Karl Nehammer (ÖVP) (r.) mit Einsatzkräften am Montag, 9. November 2020, im Rahmen der Operation Luxor in Wien.
Vor drei Jahren sah Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) in der Operation Luxor noch einen Schlag gegen den politischen Islam. Mittlerweile ist es in der Politik allerdings ruhig um die Ermittlungen geworden.
APA/ BMI

Die Operation Luxor gegen angebliche Muslimbrüder und mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation Hamas im November 2020 war eine der größten Polizeiaktionen Österreichs. 21.000 Observationsstunden waren ihr vorausgegangen. Allein eine halbe Million Euro floss in die Telefonüberwachung. Mehr als 900 schwer bewaffnete Polizeibeamte waren bei den Razzien im Einsatz. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP), damals noch Innenminister, nutzte die Aktion für Pressefotos. Aber selbst drei Jahre danach geht der Operation Luxor noch jeglicher Erfolg ab.

Dabei ist die Liste der Beschuldigten lang. Etwas mehr als 100 Namen sind darauf zu finden. Neben Personen sind auch allerlei Vereine und Firmen betroffen. Von einer Anklage scheint die zuständige Staatsanwaltschaft Graz aber weit entfernt. Auch in Untersuchungshaft kam nie einer der Verdächtigen – obwohl sie von den Sicherheitsbehörden als Terroristen gesehen werden.

Stattdessen wurden in den vergangenen Monaten dutzende Terrorverfahren der Operation Luxor eingestellt. Sogar gegen den angeblichen Anführer der Muslimbruderschaft in Österreich oder einen vermuteten Verbindungsmann zu den Hamas-Terroristen.

Bisher fehlten stets stichhaltige Beweise dafür, dass die Beschuldigten etwas mit der Muslimbruderschaft zu tun hatten. Oder dass die Bruderschaft als Ganzes als Terrororganisation anzusehen sei. In Sachen Terrorfinanzierung kamen die Ermittler ebenso wenig weiter.

"Wenn Verdacht weiterbesteht, wird ermittelt"

Als gescheitert sieht die Staatsanwaltschaft ihr Unternehmen aber nicht an. Im Gegenteil: Sie hat kürzlich beim Grazer Straflandesgericht angesucht, das laufende Verfahren um zwei Jahre zu verlängern.

Gerade die Staatsschützer kämen mit der Auswertung der immensen Datenmenge von circa 200 Terabyte, die bei den Razzien sichergestellt wurden, schlicht nicht zurande, schreibt der zuständige Staatsanwalt sinngemäß in seiner Begründung, die dem STANDARD vorliegt. Die Dokumente und Schriftstücke seien "vorwiegend" in arabischer Sprache geschrieben, müssten daher vor der Analyse von Dolmetschern übersetzt werden. Und die sind im Justizbetrieb rar.

Dass ein Staatsanwalt um eine Verlängerung des Verfahrens ansucht, ist nichts Ungewöhnliches. Laut Strafprozessordnung dürfen Ermittlungsverfahren nicht länger als drei Jahre dauern. Tun sie es doch, muss das gut begründet sein, sagt der ehemalige Staatsanwalt Gerhard Jarosch, der heute im Bereich Litigation-PR tätig ist. Die Schwelle dafür ist niedrig. "Wenn der Verdacht weiterbesteht, wird ermittelt", sagt Jarosch. Dass die Behörden mit der Auswertung völlig überlastet scheinen, spiele bei der Bewertung des Gerichts keine Rolle.

Für insgesamt 49 Verdächtige der Operation Luxor dürfte das Verfahren bald um zwei Jahre verlängert werden, wie aus dem Bescheid hervorgeht. "Aktuell" seien laut Staatsanwaltschaft noch 60 Beschuldigte im Verfahren. Gegen die Mehrheit der "verlängerten" Personen steht noch der Terrorismusverdacht im Raum. Bei einigen wenigen Beschuldigten blieb etwa das Delikt der mutmaßlichen Abgabenhinterziehung übrig. Gegen einen islamischen Religionslehrer wiederum wird seit Monaten ein Verstoß gegen das Verbotsgesetz geprüft, nachdem in einer Whatsapp-Chatgruppe einer seiner Schulklassen von Schülerinnen und Schülern Hitler-Sticker gepostet wurden.

Eine neue Fährte

Mit auf der Liste steht weiterhin auch ein ägyptischstämmiger ehemaliger Imam einer Grazer Moschee, der vor ziemlich genau zwei Jahren bei einer Heimreise am Flughafen in Kairo inhaftiert wurde – das just nur einige Monate nachdem die Luxor-Razzien stattgefunden hatten. Einen direkten Zusammenhang zwischen der Operation Luxor und der Inhaftierung des Imams stellten die österreichischen Behörden bisher aber vehement in Abrede.

Seit kurzem lässt der zuständige Staatsanwalt aber auch eine weitere Spur genauer überprüfen. Konkret gegen eine Moschee im zweiten Wiener Gemeindebezirk, deren Imam im Verdacht steht, in seinen Predigten "das Martyrium und den Tod im Einsatz für die Religion" verherrlicht und offen mit den Hamas-Terroristen sympathisiert zu haben. Das ging aus einer 143 Seiten dicken Studie der Dokumentationsstelle Politischer Islam hervor, DER STANDARD berichtete. Der Imam war schon länger Beschuldigter in der Operation, nun wird auch offiziell gegen den Verein hinter der Moschee ermittelt.

Und was sagt die Staatsanwaltschaft Graz zu alldem? Ein Beschluss für die angestrebte Verlängerung durch das Straflandesgericht liege noch nicht vor. Der Antrag sei zunächst einmal den Beschuldigten zur Stellungnahme übermittelt worden. Ob eine um zwei Jahre verlängerte Frist nun ausreichen werde, um die immensen Datenmengen auszuwerten, sei "schwierig und spekulativ". Es sei jedenfalls zu hoffen.

Die Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper wird demnächst eine parlamentarische Anfrage zum Thema einbringen. Krisper will unter anderem wissen, warum die Pressekonferenz am 9. November 2020, an der neben Nehammer auch der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Franz Ruf, teilgenommen hatte, nicht mit der zuständigen Grazer Staatsanwaltschaft akkordiert gewesen, die Justizbehörde daher nicht über deren Inhalt informiert gewesen sein. (Jan Michael Marchart, 6.7.2023)