Batricevic
Slobodan Batricevic: "Ich war sehr überrascht, wie wenig wir trainiert haben. Keine Belastung. Nichts."
ballesterer, Moritz Ettlinger

Der Kremser SC lieferte 1988 eine der größten Sensationen in der Cupgeschichte. Als Zweitligist bezwangen die Niederösterreicher im Finale den FC Tirol. Auf einen 2:0-Sieg im Hinspiel folgte ein 1:3 am Tivoli, die Auswärtstorregel gab den Ausschlag für die Kremser. Eine der Stützen der Mannschaft war Slobodan Batricevic, den es 1987 eher zufällig nach Krems verschlagen hatte. "Dort habe ich die besten und schönsten Jahre in meinem Leben verbracht", sagt er beim ballesterer-Interview Anfang Mai in einem Café in Wien-Leopoldstadt. "Du weißt eben vorher nie, welche Leute du triffst."

ballesterer: Was fällt Ihnen als Erstes ein, wenn Sie an den Cupsieg mit dem Kremser SC denken?

Slobodan Batricevic: Die fantastische Stimmung in den entscheidenden Wochen. Die Mannschaft war auch gut drauf, aber die Stadt richtig großartig. Krems war ja noch nie so nah dran am Cupsieg. Und ich muss daran denken, wie überraschend das für uns gekommen ist. Es war nicht einmal eine Prämie ausgemacht. Erst vor dem Finale haben uns die Funktionäre gefragt, was wir machen möchten. Manche wollten eine Siegprämie, andere eine Antrittsprämie, um auf Nummer sicher zu gehen. Wirklich überzeugt waren wir nicht von uns.

Angesichts des übermächtig erscheinenden Gegners kein Wunder.

Batricevic: Genau. Der FC Tirol war eine sehr starke Mannschaft. Mit Ernst Happel als Trainer. Mit Peter Pacult, Hansi Müller und Rupert Marko, dazu Tomislav Ivkovic im Tor.

Wann hat die Mannschaft erstmals an die Sensation geglaubt? Nach dem Hinspiel?

Batricevic: Nein, auch da noch nicht. Wir waren eine gute Mannschaft, in der nächsten Saison sind wir ja in die Bundesliga aufgestiegen, aber Tirol war eben Tirol. Als dann Erwin Wolf auswärts nach 13 Minuten das 1:0 geschossen hat, haben wir begonnen, daran zu glauben. Danach ist es aber noch einmal eng geworden, das dritte Tor der Tiroler ist zum Glück erst sehr spät gekommen. Unser Sieg war eine Riesenüberraschung. Vor allem, weil wir Hin- und Rückspiel überstehen mussten, das macht es für einen Außenseiter noch schwieriger.

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Mit welcher Erwartungshaltung sind Sie in den Bewerb gestartet?

Batricevic: Absolut locker. Ohne Druck. Unser Trainer war damals Ernst Weber, der leider nicht mehr lebt. In der Kabinenansprache vor unserem Erstrundenspiel gegen den FC Sankt Margarethen hat er nicht über den Gegner geredet, nicht über Taktik. Er hat auch nicht versucht, uns zu motivieren oder Ähnliches, es ist eigentlich nur um den Platz gegangen. Der Trainer hat behauptet, der sei ungefähr so groß wie bei uns. Da sagt Peter Netuschill plötzlich: "Stimmt nicht, der ist wesentlich kleiner hier." Darauf hat der Weber mitten in der Besprechung geantwortet: "Na dann, wollen wir wetten?" Netuschill hat eingewilligt, die beiden sind hinausgegangen, um den Platz gemeinsam abzumessen. So ernst waren wir vor den Spielen.

Wer hat die Wette gewonnen?

Batricevic: Ich glaube, der Netuschill.

Wie sind Sie in Krems gelandet? Sie waren davor bei der Vienna ja Stammspieler.

Batricevic: Ich bin mit der Vienna im ersten Jahr gleich aufgestiegen. Dann sind am Ende der ersten Erstligasaison gute neue Spieler gekommen, und Trainer Ernst Dokupil hat nicht so genau gewusst, was er wollte. Eines Tages hat mich mein Manager gefragt, ob ich nach Krems kommen möchte. Die hatten mit Djordje Milovanovic eigentlich schon verlängert, per Handschlag mit Präsident Sepp Doll. Milovanovic wollte nach Rücksprache mit seiner Frau noch einmal nachverhandeln, aber der Präsident hat nur gemeint: "Handschlag zählt. Du kannst gehen!" Kurz darauf habe ich den Anruf bekommen, anderthalb Stunden später habe ich in Krems den Vertrag unterschrieben. Nachdem wir alles erledigt hatten, war meine erste Frage: "Gibt es hier eine Disco?" In Wien war ich damals fast an jedem Abend in der Disco.

War der Unterschied zwischen erster und zweiter Liga groß?

Batricevic: Ich war sehr überrascht, wie wenig wir trainiert haben. Keine Belastung. Nichts. Also bin ich eines Tages mit Nedeljko Milosavljevic, der früher bei Roter Stern gespielt hat, zu Weber gegangen. Wir haben gesagt: "Trainer, Sie wissen es natürlich besser. Aber wir haben den Eindruck, dass wir zu wenig trainieren." Er hat nur gelacht und uns gesagt: "Na, passt auf: Du bist schon 30, und du wirst im April auch 30. Der Franz Miesbauer auch, der Ronny Otto ist schon 32, der Charly Braun 34 und so weiter. So einer alten Mannschaft darf ich nicht Vollgas geben." Als ich später Trainer geworden bin, habe ich ihn verstanden. Das war ein guter Ansatz.

Lockerheit und Schmäh als Trumpfass für den Cup?

Batricevic: Genau. Die Lockerheit hat uns geholfen. Weber hat immer gute Stimmung gemacht. Beim Training, in der Kabine, überall. Aber wir haben noch einen anderen Pluspunkt gehabt: Co-Trainer Karl Daxbacher. Er hat die Mannschaft zusammengehalten, ein echter Profi.

Bevor Sie zur Vienna gekommen sind, waren Sie in der jugoslawischen Liga für den OFK Belgrad aktiv. Haben Sie dort besondere Erlebnisse im Cup gehabt?

Batricevic: Da sind wir leider nie wirklich weit gekommen, aber eine Geschichte kann ich erzählen. Einmal haben wir zu Hause gegen Hajduk Split gespielt. Vor dem Match hat unser Trainer den Verteidigern und dem Kapitän gesagt: "Wir lassen sie gewinnen. In drei Wochen spielen wir in der Liga bei ihnen. Wenn sie heute aufsteigen, bekommen wir dort einen Punkt."

Das war für die Mannschaft in Ordnung?

Batricevic: Meine letzte Saison in der zweiten jugoslawischen Liga war zum Kotzen, 80 Prozent aller Spiele waren gekauft. Dann bin ich nach Österreich gekommen und war begeistert. Ich habe mir gedacht: "Hier ist es super, hier gibt es keine Absprachen, hier zählt nur der Sport." Dann ist mein Deutsch langsam besser geworden, und ich habe verstanden, was hintenherum gesprochen worden ist. Ich habe begriffen, dass auch hier immer wieder Spiele verkauft worden sind – immerhin nicht im selben Ausmaß.

Sie kennen den Cup auch als Trainer. Bereitet man die Mannschaft anders vor als bei einem Meisterschaftsspiel?

Batricevic: Es gibt schon Kleinigkeiten. Du solltest unbedingt Elfmeterschießen üben, es kann ja immer sein, dass du eines bestreiten musst.

Bringt das etwas? Ist man nicht ohnehin zu nervös, wenn es so weit ist?

Batricevic: Es ist immer besser, sich vorzubereiten. Man wird ein bisschen ruhiger und bekommt Sicherheit.

Ihr damaliger Teamkollege Thomas Janeschitz hat in einem Interview erzählt, dass sich die Kremser Cupsieger auch heute noch ein-, zweimal im Jahr treffen. Stimmt das?

Batricevic: Ja. Wir halten über eine WhatsApp-Gruppe der KSC-Senioren Kontakt und organisieren auch Tennisturniere – da bin ich allerdings nicht dabei. Auch den Erwin Höld treffe ich noch häufiger. Der Zusammenhalt in dieser Truppe war wirklich super. (Interview: Armin Grasberger, 18.7.2023)