Ein Magnetresonanztomografiebild eines Kopfes mit Gehirn. Die Hirnforschung will herausfinden, ob das Bewusstsein ein neuronales Phänomen ist.
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Zu einem Wettstreit der besonderen Art kam es vor 25 Jahren zwischen zwei Vertretern von Wissenschaft und Philosophie. Der Philosoph David Chalmers und der Neurologe Christof Koch diskutierten über die Frage, ob sich das menschliche Bewusstsein auf der Ebene der Neuronen erklären ließe. Koch behauptete, dass es nur eine Frage von einigen Jahrzehnten sein könne, bis die Wissenschaft das Geheimnis um das Bewusstsein entschlüsselt. Chalmers bezweifelte das.

In der Wissenschaft, in der Spekulationen von untergeordnetem Interesse sind und um hieb- und stichfeste Ergebnisse gerungen wird, bleiben solche Mutmaßungen meist in den Hinterzimmern, in denen sie geführt wurden. Doch Chalmers und Koch entschieden sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Sie schlossen eine Wette ab. Nun, 25 Jahre später, trafen sie sich bei einer Tagung des Interessensverbands zur wissenschaftlichen Untersuchung des Bewusstseins ASSC in New York, um den Ausgang zu klären.

Fortschritte in der Forschung

Beide beschäftigen sich seit vielen Jahren von unterschiedlichen Seiten mit dem Problem. Während Koch seit den 1980er-Jahren daran arbeitet, neuronale Muster zu identifizieren, die mit dem Bewusstsein in Verbindung stehen, und dafür mit Magnetresonanztomografie Blutströmungen im Gehirn untersucht, geht Chalmers das Problem von philosophischer Seite an, publiziert regelmäßig zum Thema Bewusstsein und ist derzeit stellvertretender Leiter des Zentrums für Geist, Hirn und Bewusstsein an der Universität New York.

Koch machte mit seinen Zugängen schon vor Jahren Fortschritte dabei, die kleinen Bestandteile zu identifizieren, die das Gefühl des Hörens, Sehens oder Wollens erzeugen. Zum Zeitpunkt der Wette entwickelten sich die von ihm verwendeten Methoden schnell weiter, und er war optimistisch. "Ich dachte: 25 Jahre? Kein Problem", erinnert sich Koch.

Christof Koch verwendet für seine Untersuchungen einen Magnetresonanztomografen.
www.corn.at Heribert CORN

Die Wette geriet mit der Zeit in Vergessenheit. Es war der Wissenschaftsjournalist Per Snaprud, der 1998 ein Gespräch mit Chalmers aufgezeichnet hatte und sich daran erinnerte. Der Wetteinsatz war eine Flasche Wein gewesen. Der Philosoph und der Wissenschafter hatten inzwischen eine Kooperation begonnen, mit dem Ziel, verschiedene Hypothesen zum Bewusstsein wissenschaftlich zu testen.

Die Resultate von einem dieser Experimente wurden nun präsentiert. Es sollte zwischen zwei Hypothesen entscheiden, einer, die das Bewusstsein als Struktur im Gehirn versteht, die aktiv ist, so lange eine Erfahrung andauert. In diesem Fall wären beim Betrachten eines Bildes im Hirn Muster sichtbar, die dem bewussten Wahrnehmen des Bildes entsprechen. Vermutet werden diese Strukturen im hinteren Teil des Gehirns. Eine andere Hypothese versteht das Bewusstsein als Vernetzung zwischen verschiedenen Teilen des Gehirns. Koordiniert würde das eher im vorderen Teil des Gehirns. Sechs unterschiedliche Arbeitsgruppen führten Experimente durch, um zu entscheiden, welche Hypothese eher zutrifft.

Der Philosoph David Chalmers wettete vor 25 Jahren, dass sich das Bewusstsein nicht wissenschaftlich erklären lasse. Er behielt bislang recht.
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Kein eindeutiges Ergebnis

Doch die Ergebnisse, die nun zur Veröffentlichung in Fachjournalen vorbereitet werden, waren eher ernüchternd. Die Experimente zeigten keine klare Präferenz für eine der beiden Varianten. Koch nahm das zum Anlass, seine Niederlage zur Kenntnis zu nehmen. Bei der Tagung, an der beide teilnahmen, überreichte er Chalmers den versprochenen Wetteinsatz, eine Flasche Wein. Kochs Kollegin, die Neurologin Lucia Melloni, lobte seinen Mut. Es sei nicht selbstverständlich, dass Menschen mit konkurrierenden wissenschaftlichen Vorstellungen sich an einen Tisch setzen und selbst die Überprüfung vorantreiben. "Das braucht eine Menge Courage und Vertrauen", betonte sie.

Auch Chalmers äußert seinen Respekt für Koch. "Für mich war es immer eine relativ sichere Wette und eine gewagte für Christof", sagt Chalmers gegenüber dem Journal "Nature".

Endgültig entschieden sei die Angelegenheit allerdings nicht, betont Koch. Die Experimente hatten eine leichte Präferenz für die erste untersuchte Variante gezeigt, laut der das Bewusstsein eher im hinteren Teil des Gehirns sitzt. Dennoch müssten die beiden Hypothesen wohl überholt werden. Chalmers stimmt Koch zu: "Es gibt in dem Gebiet viele Fortschritte." Früher sei das Bewusstsein ein großes philosophisches Rätsel gewesen, doch: "Über die Jahre hat es sich in etwas verwandelt, das wir zumindest teilweise wissenschaftlich fassen können." (Reinhard Kleindl, 3.7.2023)