Dominik Straub aus Rom

Er hat bisher zwar erst zweimal zugeschlagen, aber trotzdem ist der unbekannte "Parkplatz-Rächer" in der Ewigen Stadt im Nu zum Tagesgespräch geworden. Beim ersten Mal verschmierte – andere sagen: "signierte" – er in Rom einen weißen Geländewagen, den der Besitzer auf einem Behinderten-Parkplatz abgestellt hatte. Auch das zweite Ziel des Unbekannten war ein SUV, diesmal in Blau: Er war einfach mitten auf der Straße geparkt worden.

Die Polizei hat den Verkehr in Rom zuletzt offenbar immer weniger unter Kontrolle.
Die Polizei hat den Verkehr in Rom zuletzt offenbar immer weniger unter Kontrolle.
REUTERS/Guglielmo Mangiapane

Beide Male sprühte "Batman", wie der Sprayer genannt wird, in großen, schwarzen Lettern den Schriftzug "Free Park" auf die Seitentüren. Im Unterschied zu den Aktivistinnen und Aktivisten der Letzten Generation verwendet der selbsternannte "Rächer" keine abwaschbare Farbe, sondern hochresistenten Autolack. Der Sachschaden ist also beträchtlich.

Man könnte diese "Strafexpeditionen" als Einzelfälle abtun – wenn sie nicht ein klares Symptom für den Unmut unzähliger Römerinnen und Römer über den scheinbar unaufhaltsamen Verfall der Sitten im Straßenverkehr ihrer Stadt wären. Wie sehr die Volksseele kocht, belegt die Welle der Sympathie, die dem Sprayer in den sozialen Medien entgegenschlägt. "Höchster Respekt für den Batman unseres Viertels", liest man in den einschlägigen Foren, oder: "Hoffen wir, dass wegen des Rächers auf unseren Straßen nun wieder etwas Disziplin einkehren wird." Angesichts der öffentlichen Anerkennung ist es wohl nur eine Frage der Zeit, bis sich die ersten Nachahmungstäter auf die nächtliche Pirsch begeben.

Das Wohlwollen für den Unbekannten oder die Unbekannte kommt nicht von ungefähr: In der Drei-Millionen-Einwohner-Stadt kommen sieben Autos auf zehn Einwohner (in Berlin und Zürich sind es 3,2; in Wien 3,6). Entsprechend nervenaufreibend gestaltet sich die Suche nach einem Parkplatz. Und alle, die im chronischen Verkehrschaos stundenlang herumkurven, um einen legalen Parkplatz zu ergattern, ärgern sich natürlich über die (vielen) anderen, die ihre Gefährte wie selbstverständlich in zweiter und dritter Reihe, auf Gehsteigen, vor Mülltonnen, auf Zebrastreifen oder eben auf Behinderten-Parklätzen oder mitten auf der Straße abstellen.

Ungelöste Müllproblematik

Und es sind ja nicht nur die Verkehrs- und Parkplatzprobleme, die am Nervenkostüm der Römerinnen und Römer zehren. Zu erwähnen wäre da auch noch das weiterhin ungelöste Müllproblem. Die Situation hat sich unter dem aktuellen Bürgermeister Roberto Gualtieri zwar spürbar gebessert, aber gerade in diesen warmen Tagen wabert wieder der altbekannte Modergeruch durch die Quartiere, weil der Müll nicht oder nur unregelmäßig abgeholt wird.

Die Zeitung "Il Foglio", das Lieblingsblatt des gehobenen Bürgertums in Italien, hat im Zusammenhang mit dem Parkplatz-Rächer auch noch weitere Elemente der Römer, "deriva" (Abdrift), aufgelistet: die Wildschweine, die sich am nicht abgeholten Müll gütlich tun; die "Baby-Gangs", die immer brutaler werden; die Bewohnerinnen und Bewohner, die in ihrer Verzweiflung die übervollen Müllcontainer anzünden; große Schlangen, die in leerstehenden Schuppen gesichtet wurden – und zu guter Letzt auch noch eine verweste Frauenleiche, die unlängst im Ausgehviertel Pigneto zufällig gefunden wurde.

In so einem prekären Umfeld, philosophierte der "Foglio", verlaufe die Grenze zwischen dem verständlichem Wunsch nach Legalität und der Versuchung, mit Selbstjustiz Ordnung eigenhändig zu schaffen, eben "auf einem schmalen Pfad". (Dominik Straub, 7.7.2023)