Wünsche von Arena-Anrainern sorgen bei vielen Musik-Fans für enttäuschte Gesichter.
Wünsche von Arena-Anrainern sorgen bei vielen Musikfans für enttäuschte Gesichter.
EPA/Ida Marie Odgaard

Über die Frage, ob zuerst die Henne oder das Ei da war, lässt sich vortrefflich philosophieren. Die eigentliche Frage ist freilich, welche Konsequenzen sich ergeben, wenn die Rangfolge geklärt ist. Beispiel: Das selbstverwaltete Kulturzentrum Arena in Wien-Erdberg gibt es seit 1977. Die Wohntürme des benachbarten Hochhausquartiers "The Marks" seit nicht einmal einem Jahr, im vergangenen Dezember sind die ersten Bewohner eingezogen. Dürfen sich diese nun über zu laute Musik, die von der Konzert- und Partylocation herüberzieht, aufregen?

Sie dürfen. Obwohl sie gewusst haben müssen, dass die Arena seit Jahren einer der angesagtesten Plätze für Freiluftkonzerte ist. "The Marks" – ein Gemeinschaftsprojekt von WBV-GPA, ÖSW und Buwog – weist Interessenten sogar extra darauf hin, dass die Arena nur fünf Gehminuten entfernt sei.

Partys untersagt

Mario Weisch, der Obmann des Trägervereins Forum Wien Arena, bestätigte am Freitag auf Anfrage des STANDARD einen Bericht der "Presse", wonach es Lärmbeschwerden gegeben habe. Sein Stellvertreter hatte das Problem unlängst bei einer Podiumsdiskussion erwähnt. Im Netz ging daraufhin die Sorge viral, dass die Arena zumachen müsse. Auch der Umstand, dass heuer drei After-Work-Partys an Nachmittagen untersagt wurden, nährte diese Befürchtung.

Von zusperren will Weisch aber nicht reden. Man arbeite bereits intensiv gemeinsam mit der Stadt Wien an einer Lösung.

Eine Million Euro

Konkret geht es um eine neue Soundanlage, die in der Lage ist, niederfrequenzigen Schalldruck so zu minimieren, dass der wummernde Bass außerhalb des bespielten Areals nicht mehr wahrnehmbar ist. Das ausgeklügelte "Panther"-System der Firma Meyer Sound sei sogar schon erfolgreich getestet worden. "Außerhalb der Arena hast du nur mehr den Eindruck, dass irgendwo ein Radio läuft", zeigt sich Weisch begeistert.

Das Problem: Die Soundanlage kostet im Vollausbau rund eine Million Euro. Unleistbar für den Arena-Verein, der zwar von der Stadt Wien gefördert wird – aber nur als Bildungsverein, der im Vergleich zu Kulturvereinen wesentlich weniger finanzielle Unterstützung erhalte. Im Moment stehe eine abgespeckte Soundanlage zur Diskussion, die nur die Hälfte koste, aber den gleichen Effekt habe.

Auch innen Schallschutz

Auch die Fenster im Indoor-Konzertbereich der Arena sollen neu schallisoliert werden, wie Diemtar Klose, der Leiter der für Veranstaltungen zuständigen MA 36, bestätigt. Denn auch hier habe es schon Lärmbeschwerden gegeben. Andere Lärmschutzauflagen würden schon seit den 1980er-Jahren erfüllt. "Dass die Türen bei Lärm zu sein müssen, muss man nicht neu vorschreiben", so Klose.

Und was sagt die Politik? Erich Hohenberger (SPÖ), langjähriger Bezirksvorsteher in Wien-Landstraße, stellt einen Finanzierungsplan in Aussicht, an dem sich auch der Bezirk beteiligen werde. Er könne zwar die Beschwerden verstehen, man müsse sich aber beim Einzug das "Umfeld ansehen", meint er in der "Presse". Die Arena sei "seit Jahrzehnten an der Stelle und wird dort auch bleiben". Bauträger seien stets darauf hingewiesen worden.

Gültige Normen eingehalten

Im Büro von Planungsstadträtin Ulli Sima (SPÖ) heißt es auf Anfrage des STANDARD, dass das Genehmigungsverfahren vor ihrer Amtszeit abgeschlossen worden sei. Man gehe aber davon aus, dass alles korrekt abgewickelt worden sei. Bei der zuständigen MA21a heißt es: Für das gegenständliche Projekt "The Marks" sei das Planungsverfahren bereits im Jahr 2017 durchgeführt worden. Grundsätzlich seien im Zusammenhang mit Planungsvorhaben immer entsprechende schallschutztechnische Gutachten über die Lärmverträglichkeit beizubringen. Diese Gutachten sei  selbstverständlich auch im Zuge des Planungsprozesses der Wohntürme des Projektes "The Marks" erstellt worden. Fazit: "Laut schalltechnischen Berechnungen in der Planung entspricht die Bebauung unter Einhaltung der Auflagen aus dem baubehördlichen Verfahren den gültigen Normen."

Die Arena ist laut Eigendefinition Österreichs größtes alternatives Kultur- und Kommunikationszentrum. Es entstand auf dem Areal des früheren Auslandsschlachthofes St. Marx, das im Sommer 1976 besetzt wurde. Diese Besetzung dauert bis heute an. Für die US-Sängerin Patti Smith, die hier regelmäßig auftritt, ist die Arena "one of my favourite places". (Muzayen Al-Youssef, Michael Simoner, 30.6.2023)

Hinweis: Dieser Artikel wurde um 17.15 Uhr aktualisiert.