Es war ein folgenschwerer Besuch: Vor exakt 22 Jahren landete ein Jet des Autokonzerns Magna im bayrischen Manching, konkret beim gigantischen Werk von EADS. Mit an Bord: der damalige Magna-Manager Siegfried Wolf sowie dessen früherer Mitarbeiter, der nunmehrige Finanzminister Karl-Heinz Grasser, damals noch bei der FPÖ. Jetzt hat die Causa Eurofighter Wolf eingeholt: Der Unternehmer wurde von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen Geldwäscherei angeklagt, ermittelt wird außerdem noch wegen des Verdachts auf falsche Zeugenaussage.

Zurück ins Jahr 2001: Damals war die schwarz-blaue Regierung unter Kanzler Wolfgang Schüssel etwas mehr als ein Jahr im Amt; in ihrem Programm sah sie eine "kostengünstige Nachbeschaffung der Luftraumüberwachungsflugzeuge" vor. Um den Auftrag matchten sich die großen Rüstungskonzerne der Welt, etwa Boeing, Lockheed Martin oder Saab. Und eben EADS, das damals den Eurofighter herstellte – und Magna-Chef Wolf aufgefordert haben soll, in ihrem Sinn tätig zu werden. Deshalb soll damals auch Grasser nach Manching chauffiert worden sein.

Stränge "derschlagen"

Heute gilt die Causa Eurofighter als einer der größten Korruptionsfälle der Zweiten Republik – und die Ermittlungen dazu als eine der größten Justizpannen. Denn obwohl unbestritten ist, dass viele Millionen Euro durch Briefkastenfirmen geleitet wurden und teils versandet sind, waren Verurteilungen bislang Mangelware.

Die Angelegenheit wurde politisch in drei Untersuchungsausschüssen beleuchtet, die teils erstaunliche Vorgänge zutage brachten: Etwa völlig überteuerte Pressekonferenzen wurden im Umfeld der FPÖ abgerechnet; die PR-Firma einer Ex-Mitarbeiterin des damaligen Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider (FPÖ) erhielt mehr als 800.000 Euro von EADS; ein EADS-Lobbyist überwies 87.000 Euro an die Firma der Ehefrau eines hochrangigen Bundesheer-Majors, der mit den Eurofightern befasst war.

All das konnte die Staatsanwaltschaft aber nicht vor Gericht bringen. Zunächst war das Verfahren bei der Staatsanwaltschaft (StA) Wien betreut worden, bis der zuständige Staatsanwalt selbst angezeigt wurde, weil er Geheimnisse an den damaligen Grünenpolitiker Peter Pilz verraten haben soll – das Verfahren wurde später eingestellt. Im Jahr 2019 wanderte die Causa dann zur WKStA, woraufhin in einer Dienstbesprechung mit den damaligen Vorgesetzten Johann Fuchs und Christian Pilnacek die Fetzen flogen. Die Ermittlungen seien desaströs geführt worden, behauptete die WKStA; Pilnacek riet dazu, einzelne Stränge zu "derschlagen". Eine Tonbandaufnahme davon gelangte nach außen, es war der endgültige Beginn des justizinternen Krieges.

Nun scheint es zumindest so, als ob die WKStA Stück für Stück ihre Eurofighter-Ermittlungen zu Ende bringt – und mit der Anklage gegen Siegfried Wolf ist noch einmal einige Aufregung in die Angelegenheit gekommen.

Siegfried Wolf gut gelaunt im ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss.
APA/HELMUT FOHRINGER

Putins "Demokratur"

Denn Wolf ist einer der prominentesten Unternehmer in Österreich. Aufgewachsen auf einem Bauernhof, arbeitete sich der Steirer bis an die Spitze von Frank Stronachs Magna-Konzern. 2010 ging Wolf dann nach Russland, um eng mit dem Oligarchen Oleg Deripaska zusammenzuarbeiten.

Dort machte Wolf weiter Karriere, erhielt von Wladimir Putin den russischen "Orden der Freundschaft” und lobte im Gegenzug dessen "Demokratur". Aber auch Österreich blieb Wolf erhalten. 2014 wurde er Aufsichtsratschef der Staatsholding ÖIAG, 2019 wollte ihn Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zum Aufsichtsratschef bei deren Nachfolgerin Öbag machen – also zum Kontrolleur von Thomas Schmid.

Mit Kurz, den der Unternehmer früh unterstützte, soll sich Wolf blendend verstanden haben, der Manager forderte ihn immer wieder auch zu Interventionen gegen die US-Sanktionen bezüglich Deripaska auf. Die WKStA vermutet, dass Wolf seine guten Beziehungen zu Türkis spielen ließ, um in seinen Steuerangelegenheiten zu intervenieren: Mit Hilfe von Thomas Schmid, damals Spitzenbeamter im Finanzministerium, soll Wolf eine Beamtin bestochen haben, damit diese parteiisch über seine Steuerangelegenheit entscheidet. Wolf bestreitet das und wirft den Steuerprüfern Erpressung vor. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Auf beiden Seiten spielen

Zurück zum Betriebsbesuch in Manching und Wolfs Rolle beim Eurofighter-Deal. Der EADS-Konzern war einst aus der Fusion je eines deutschen, französischen und spanischen Flugzeugherstellers als europäisches Projekt aufgesetzt worden. Größter Aktionär war, mit 30 Prozent, Daimler-Chrysler – also, vereinfacht gesagt, der Mercedes-Benz-Hersteller.

Mit Daimler-Chrysler ein Autokonzern da, mit Magna ein Zulieferer von Autoteilen dort – das passte. Denn zum Vertragswerk des Eurofighter-Ankaufs durch Österreich gehörte auch ein Deal über sogenannte Gegengeschäfte. 200 Prozent des Kaufpreises sollten so wieder zurück nach Österreich fließen – als "international unüblich" bezeichnete das ein U-Ausschuss-Bericht, als "Vodoo-Ökonomie" der damalige grüne Klubobmann Alexander Van der Bellen, mittlerweile Bundespräsident.

Zur Umsetzung der Gegenverträge setzte EADS offizielle wie inoffizielle Kanäle aufgesetzt, allen voran die Briefkastenfirma Vector in London, die mehr als hundert Millionen Euro vom Rüstungskonzern erhalten hat.

Eurofighter
Ein Eurofighter Typhoon in Zeltweg.
APA/ERWIN SCHERIAU

Mit der Abwicklung dieser "Offset"-Verträge beschäftigten sich die Korruptionsermittler intensiv. Und hier kamen Wolf, H. und ihr damaliger Arbeitgeber Magna wieder ins Spiel – auf bemerkenswerte Art und Weise: Denn H. war plötzlich für Magna und EADS tätig.

In seiner Aussage vor dem U-Ausschuss gab er an, dass er eigentlich zu EADS habe wechseln wollen. Doch Wolf habe ihn davon überzeugt, bei Magna zu bleiben und nebenberuflich im Bereich Gegengeschäfte tätig zu sein. Dafür gründete er mehrere Unternehmen: Inducon in Graz, Domerfield in Zypern. Außerdem gab es Verträge mit der schwedischen Firma Orbital.

Was dann passiert sein soll, beschreibt Peter Pilz, der in allen drei Eurofighter-U-Ausschüssen führend tätig war, auf "Zackzack" so: "Magna-Vorstand H. meldet Magna-Geschäfte als „Gegengeschäfte" bei Orbital ein. Orbital meldet die Gegengeschäfte bei Vector und verrechnet die Provision. Orbital kassiert von Vector und überweist an Inducon weiter. H. meldet die Magna-Geschäfte weiter an einen EADS-Vertreter und kassiert."

Echte oder falsche Gegengeschäfte?

Die Ermittler vermuteten rasch, dass Geschäfte, die Magna ohnehin betrieben hätte, als Gegengeschäfte verbucht wurden. Das wäre für fast alle Beteiligten eine Win-win-Situation gewesen: Daimler-Chrysler und EADS erfüllen die verpflichtenden Gegengeschäfte, Magna stärkt seine Position bei Daimler Chrysler, Manager H. kassiert Provisionen. Einziger Verlierer: Die österreichische Bevölkerung, die über die Gegengeschäfte getäuscht wird.

Insgesamt sollen 6,8 Millionen Euro über das Briefkasten-Netzwerk von EADS an H. geflossen sein. Um genau diese Gelder geht es in der Anklage, die vor wenigen Wochen von der WKStA eingebracht worden ist.

So soll Wolf, damals H.s Chef, geholfen haben, die Geldflüsse zu verschleiern – etwa, indem Gold in der Schweiz gelagert wurde. Beide Ex-Magna-Manager wehren sich, indem sie die Anklage beeinsprucht haben. Wolfs Anwälte führen laut Medienberichten aus, dass kein Schweizer Recht verletzt worden sei, weshalb auch keine Strafbarkeit in Österreich gegeben sei. H.s Anwalt argumentierte, dass gegen seinen Mandanten bereits in der Schweiz ermittelt worden sei. Das Verfahren sei eingestellt worden, es dürfe daher nicht in Österreich fortgesetzt werden. Für beide gilt die Unschuldsvermutung, beide äußerten sich auf Anfrage nicht.

Bis zu einem Prozess wird es also noch dauern – womöglich muss auch weiter ermittelt werden, wenn das Oberlandesgericht Graz dem Anklageeinspruch stattgibt. Aber selbst bei einer Verurteilung wäre die Bilanz der Eurofighter-Ermittlungen katastrophal. Trotz unzähliger dubioser Geldflüsse und Malversationen verbuchte die Justiz bislang nur einen einzigen Schuldspruch, nämlich gegen den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly. Und auch dieses Urteil ist nicht rechtskräftig, sondern wandert in die nächste Instanz.

Der größte Korruptionsfall der letzten zwei Jahrzehnte: Womöglich bleibt er ohne Folgen. (Fabian Schmid, 2.7.2023)