Im Community-Artikel analysiert Andreas Bachmair, Professor am Department für Biochemie und Zellbiologie der Universität Wien, zwei Behauptungen über Gentechnik.

In diesem Jahr wird es auf EU-Ebene zu einer Aktualisierung der gesetzlichen Regelungen für gentechnisch veränderte Pflanzen kommen. Der Grund für diese Aktualisierung ist, dass neue Methoden es nun viel einfacher machen, Eigenschaften von einer Pflanze auf eine andere zu übertragen. Von manchen NGOs wird verbreitet, dass dies zu einer Aufweichung der bisher strengen Regelungen führen wird. Diese Interpretation wird von den Tatsachen jedoch nicht gedeckt. Eine kurze Erläuterung zu zwei zugrunde liegenden Missverständnissen.

Die Gefahren sind nicht abschätzbar?

Gentechnische Verfahren sind in ihrem Kern eine Informationstechnologie. Man möchte Informationen, insbesondere das Know-how einer in der Natur entstandenen Eigenschaft, von einem Lebewesen auf ein anderes übertragen. Wenn beispielsweise die Nutzpflanze A sehr empfindlich auf einen bestimmten Schädling reagiert, die in der Natur wachsende Pflanze B sich hingegen gut zur Wehr setzen kann, will man dieses Know-how auf Nutzpflanze A übertragen. Man wird den Schutzmechanismus der Pflanze B genau studieren, um ihn übertragen zu können. Aus diesen Kenntnissen ergibt sich dann auch die Möglichkeit, potenzielle Gefahren abzuschätzen.

Maiskolben und Schriftzug Gen
Über Gentechnik wird viel gesprochen. Dabei kursieren auch eindeutige Missverständnisse.
Foto: imago/Christian Ohde

Die EU plant, die Regelung der Gentechnik zu lockern?

Der zurzeit geltende rechtliche Rahmen für gentechnisch veränderte Pflanzen wurde vor über 20 Jahren geschaffen. Dabei wurde eine Unzulänglichkeit in Kauf genommen. Während man für eine Informationstechnologie eigentlich regulieren sollte, welche Informationen wie geschützt werden sollen oder ob manche Informationen nur bedingt verfügbar gemacht werden sollten, regelt dieser rechtliche Rahmen einzig und alleine die Methoden, mit deren Hilfe die Informationsübertragung erfolgt. Methoden können sich jedoch ändern, werden üblicherweise mit der Zeit verfeinert. Dieser Umstand zwingt nun dazu, den rechtlichen Rahmen anzupassen.

Nach den bisher durchgesickerten Vorschlägen wird es in keinem Fall dazu kommen, dass konventionelle (mit älteren Methoden) gentechnisch veränderte Pflanzen nun nicht mehr vom bestehenden "alten" Rahmen erfasst werden. In diesem Sinne wird es also nicht zu einer Lockerung der gesetzlichen Bestimmungen kommen. Auch in Zukunft bleibt die bestehende Regelung aufrecht, wenn die übertragenen Eigenschaften nicht von einer Pflanze stammen. So würde eine veränderte Pflanze weiterhin unter dem Schirm der derzeitigen Regelung bleiben, wenn das übertragene Know-how aus einem Bakterium stammt.

Das Problem, vor dem die Gesetzeshüter stehen, ist folgendes: Im obigen Fall der Übertagung von Know-how von Pflanze B auf Nutzpflanze A ist es mit den neuen, verfeinerten Methoden nun möglich, diese Übertragung so präzise durchzuführen, dass es in der übertragenen Eigenschaft keinen Unterschied mehr zwischen Pflanze A und B gibt. Wenn aber Pflanze B in der Natur wächst und die erwünschte Eigenschaft "natürlich" im Lauf der Evolution erworben hat, ist dann dieselbe Eigenschaft gefährlicher, wenn die Pflanze A darüber verfügt?

Man kann aufgrund der verbesserten Methode nach der Übertragung des Know-hows auch oft nicht mehr feststellen, ob die Abwehr des Schädlings in Pflanze A jetzt in dieser Pflanze im Laufe der Evolution entwickelt wurde oder von Menschenhand übertragen wurde. Daher soll ein solcher Fall, nach genauer Überprüfung, rechtlich so behandelt werden, als ob die Eigenschaft in Pflanze A entstanden wäre. Der verringerte Verbrauch an chemischer Schädlingsbekämpfung wäre jedenfalls ein Plus für die Umwelt und für die Bemühungen um Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft.

Wenn, wie hier dargestellt, mit den neuen Methoden im Wesentlichen ohnehin nur die Natur kopiert werden soll, warum befolgt man dann nicht den Rat der Gentechnik-Gegnerschaft und versucht, dieselben Ziele mit klassischen Züchtungsmethoden zu erreichen ? Wir haben das im Labor an einem Beispielfall durchexerziert: Mit den neuen Gentechnik-Methoden waren wir eine Million Mal schneller, als es ohne Gentechnik möglich gewesen wäre. (Andreas Bachmair, 7.7.2023)