Voller Kleiderständer
Immer mehr Modelabels werben mit der Botschaft, Kleidung unter fairen Bedingungen und mit Augenmerk auf Nachhaltigkeit zu produzieren. Ob dieses Versprechen tatsächlich die Firmenphilosophie repräsentiert oder nur den Absatz steigern soll, kann bis zu einem gewissen Grad überprüft werden.
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Vor zehn Jahren stürzte in Bangladesch die Textilfabrik Rana Plaza ein und entfachte eine Debatte um faire Arbeitsbedingungen in der Textilbranche. Seitdem hat sich viel getan – die dunkle Seite der bunten Fashionwelt ist längst kein Geheimnis mehr. Viele wissen, dass die Industrie einen enormen CO2-Ausstoß verursacht. 

Das Leiberl soll also idealerweise nicht nur ökologisch produziert sein, sondern auch dessen Lieferkette transparent und die Näherinnen fair entlohnt. Solche Anforderungen werden von Konsumenten im Angesicht der vielen Negativschlagzeilen immer lauter gestellt. Vielfach haben Unternehmen auf diese reagiert: Mittlerweile sind nachhaltigere Produkte in jeder Preisklasse zu finden und werden auch entsprechend vermarktet.

Grünes Marketing erkennen

Aber ein grünes Etikett allein sagt noch nicht viel über die tatsächlichen Auswirkungen der Herstellung der Produkte auf Menschen und Umwelt. Oft ist nur schwer zu erkennen, ob eine Marke auch wirklich hinter ihren hippen Werbebotschaften steht. Marketing Consultant Anna Balla forschte für ihre Masterarbeit an der FH Burgenland zu authentischem Green Marketing und dessen Unterscheidung vom sogenannten Greenwashing.

Textilproduktion in Bangladesch
Etliche Kleidungsstücke, die rund um den Globus verkauft werden, stammen aus Textilfabriken in Bangladesch. Immer wieder kommt es dort zu Menschenrechtsverletzungen und teils schweren Unfällen. Beim Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza im Jahr 2013 kamen mehr als tausend Menschen ums Leben.
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Balla hat im Rahmen ihrer Arbeit im Studiengang Internationale Wirtschaftsbeziehungen untersucht, ob grünes Marketing, das sich vorrangig mit der Bewerbung von nachhaltigen Produkten beschäftigt, beim Kauf von Mode tatsächlich relevant ist: "Ich habe mir angeschaut, wie Unternehmen so wirtschaften und werben können, dass Green Marketing zu Kunden durchdringt und wie es Kaufentscheidungen beeinflusst", sagt sie. Dazu befragte die Forscherin 369 Personen via Onlinefragebogen.

Fiktiver Webshop als Basis

In einem fiktiven Webshop wurden zwei Kleidungsstücke mit unterschiedlichem Prozentanteil nachhaltiger Materialien präsentiert und von Befragten bewertet: Ein Kleidungsstück war nur zu fünf Prozent aus nachhaltigem Material gefertigt und das zweite durch und durch. "Die Ergebnisse zeigen klar, dass der Unterschied sehr wohl erkennbar ist, vor allem für die jüngere Zielgruppe zwischen 16 und 35 Jahren. Die meisten tun sich aber schwer einzuordnen: Geht es jetzt nur um die Nachhaltigkeit der Stoffe oder auch um die Arbeitsbedingungen?", erklärt Balla.

Die Expertin empfiehlt, beim Abwägen einer Kaufentscheidung immer das große Ganze zu betrachten. "Man sollte nicht auf die Materialien achten, sondern eben auch darauf, ob das Label etablierte Zertifizierungen wie Fairtrade oder GOTS vorweisen kann, die zeigen, dass es auch einen Schritt weiter geht", sagt Balla. Weiters ist es aufschlussreich, einen Blick auf das Herkunftsland der Ware zu werfen.

Firmenphilosophie prüfen

Balla empfiehlt, besonders Waren aus dem asiatischen Raum genauer zu betrachten und sich nicht von klingenden Begriffen wie etwa "Conscious Living" oder "Eco" im Namen täuschen zu lassen. "Man muss leider immer noch ein bisschen nachforschen und schauen, was die Labels generell so machen und wofür sie stehen", erklärt sie. Um authentisches Green Marketing handelt es sich dann, wenn das Unternehmen wirklich hinter den Marketingbotschaften steht. Es wird nicht nur auf nachhaltige Marketingformen und eine grüne Werbebotschaft geachtet, sondern das ganze Unternehmen ist entsprechend ausgerichtet.

Indikatoren sind: Wo befindet sich der Firmensitz? Sind Frauen in Führungspositionen? Wie sieht die Lieferkette aus, ist sie nachvollziehbar, und werde alle Beteiligten fair bezahlt? Zwar wählte Balla die Erhebung der Daten via Onlinefragebogen vor allem aus praktischen Gründen, aber viele nachhaltige Labels sind ohnehin eher online vertreten und nicht so leicht zugänglich, weil sie keine eigenen Stores haben. "Und auf Social Media kann man heute sowieso ein gutes Gefühl für eine Marke und die Gründer dahinter bekommen", sagt Balla.

Preis als Indikator

"Auch der Preis verrät einiges: Wenn ein zertifiziertes T-Shirt einen gewissen Betrag kostet, kann das als grün vermarktete Teil vom Konzern dann wirklich die Hälfte davon kosten?" Balla hat auch herausgefunden: Über 80 Prozent der Befragten sind grundsätzlich bereit, für nachhaltige Waren von transparenten Labels mehr zu bezahlen. 65,2 Prozent der befragten Personen würden sogar zwischen zehn und 30 Prozent mehr ausgeben.

Demonstration für Arbeiterinnenrechte
Bei fairer Mode geht es nicht nur um die Emissionen der Branche: Demonstranten fordern anlässlich der Berliner Fashion Week 2022 einheitliche Sozialstandards, faire Löhne, ökologische Herstellungs- und Verarbeitungsmethoden und ein einheitliches Labelsystem für die Modebranche.
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Soziale Komponente

"Beim höheren Preis geht es ja nicht nur um die Umwelt, sondern auch um die Menschen, die unter besseren Bedingungen arbeiten. Wenn man ein bisschen mehr in die Qualität investiert, hat man außerdem länger Freude an den Stücken", sagt Balla. Das haben die meisten Kundinnen und Kunden verstanden.

Zukünftig will sie die Vorteile von Green Marketing auch an Unternehmen kommunizieren und ihre Forschung auf deren Seite vertiefen: Welche nachhaltigen Marketing- und Medienformen gibt es? "Man könnte sich etwa über den genauen CO2-Ausstoß von unterschiedlichen Werbeformen und deren entsprechende Kompensierung Gedanken machen", sagt Balla. (Pia Gärtner, 10.7.2023)