Subventionen, die wirkungslos versickern, ein Fass ohne Boden. Der Gedanke an ausgeschüttete Füllhörner für Konzerne bringt Wifo-Chef Gabriel Felbermayr "ins Schwitzen". "Da gibt es wirklich bessere Instrumente", sagte der Ökonom bei einer kürzlich stattgefundenen Diskussion im Bildungszentrum der Arbeiterkammer Wien. Dennoch seien "Geldgeschenke" an Betriebe ohne extragroße Gegenleistung das derzeit beherrschende Thema einer neuen Industriepolitik, die sich gerne ein "grünes Mascherl" umbindet. 

Windräder sind wichtiger Teil der Energiewende.
Wie die Industrie grüner gestalten? Mit Subventionen oder anderen Anreizen?
IMAGO/Zoonar

An vorderster Front stehen dabei ausgerechnet die USA. "Groß, grün und fies" titelte der "Economist" im Frühjahr dieses Jahres über die US-Industriepolitik. Denn mit einer Summe von insgesamt zwei Billionen Dollar will die US-Regierung nicht nur ihre Infrastruktur erneuern und ihre Industrie robuster gegenüber China machen, sondern auch ihre Greentech-Industrie aufbauen.

USA und EU rittern um Greentech

Diese Standortpolitik mit der großen Brieftasche stößt vor allem in Europa sauer auf. Das Ziel ist klar: die internationale Greentech-Industrie durch große Steuergutschriften in die USA zu locken. Als einzige Auflage müssen Unternehmen die richtigen Produkte produzieren: Solarpanele, Windräder, E-Autobatterien, grünen Wasserstoff. Mit den Zuschüssen könnten Betriebe laut Schätzungen die Produktionskosten von "grünen" Produkten um bis zu 60 Prozent senken.

Doch wie grün ist diese Industriepolitik wirklich, zumal etwa im US-Infrastrukturprogramm von strengeren Emissionsgesetzen explizit keine Rede ist? Das Marktforschungsunternehmen Deloitte bezeichnete das Vorgehen jüngst als "Zuckerbrot ohne Peitsche." Für Sigrid Stagl, Professorin für Klimawirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien, ist das Klotzen der USA jedenfalls in untrügliches Zeichen. Das früher oft gehörte neoliberale Dogma, dass die beste Industriepolitik keine Industriepolitik sei, sei Geschichte.

Europa könnte diese US-Ansage definitiv am falschen Fuß erwischen. Vor allem innovative Greetech-Start-ups, die schon bisher in den USA die besseren Chancen sahen, um sich in die Höhe zu skalieren, könnten vermehrt den Schalmeientönen der US-Milliarden folgen. Die mühsame Aufbauarbeit in Europa, mit "Green Deal" und Zero-Emission bis 2050, droht zudem einmal mehr an altbekannten Problemen zu scheitern.

At&s: "Europa viel zu bürokratisch"

"Europa ist viel zu bürokratisch aufgestellt", kritisiert etwa Andreas Gerstenmayer, CEO des österreichischen Halbleiterherstellers At&s mit Sitz in Leoben. Ohne viel Aufwand zu Geld zu kommen, um das eigene Geschäft in die Höhe zu ziehen, wäre durchaus attraktiv.  Zudem seien Arbeitskosten, Energiekosten und Steuerquoten in Europa höher als anderswo. Um trotz Klimaschutz wettbewerbsfähig zu bleiben, braucht es daher kluge Maßnahmen.

Selbst effizienter zu werden, und durch Innovation weniger Chemie, Rohstoffe und Energie zu verbrauchen, sei zwar eine gute Idee. Die eigentliche Konkurrenz sitze aber in Taiwan, China oder Südkorea, wo Klimaschutz ein ungleich kleineres Thema sei. Zumindest die Steuerquoten zu senken wäre daher auch in Europa ein industriepolitisch wichtiges Thema, ist Gerstenmayer überzeugt.

Solarzellen und Photovoltaik machen Industrie grüner.
Industriebetriebe müssen energieeffizienter werden und erneuerbare Energien einsetzen.
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Dabei ist die "Subventionitis" ohnehin längst auch in Europa angekommen. Erst Mitte Juni unterzeichnete Deutschlands Kanzler Olaf Scholz mit Intel einen Vertrag, der dem amerikanischen Chiphersteller zehn Milliarden Dollar an Subventionen garantiert. Einzige Gegenleistung: Intel baut in Magdeburg in Sachsen-Anhalt zwei Chipfabriken.

Mikrochips zählen zwar bei der Digitalisierung der Energienetze und somit für die Energiewende zur kritischen Infrastruktur. Die Kritik von Wirtschaftsfachleuten, derartige Fördersummen würden nur die Schwäche eines Standorts offenlegen, werde aktuell auch von politischer Seite abgeschmettert. Intel sei strategisch für die EU wichtig.

Innovativ sei das Instrument der Subventionen nicht, meint Klimaökonomin Stagl. Wenn der Staat schon investiere, dann sollte es klug passieren – etwa mit der Förderung von grüner Innovation, Bildung, Forschung und Entwicklung. Laut Beate El-Chichakli, Leiterin für Grundsatzangelegenheiten im Klimaministerium, werde derzeit schon viel unternommen.

Kein Klimaschutzgesetz "absurd"

Das wollen Wifo-Chef Felbermayr und Klimaökonomin Stagl wiederum so nicht stehenlassen. Es passiere noch immer viel zu wenig, sind sich die beiden einig. "Dass wir in Österreich im Jahr 2023 noch kein Klimaschutz- und Energieeffizienzgesetzt haben, ist absurd", sagt Stagl. Der Wifo-Chef wiederum mahnt, der Staat müsse sich viel mehr um Rahmenbedingungen sorgen, als Industriebetriebe mit Förderungen ungleich zu behandeln. Für die richtigen Maßnahmen braucht es aber nicht immer Geld, ist Stagl überzeugt. "Die Kreislaufwirtschaft schafft man nicht mit Subventionen, sondern mit regulatorischen Maßnahmen."

Zudem sei eine grüne Industriepolitik, die ihren Namen verdient, auch nicht ohne die Sozialpartnerschaft zu denken, sagt Christa Schlager, Leiterin der Wirtschaftspolitischen Abteilung der Arbeiterkammer Wien. Auch Peter Wieser, Wirtschaftsvertreter der Stadt Wien, weist auf den Sozialaspekt hin: "Wenn wir 800.000 Gasthermen ersetzen müssen, um die Klimawende Wiens bis 2040 zu schaffen, muss das auch sozial verträglich gestaltet werden."

"Neues Gebiss für Energiewende"

Übrig bleibt: Mit dem Zuckerbrot der Subvention allein ist die Energiewende nicht zu schaffen. Es braucht mehr Tempo und die Peitsche bei Emissionsreduktionen. "Da aber macht der Markt von sich aus ohne Staatsvorgaben nichts", sagt Felbermayr. Instrumente dazu habe man, sagt Stagl. Der europäische Emissionshandel sei an sich eine gute Idee, weil man mit ihm Klimagase bepreisen kann. "Das Instrument wird aber viel zu wenig eingesetzt."

Stahlproduktion muss nachhaltiger werden.
Auch das Thema Stahlproduktion ist für Europa und gerade auch Österreich essenziell.
EPA/FABIAN STRAUCH

Bislang haben überhaupt erst 23 Prozent aller Emissionen einen Preis, für viele Sparten sei dieser zudem abstrus niedrig. Im Umkehrschluss bedeute das aber auch, dass mehr als drei Viertel des Kohlendioxids noch immer kostenlos in die Luft geblasen werden dürften. "Das muss sich ändern", kritisiert Stagl. "Da muss ein Zahn zugelegt werden." "Nicht nur einer", stimmt Felbermayr zu: "Um die Energiewende zu schaffen, brauchen wir dafür schon ein ganz neues Gebiss." (Norbert Regitnig-Tillian, 30.6.2023)