Mädchen mit Schwimmbrille springt in den Pool
Im Hugo-Wolf-Bad in Wien gibt es freien Eintritt für Kinder und Riesenspaß dazu.
Christian Fischer

Frau Slezak empfängt mich zu Mittag freundlich an ihrer kleinen Kassa außerhalb des Hugo-Wolf-Familienbades im 19. Bezirk in Wien. Sie arbeitet in ihrer 13. Saison hier, ab 2. Mai ist bis Ende September geöffnet, "aber eigentlich fangen wir im April schon an, weil wir ja alles herrichten müssen". Der 15. September wird dann wieder der Stichtag für den Sommerschluss sein, "immer am Sonntag drauf fangen wir an wegzuräumen". Heute, erzählt Frau Slezak, sei eine große Kindergruppe bereits wieder raus und überhaupt noch nicht viel los, aber morgen beginnen ja die Ferien, und dann … Lachend hält sie sich die Ohren zu. "Dann wird es richtig laut werden!"

Und tatsächlich: Eine Zweijährige, doppelt gesichert mit Schwimmflügerln und Schwimmreifen, versucht im 50 Zentimeter tiefen Bereich des höchstens 89 Zentimeter tiefen Beckens den Rand zu erreichen, aber zehn Zentimeter können in diesem Alter ganz schön weit sein. Oder will sie es gar nicht erreichen? Als der Papa ihr nicht helfen möchte, stellt sie sich trotzig an den Rand und trifft schreiend einen Ton, den nur Zweijährige zu treffen imstande sind. "Die Kinder sind immer die gleichen", lacht Frau Slezak. "Sie sind so, wie wir auch waren." Teilweise begegnet sie diesen bereits als Babys und verfolgt dann ihre Entwicklung bis hinauf zum zehnten, höchstens zwölften Lebensjahr. Danach werde es den Kids hier meistens zu langweilig. Dabei könnten sie hier, im Bad mitten im grünen Hugo-Wolf-Park, gratis rein, bis sie 14 Jahre alt sind.

Hugo-Wolf-Bad Wien Bademeisterin
Frau Slezak (li., ihren Vornamen mag sie nicht in der Zeitung lesen) ist die gute Seele im Hugo-Wolf-Bad, wo Kleine gratis pritscheln.
Christian Fischer

Frau Yildirim ist Bademeisterin im vielleicht schönsten Bad von Wien und hat die zwei großen Kindergruppen, die sich um das Becken geschart haben, im geschulten Auge. Auch sie weiß natürlich, was Kinderkehlen zu leisten imstande sind: "An manchen Tagen sind hier bis zu 500, und das hältst du dann fast nicht aus." Da kämen die Kinder aus den Sommercamps, die aus den Horten und Kindergärten, und dazu ihre Begleitpersonen, die sich im Sommer um sie kümmern – die Omas, die Eltern, die Nannys. "Hier muss man Kinder mögen!", lacht sie, und das tut sie. Sonst käme sie nicht immer schon eine halbe Stunde früher hierher für vier Tage am Stück und elf Stunden Arbeit. "Das ist wie Fünfsternhotel für mich!", lacht sie.

Der finanzielle Aspekt

Zu Dienstbeginn wird das Bad 40 Minuten lang gereinigt. Sie spritzt mit dem Schlauch alles sauber und stellt den "Jimmy", den Sauger, ins Wasser, um es zu filtern. Im Maschinenraum zeigt sie mir die Wasseraufbereitungsanlage, die Behälter mit dem Chlor, das beigefügt wird, und die Messgeräte. Dreimal pro Tag wird die Qualität des Wassers geprüft und dokumentiert, für den Fall, dass mal jemand eine Erkrankung seines Kindes auf das Wasser zurückführen würde. Das komme aber praktisch nie vor, daher gebe es auch kaum Beschwerden.

Papa und kleines Mädchen gehen im Freibad Hand in Hand
Eltern mit kleinen Kindern freuen sich sehr über das Angebot.
Christian Fischer

Dafür, dass das so bleibt, sorgt Betriebsmeister Christian Wonka, 57. Er weiß, dass 1917 das Hütteldorfer Staubecken des Wienflusses als erste Bademöglichkeit für Kinder geöffnet wurde. Nach Ende des Ersten Weltkrieges begann die Gemeinde, Kinderfreibäder vor allem in Parkanlagen zu errichten, nicht nur zum Zwecke der Freizeitbeschäftigung, sondern auch aus Gründen der Gesundheitsprophylaxe und der Sozialhygiene. Noch heute dürfen Kinder unter acht Jahren nur mit einer erwachsenen Begleitperson hinein, 15- bis 18-Jährige nur mit einem Kind unter 15 Jahren und einem Erwachsenen "als Familie".

Der finanzielle Aspekt, sagt Wonka, spiele auch heute noch eine Rolle, "egal ob bei sogenannte Einheimischen oder sogenannten Zuwanderern". In den Kinderfreibädern mischt sich das bunte Wien aufs Allerschönste, weil den Gschrappen völlig egal ist, wie die anderen ausschauen und was für eine Sprache sie sprechen – Hauptsache, sie können gemeinsam laut sein! Außerdem wolle man die Eltern wieder dazu animieren, den Kindern das Schwimmen beizubringen, das sei nämlich ein Problem, sagt er, dass das viele nicht mehr könnten. "Und wer im Bad ist, der ist weg von der Straße", nennt er eine weitere Funktion, die "seine" Bäder erfüllen sollen.

Ein gelungener Sommer

Elf Familienbäder gibt es in ganz Wien. "Wenn Not am Mann ist, mache ich auch Filterrückspülungen selbst!", sagt Wonka, ansonsten organisiert er Facharbeiter für Reparaturen. Schon ereilt ihn ein Anruf: "Für den Motorschutz von der Warmwasseraufbereitung brauchen wir einen Elektriker!" Und gleich darauf der nächste: "Im Apostelbad ist der Strom ausgefallen!" Das Personal der Familienbäder wird von der MA 44 bezahlt, die Infrastruktur vom jeweiligen Bezirk: "Pumpen, Filteranlagen, Kontrollgeräte – das kostet!"

Hier im 19. Bezirk hat der Bezirk gerade noch einmal kräftig investiert, letztes Jahr wurden Zaun und Liegeflächen neu gemacht, heuer das Betriebswirtschaftsgebäude. Andere Bäder seien hingegen sanierungsbedürftig, sagt er, aber immerhin, was das Wasser angehe, müsse man sich in Wien keine Sorgen machen. "Dass uns das Hochquellwasser ausgeht, das werden wir nicht mehr erleben."

"Das frequentierteste Familienbad ist im Schweizergarten im dritten Bezirk, dort spielt es sich ab." Dort kämen auch mehr Jugendliche bis 18 Jahre hin, und denen sei dann bei dem geringen "Action-Angebot" oft fad. Probleme oder Unfälle gebe es jedoch kaum, hingegen habe sich ein bisserl "eingebürgert", dass die Erwachsenen die Verantwortung für ihre Kinder dem Personal überlassen. "Das haben wir schon gehabt, dass die Eltern Karten spielen, und da sind wir konsequent: Wenn wir eine Rettungstätigkeit machen müssen und der Vater liegt irgendwo und schläft, dann kann er sich zusammenpacken und Tschüss!" Das Personal sei für das Bad verantwortlich, nicht für die Kinder. Pflaster zur Linderung des Schmerzes bei kleineren Abschürfungen haben sie natürlich immer zur Hand, sonst wäre der Lärmpegel vielleicht noch höher.

Frau Buchinger, die sich mit Frau Yildirim die Aufsicht teilt, korrigiert mit Kreide die Temperaturanzeige auf der Tafel, nun heizt die Sonne das Bad bereits auf 26 Grad. Sanja, 18, betreut daneben das kleine Buffet, bevor sie im Herbst eine Schule für Kindergartenpädagogik besuchen wird. Hier bestätigt sich Frau Slezaks Satz zu Beginn, dass alle Kinder "wie wir" seien: Denn auch wir liebten buntes Eis und Pommes mit Ketchup, Zuckerschlangen einzeln und Würsteln mit Senf. Das sind die Zutaten, die einen gelungenen Sommer am Ende ausmachen, wenn man ein Kind in Wien ist, und das Schreien und Herumtoben im Wasser jeden Tag bis 19.30 Uhr.

Dann ist Badeschluss, und um spätestens 20 Uhr müssen alle draußen sein. Über Nacht kühlt die Brühe idealerweise ein bisschen ab, und nächsten Tag kommt wieder Frau Yildirim eine halbe Stunde zu früh und stellt den Sauger ins Becken, der natürlich auch am besten weiß, wie viel Kinderlulu sich während des letzten Tages ins Wasser gemischt hat. "Aber dafür haben wir ja das Chlor!", lacht sie und richtet ihre Augen wieder auf schreiende Kinder und schlafende Väter. (Manfred Rebhandl, 11.7.2023)