Die durch einen millionenschweren Finanzskandal schwer dezimierte Grazer FPÖ hat zwar keinen Klub mehr im Gemeinderat, versucht aber als Partei weiter auf ihre Themen zu setzen: "Das Herz der Steiermark darf nicht zur Drogenhochburg werden!", war ein Beitrag auf der Homepage der FPÖ Steiermark noch im Mai betitelt.

Eine Dose mit Crystal Meth
Crystal Meth ist eine schnell abhängige machende gefährliche Droge.
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Darin warnten der frisch gewählte Grazer FPÖ-Stadtparteiobmann und langjährige Nationalratsabgeordnete Axel Kassegger und der Landesparteisekretär Stefan Hermann vor Drogenkriminalität. "In Städten wie Graz spielt die Drogenkriminalität eine besonders große Rolle", wusste Axel Kassegger, der vor allem den Anteil ausländischer Tatverdächtiger, den er mit rund einem Viertel ausmachte, betonte. Auch Bundesparteichef Herbert Kickl lässt normalerweise bei Erfolgen der Drogenermittler nicht lange auf ein Statement warten und hat einst als Innenminister bei Suchtmitteldelikten die "Ausweitung der Staatsbürgerschaftsaberkennungen" bei Tätern mit Migrationshintergrund gefordert.

Bei zwei Fällen, die beide vergangene Woche bekannt wurden, war aus der FPÖ aber nichts zu hören. Anfang der Woche präsentierten die Grazer und die Wiener Polizei einen Ermittlungserfolg gegen eine Gruppe serbischer Verdächtiger, die im großen Stil Cannabis angebaut haben sollen.

Schwunghafter Handel

Ende der Woche berichtete dann die Kleine Zeitung vom zweiten Fall, der auch dem STANDARD vorliegt. Die Produktion von und der schwunghafte Handel mit Crystal Meth, einer aufputschenden und extrem schnell abhängig machenden Droge, soll in Graz ebenfalls die Ermittler beschäftigt haben.

Hier dürfte es mit etwaigen Aberkennungen der Staatsbürgerschaften schwieriger werden, denn der Hauptverdächtige, der wegen Tatbegehungs- und Verdunkelungsgefahr seit zwei Wochen in Graz in U-Haft sitzt, ist ein österreichischer Akademiker. Sein Fall erinnert an die US-Serie Breaking Bad. Er soll in einem Labor in einer Wohnung mitten in Graz Crystal Meth hergestellt haben. Ein anderes Haus, in dem der Verdächtige wohnt, gehört seinem Bruder, einem hochrangigen FPÖ-Politiker – was für die FPÖ besonders unangenehm sein dürfte.

Blaue Brüder

Der Verdächtige selbst trat in seiner Studienzeit in Graz für die freiheitlichen Studierenden bei einer ÖH-Wahl an. Und die beiden Brüder teilen sich Freunde, Geschäftspartner und Bundesbrüder: Sind sie doch, wie auch andere Männer aus der Grazer FPÖ, in derselben Burschenschaft.

"Wir setzen unter den Bundesbrüdern voraus, dass der Einzelne ehrlich ist", steht unter deren Grundsätzen zu lesen. Sprecher der Burschenschaft ist ausgerechnet der Mann, der nun in U-Haft sitzt. Er wird von der Staatsanwaltschaft Graz "dringend verdächtigt", gegen den Paragrafen 28 des Suchtmittelgesetzes verstoßen zu haben. Einerseits wegen des schwunghaften Handels mit Crystal Meth. Andererseits, weil er in besagtem Labor Amphetamin, Methamphetamin und Mephedron in einem die Grenzmenge mehrfach übersteigenden Maß hergestellt haben soll und weil er eine große Menge Drogenausgangsstoffe mit dem Vorsatz der Erzeugung besessen haben soll. Gelagert haben soll er diese noch in anderen Liegenschaften in Graz.

Entscheidung am Montag

Ihm könnten mehrere Jahre Haft drohen, zumal er laut STANDARD-Informationen bereits im Februar 2021 wegen der Herstellung von Methamphetamin in Graz verurteilt wurde. Ob er in U-Haft bleibt, entscheidet der Haftrichter am 10. Juli.

Die Burschenschaft verlängerte die Funktion des Verdächtigen im Jänner 2022. Er "vertritt die Burschenschaft nach innen und außen und gegenzeichnet ihre Schriftstücke. Er ist zusammen mit dem Säckelwart finanziell zeichnungsberechtigt" heißt es im Vereinsregisterauszug. Im Zusammenhang mit dem FPÖ-Finanzskandal gab es im Oktober 2022 bei einigen Burschenschaften in Graz Hausdurchsuchungen.

Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt in dieser Causa (weil die Kollegen in Graz den Anschein der Befangenheit vermeiden wollten), wegen des Verdachts des Förderungsmissbrauchs, der Veruntreuung und der Untreue. Dabei werden auch dubiose Geldflüsse an parteinahe Vereine untersucht. Die STANDARD-Nachfrage, ob es Hinweise gebe, dass Geld aus dem mutmaßlichen Drogenhandel mit der Finanzaffäre zusammenhängen könnte, verneinte Behördensprecher Christian Kroschl am Sonntag aber.

Dazu, woher der Verdächtige die für die Drogenherstellung notwendigen Stoffe bezogen haben soll, konnte Kroschl aus "ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben". Ein zweiter Beschuldigter sei aber ebenfalls in U-Haft. Dieser soll laut Kroschl den mutmaßlichen Betreiber des Crystal-Meth-Labors schwer belasten.

Wortkarge Partei

DER STANDARD fragte bei der FPÖ am Sonntag auf allen Ebenen zum Fall nach. Doch die Statements waren eher wortkarg. Bundesparteichef Herbert Kickl war nicht erreichbar, einer seiner Sprecher betonte jedoch: "An unserer Drogenpolitik ändert das natürlich gar nichts. Das ist alles von den Behörden aufzuklären. Wir verurteilen das genau wie jedes andere Drogendelikt." Ein Sprecher der steirischen Freiheitlichen wies darauf hin, dass die FPÖ "keine Sippenhaftung" kenne – sollte der Beschuldigte aber selbst noch FPÖ-Mitglied sein und sich der Verdacht gegen ihn erhärten, habe er "bei uns keinen Platz mehr". Man werde die Parteigremien damit befassen. Der Pressesprecher der Grazer Stadtpartei war nach einer telefonischen Anfrage des STANDARD am Sonntagvormittag nicht mehr erreichbar. (Colette M. Schmidt, 9.7.2023)