Wie kann die globale Wertschöpfungskette sozial und ökologisch gerechter werden? Mit dieser Frage befassen sich derzeit EU-Parlament, EU-Kommission und Mitgliedsstaaten. Am 11. Juli treffen sie sich zur zweiten Verhandlungsrunde und diskutieren, wie das EU-Lieferkettengesetz konkret ausgestaltet werden soll.

Global 2000 und Fridays for Future Austria fordern nun, dass auch Klimaauswirkungen in die Sorgfaltspflicht von Unternehmen fallen sollen. "Das Lieferkettengesetz bietet die Chance, Fälle von Klimazerstörung zukünftig zu vermeiden, indem es Konzerne zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in ihren Wertschöpfungsketten verpflichtet", betont Anna Leitner, Sprecherin für Lieferketten und Ressourcen bei Global 2000.

Mit Klimaplänen gegen Umweltschäden

Der derzeitige Entwurf des Lieferkettengesetzes sieht vor, dass Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden und einem Jahresumsatz von weltweit mehr als 40 Millionen Euro zur Erstellung eines Klimaplans verpflichtet werden. Dieser muss am 1,5-Grad-Ziel orientiert sein und soll zudem Risikoanalysen beinhalten, welche die Tätigkeiten der Unternehmen auf Umweltschäden prüfen.

Die zuständigen österreichischen Regierungsvertreter, Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) und Justizministerin Alma Zadić (Grüne), sollten sich in den Verhandlungen aktiv für Klimaverpflichtungen einsetzen, fordert Leitner.

Ziel sei es auch, dass Unternehmen präventiv handeln und negative Auswirkungen auf die Umwelt vermeiden, indem sie etwa im Vorfeld ihre Geschäftsfelder anpassen. Bei Nichterfüllung des Klimaplans würden den Unternehmen Geldstrafen oder zivilrechtliche Klagen drohen.

Proteste gegen EACOP in Paris.
Klimaaktivistinnen protestieren im vergangenen September in Paris gegen das afrikanische Pipeline-Projekt EACOP.
EPA/MOHAMMED BADRA

Pipeline als "fossile Bombe"

Dass es strengere Klimaverpflichtungen im EU-Lieferkettengesetz brauche, habe der Fall des niederösterreichischen Unternehmens Isoplus gezeigt, wie Flora Peham von Fridays for Future Austria erklärt. Der Hersteller von Fernwärmerohren ist am Bau der East African Crude Oil Pipeline (EACOP) beteiligt. Die Ölpipeline könnte jährlich rund 34 Millionen Tonnen CO2 verursachen.

Das Projekt stelle nicht nur eine "fossile Bombe" dar, sondern führte auch zu Umsiedlungen und Landverlusten der lokalen Bevölkerung, berichtet Nicholas Omonuk, Umweltaktivist und Sprecher von RiseUp Uganda. Er kritisiert, dass Unternehmen aus dem Norden zu lange Profite über das Wohl des Menschen und des Planeten gestellt hätten.

Auch die Menschen im Globalen Süden würden daher strengere Richtlinien hin zu mehr sozialer und ökologischer Gerechtigkeit begrüßen. "Europa muss endlich Verantwortung für sein Handeln übernehmen. Unternehmen müssen für ihre Tätigkeiten im Globalen Süden zur Rechenschaft gezogen werden", fordert Omonuk.

Laufende Verträge

Man würde den Auftrag heute so nicht mehr annehmen, der Vertrag für das Joint Venture sei mit mehreren weiteren Unternehmen bereits 2015 abgeschlossen worden, wehrt sich hingegen Isoplus. Ein jetziger Ausstieg würde Schadenersatzansprüche auslösen und das Unternehmen in seiner Existenz gefährden.

Fridays-Aktivistin Peham argumentiert, durch eine gesetzlich verankerte Klimasorgfaltspflicht hätte die Beteiligung von Isoplus an dem Pipeline-Projekt einst verhindert werden können.

Viele Streitpunkte

Die Ausgestaltung der Klimasorgfaltspflicht ist nur ein Teil der derzeitigen Verhandlungen. Umstritten ist auch, ob und in welchem Ausmaß der Finanzsektor in die Verantwortung genommen werden soll. NGOs fordern, dass auch dieser Teil der Klimasorgfaltspflicht sein muss.

Ebenso unklar ist die Höhe der Strafen, die den Unternehmen bei Verstößen drohen. Diese können von den Mitgliedsstaaten selbst bestimmt werden und variieren je nach Betroffenheit und Auswirkungen, sollen aber mindestens fünf Prozent des weltweiten Nettoumsatzes betragen.

Wie es weitergeht

Im September findet die dritte Verhandlungsrunde zwischen den Mitgliedsstaaten, dem Parlament und der Kommission statt. Bis Ende 2023, spätestens jedoch bis zur EU-Wahl 2024 soll das fertige Gesetz vorliegen. (Theresa Scharmer, 10.7.2023)