
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Menschen trifft man vor allem bei den weniger bekannten Partisanendenkmälern kaum, obwohl "Spomeniks" in den letzten Jahren ziemlich gehypt wurden, es fanden Modeshootings vor ihnen statt, Musikvideos wurden gedreht, Influencerinnen posieren gern vor ihnen. So cool diese Giganten auch sind, man sollte doch Respekt bewahren, verstehen, was an diesem Ort passiert ist. Dabei hilft das großartige und sehr praktische Online-Archiv Spomenik Database (es gibt auch ein Buch dazu). Genau Koordinaten leiten an, sogar die entlegensten Denkmäler zu finden. Mein nächstes Ziel wird übrigens Ilirska Bistrica in Slowenien sein, ein riesiger ausgehöhlter Betonwürfel, der über einer Krypta steht. Die Säulen verkörpern die Knochen der gefallenen Soldaten. (Karin Cerny, 3.7.2023)