Helena Newman bei Auktion
Helena Newman bei der Auktion von Sotheby's Europe: Über 99 Millionen Euro erbrachte die Versteigerung des Gustav-Klimt-Bildes "Dame mit Fächer" – ein Werk mit einem Makel.
Haydon Perrior / Sotheby's

Als "Chefdirigentin" lieferte Helena Newman Dienstagabend im Auktionssaal in London vollen Einsatz. Selbst die Wahl des Outfits hatte die weltweite Leiterin der Sparte Impressionist & Modern Art und Vorsitzende von Sotheby’s Europe nicht dem Zufall überlassen: Ein Kleid, designed by Victoria Beckham, dessen Schnitt Bewegungsfreiheit für die ausladenden Handbewegungen von Auktionatoren bot und dessen zitronengelbe Farbe sich merklich an der Farbpalette des Starlots im Angebot orientierte: an Gustav Klimts Dame mit Fächer (1917), dem letzten vom Künstler gemalten Porträt einer Frau, die, in einen Kimono gehüllt, mit den ostasiatischen Arabesken im Hintergrund zu verschmelzen scheint. Die perfekte Trophäe für die vermögende Sammlerzunft im asiatischen Raum, ein Faible für diese Epoche der europäischen Moderne und Gustav Klimt vorausgesetzt.

Gut zehn Minuten lang dirigierte Newman die Gebote eines Telefonbieters und dreier Interessenten im Saal, ausgehend von 58 Millionen Pfund bis zu den finalen 74 Millionen Pfund. Den Zuschlag erteilte sie ihrer ehemaligen Kollegin Patti Wong, die das Bild laut Sotheby’s "im Auftrag eines Sammlers aus Hongkong" erwarb. Inklusive Aufgeld wird dieser nun 85,3 Millionen Pfund (99,57 Mio. Euro) überweisen: der höchste je bei einer Versteigerung in Europa erzielte Kaufpreis und ein neuer Klimt-Auktionsrekord obendrauf.

Die "Dame mit Fächer" (1917–1918) gilt als eines der letzten Werke Gustav Klimts.
Belvedere, Wien / Markus Guschelbauer

Ob das Gemälde im Umfeld der Home Art HK Ltd auftaucht, wird sich weisen. Das Unternehmen aus Hongkong ist bereits im Besitz zweier namhafter Klimt-Werke, die man zuletzt als Leihgaben für Ausstellungen in Europa zur Verfügung stellte: Das von Talkshow-Queen Oprah Winfrey für kolportierte 150 Millionen Dollar erworbenen Por­trät Adele Bloch-Bauer II und die Wasserschlangen II, für die man einem russischen Milliardär um die 200 Millionen Dollar bezahlt haben soll. Letzteres Bild gastierte bis Ende Mai auch im Belvedere.

Die Ankündigung der Versteigerung der Dame mit Fächer nahm man dort übrigens betroppezt zur Kenntnis. Aus nachvollziehbaren Gründen, die in einem Zusammenhang mit der kriminellen Vorgeschichte des Gemäldes stehen. Denn es war Anfang der 1980er-Jahre illegal aus Österreich exportiert worden – nachdem Rudolf Leopold das Bild an einen ihm angeblich unbekannten Mann "mit Wiener Dialekt" für 18 Millionen Schilling in einer Bar verkaufte, wie er Ermittlern erklärte. Eine unglaubwürdige Mär, die im Herbst 1993 zur Einstellung des Verfahrens der Staatsanwaltschaft führte, "da der bzw. die Täter nicht ausforschbar waren".

Sauer aufgestoßen

Im Mai 1994 tauchte das Bild bei einer Auktion von Sotheby’s in New York auf und offenbarte den aus Wien gebürtigen New Yorker Kunsthändler und Sammler Serge Sabars­ky als ehemaligen Käufer von Leopold: Für 11,6 Millionen Dollar wurde es damals von der Familie des jetzigen Verkäufers erworben. Eine vermögende Familie, bei der es sich entgegen jüngster Spekulationen nicht um jene von Thyssen-Bornemisza handelt. Jedenfalls gab es schon länger Bemühungen, das Gemälde als Leihgabe nach Österreich zu bekommen.

Durch den illegalen Export des Bildes war der Rechtsanspruch verwirkt, der dem daran unschuldigen Eigentümer die Wiederausfuhr aus Österreich garantiert hätte. Erst eine Sondergenehmigung ermöglichte das Gastspiel im Belvedere. Rückblickend wirkt es wie eine Reinwaschung, die Involvierten in Österreich durchaus sauer aufstößt.

Hier aber bekam das Gemälde eine Öffentlichkeit, die den Besitzer offenbar zu einem Verkauf bewog, befeuert von einem attraktiven Angebot von Sotheby’s. Denn das Auktionshaus garantierte einen Mindestverkaufspreis von 65 Millionen Pfund (netto) und ließ sich das Risiko zeitgleich von einem Dritten absichern. Dieser profitiert nun ebenfalls von dem Endergebnis, das als neuer Auktionsrekord für Klimt gilt: Er bekommt einen Anteil von dem über die Garantie hinausgehenden Betrag, in einer Größenordnung von zumindest 20 oder gar 50 Prozent. (Olga Kronsteiner, 29.6.2023)