Die Betreiber des stillgelegten Atomkraftwerks ringen nach einer Lösung für das verseuchte Kühlwasser.
Die Betreiber des stillgelegten Atomkraftwerks ringen nach einer Lösung für das verseuchte Kühlwasser.
AP/Miyano

Wer leitet mehr verseuchtes Wasser in den Pazifik? Diese Frage beschäftigt aktuell die chinesisch-japanischen Beziehungen. Noch diesen Sommer wollte Japan beginnen, radioaktiv verseuchtes Wasser, das zur Kühlung der zerstörten Fukushima-Reaktoren verwendet worden war, in den Pazifik zu leiten. Peking zeigte sich entsetzt: "Der Ozean ist ein gemeinsames Gut der Menschheit, nicht Japans Abwasserklanal", hieß es aus dem chinesischen Außenministerium. Japan habe ganz klar auch andere Optionen. 

Diese Woche nun konterte Japan: Die Menge an radioaktiv verseuchtem Wasser, die China ins Gelbe Meer leite, sei viel höher als das, was in Fukushima geplant sei. Die jährliche Summe an Tritium, die von drei chinesischen Atomreaktoren ins Meer gelange, übersteige die von Fukushima um das 6,5-Fache. Das Wasser, welches das Atomkraftwerk Qinshan III in der Provinz Zhejiang bei Schanghai ins Meer leite, enthalte 143 Billionen Becquerel an Tritum. Das weiter südlich in der Provinz Guangdong gelegene Kraftwerk Yangjiang sei für 102 Billionen Becquerel verantwortlich, hinzu kämen zwei weitere Kraftwerke mit einer ähnlichen hohen Menge an radioaktiv verseuchtem Abwasser. Die Menge aus Fukushima betrage dagegen 22 Billionen Becquerel. 

Das verseuchte Kühlwasser wird in Tanks gelagert.
Das verseuchte Kühlwasser wird in Tanks gelagert.
APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU

Zwölf Jahre ist es her, dass ein durch ein Erdbeben ausgelöster Tsunami auf das Atomkraftwerk von Fukushima traf und dort schwere Schäden verursachte. Das Kühlsystem des Kraftwerks fiel aus, in drei der sechs Reaktoren kam es zur Kernschmelze. Die Regierung riegelte das Gebiet ab, und über 100.000 japanische Bürger mussten ihre Heimat verlassen. Das zur Kühlung verwendete und damit strahlende Wasser wurde seitdem in Tanks gesammelt.

Zwar gab es immer wieder Berichte über den Austritt radioaktiv verseuchten Wassers in den Ozean und ins Grundwasser. Der Betreiber Tokyo Electric Power Company Holdings, kurz Tepco, bestritt dies aber stets. Klar war jedoch auch, dass die Tanks spätestens 2024 vollgelaufen sein würden und eine neue Lösung gefunden werden müsse. 2021 genehmigte das japanische Parlament schließlich, dass Tepco das Wasser über einen Zeitraum von 30 Jahren in den Ozean entsorgen dürfe.

Protest der Pazifik-Anrainer

Aktuell prüfen Inspektoren die Tanks und untersuchen, wann und wie mit der Ableitung von rund einer Million Tonnen Wasser begonnen werden kann. Laut japanischen Angaben sei dieses nur leicht verstrahlt und weitgehend ungefährlich.   Zahlreiche Pazifik-Anrainerstaaten von Taiwan bis Mexiko protestierten gegen diese unilaterale Entscheidung. Japan solle alle Möglichkeiten ausschöpfen, das Wasser im eigenen Land zu lagern.

Besonders laut waren die Proteste aus China. Die Volksrepublik setzte sich für die Bildung einer technischen Arbeitsgruppe unter Leitung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA ein. Dazu kam es aber nicht. Am Mittwoch warf das chinesische Außenministerium Japan vor, eine Million Euro an die Kommission gespendet zu haben, um das Vorhaben im Sinne Japans zu torpedieren.

Am selben Tag äußerte sich auch die Stadtregierung von Hongkong äußerst besorgt hinsichtlich der Lebensmittelsicherheit. Die Stadt mit ihren 7,5 Millionen Einwohnern ist nahezu völlig von Lebensmittelimporten abhängig. Sollte Japan das strahlende Wasser in den Pazifik leiten, würden dies 30 Jahre lang Auswirkungen haben. 

Energie aus Kohle

China dagegen taucht dagegen meist in den internationalen Medien auf, wenn die Investitionen des Landes in erneuerbare Energien bejubelt werden. Bei genauerer Betrachtung sind die Zahlen allerdings ernüchternd: Zwar steigt der Anteil der Primärenergie, die aus erneuerbaren Energien gewonnen wird, kontinuierlich an. Noch immer aber ist Kohle mit über 55 Prozent der wichtigste Energieträger des Landes. Danach folgen Öl und Wasserkraft.

Atomenergie stellte 2021 knapp 2,6 Prozent der Primärenergie und war für 4,5 Prozent der Stromerzeugung verantwortlich. Tatsächlich aber baut das Land mit Hochdruck das eigene Atomprogramm aus. In keinem anderen Land werden derzeit so viele Nuklearreaktoren gebaut wie in China. In den kommenden 15 Jahren will Peking 150 neue Reaktoren errichten. Rund 440 Milliarden US-Dollar hat das Land bisher in die Projekte investiert. (Philipp Mattheis, 29.6.2023)