Sie dienen ihrem Herrn und der Partei: Im Internet ist dieser Tage eine interne Liste von über 14.000 angeblichen Bot-Konten der Serbischen Fortschrittspartei (SNS) in sozialen Netzwerken aufgetaucht – mit den Vor- und Nachnamen der dahinterstehenden Personen. Diese "Internetbrigaden" verherrlichen den serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić und die Regierung, und sie attackieren die politische Konkurrenz. Zu Vučićs Internetaktivisten gehören Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes aus allen Teilen Serbiens. Einige haben sich mittlerweile dazu bekannt und gaben an, dass sie von einem Staatssekretär koordiniert würden.

Serbien Troll-Fabrik Vucic
Zu den Internetaktivisten von Serbiens Präsident Vučić gehören Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes aus allen Teilen Serbiens.
EPA/ANDREJ CUKIC

Eine Frau, die Teil des Netzwerks war, sagte dem Sender N1, sie habe in sozialen Medien wie Facebook, Instagram, Twitter und Tiktok Postings absetzen müssen, weil dies eine Gegenleistung dafür gewesen sei, dass sie einen Job bei einem öffentlichen Unternehmen bekommen habe. Zu ihren Aufträgen gehörte demnach auch die Beleidigung und Herabwürdigung politischer Gegner, Funktionäre und auch deren Familien, erklärte die Frau. Auch die Demonstranten, die seit Anfang Mai gegen eine Kultur der Gewalt demonstrieren, werden von den gesteuerten Internetaktivisten angegriffen.

Die "Hasser" haben die Aufgabe, diejenigen zu beleidigen, herabzusetzen und lächerlich zu machen, die Vučić kritisieren, die "Fans" haben die Aufgabe, ihn zu loben. Diese Vorgehensweise des serbischen Regimes hat bereits Tradition. Vor einigen Jahren wurden 8.500 Konten, die die SNS und Vučić lobten, von Twitter entfernt.

"Ungeziefer"

Nach der Veröffentlichung der Bot-Konten schlägt die Partei jetzt zurück. Ein hochrangiger Beamter der SNS veröffentlichte ein Instagram-Video mit der Botschaft "Stoppt ausländische Propaganda", das sich gegen Reporter und Moderatoren einiger Medien wie N1 richtete, die nicht unter der Kontrolle der SNS stehen, sondern ihrer Aufgabe nachgehen und kritisch berichten. In dem Video werden diese Medien bildlich mit Ungeziefer verglichen.

Gleichzeitig gehen die Proteste von Serbinnen und Serben jedoch weiter. Die Demonstranten stellen sich vor allem gegen Gewaltverherrlichung, etwa die permanenten nationalistischen Hassparolen, die von der Vučić-Presse verbreitet werden. Und sie fordern die Aufklärung von Gewalttaten. In Priboj wurde kürzlich ein 35-jähriger Mann mit muslimischem Namen von einem Polizisten aus Belgrad getötet. In Serbien gab es dieses Jahr bereits 20 Femizide.

Seriben PRotest
In Serbien protestieren Serbinnen und Serben regelmäßig gegen die nationalistischen Hassparolen, die von der Vučić-Presse verbreitet werden.
EPA/ANDREJ CUKIC

Vergangenen Donnerstag wurde in Belgrad die zerstückelte Leiche eines ermordeten Trans-Teenagers gefunden. Menschen versammelten sich in Belgrad, um Blumen niederzulegen und der ermordeten 18-jährigen Noa Milivojev zu gedenken. Zivilgesellschaftliche Organisationen machen darauf aufmerksam, dass die Gewalt gegen Transfrauen in Serbien zunimmt und dass Transfrauen zu den am stärksten gefährdeten und marginalisierten Gruppen gehören.

Sprache der Gewalt

Die Verherrlichung von Gewalt ist in Serbien auch im öffentlichen Raum präsent. Es gibt etwa unzählige Wandbilder von Kriegsverbrechern wie Ratko Mladić, einem schwerkriminellen Massenmörder, der den Genozid gegen Bosniaken im bosnischen Srebrenica orchestrierte.

Doch auch von den Regierenden selbst wird eine Sprache der Gewalt verwendet. Regierungschefin Ana Brnabić bezeichnete die Opposition im Parlament als "ekelhafte Bastarde", und Vučić nannte den Regierungschef des Kosovo, Albin Kurti, "terroristischen Abschaum".

Die herrschende Klasse setzt auch kriminelle Banden ein, um mittels Angst ihre Macht zu halten. Raša Nedeljkov von der Nichtregierungsorganisation CRTA in Belgrad meint: "Die Unterwelt ist nicht mehr in der Unterwelt. Wir haben die Illusion verloren, dass unsere Gesellschaft es schafft, die Kriminellen aus dem Mainstream herauszuhalten. Sie werden von gewissen Medien glorifiziert."

Und sie haben offensichtlich Unterstützung von ganz oben. Dem Bandenchef Veljko Belivuk wird wegen mehrfachen Mordes, Entführung, unerlaubten Waffen- und Sprengstoffbesitzes und Drogenhandels der Prozess gemacht. Es gibt ein Foto, das ein Mitglied der Belivuk-Bande gemeinsam mit dem Sohn von Vučić, Danilo Vučić, im Fußballstadion zeigt. Belivuk sagte nach seiner Verhaftung vor Gericht aus, dass er "staatlichen Bedürfnissen" gedient und sogar Staatschef Vučić persönlich getroffen habe. Es sei seine Rolle gewesen, Demonstrationen für Vučić zu unterstützen und Oppositionsproteste zu stören. Der Präsident wies alle Vorwürfe zurück.

"Principi-Trupp"

Doch auch bei einem ehemaligen Polizisten wurde ein Notizbuch beschlagnahmt, in dem die Bande von Belivuk als "Staatsprojekt" bezeichnet wurde. Die kriminelle Gruppe wurde nach der Machtübernahme von Vučić 2012 gegründet. Als Belivuk 2016 – nach dem Mord am Ex-Boss der Gang – die Führung übernahm, benannte er den Trupp nach dem Mörder des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand, Gavrilo Princip, die "Principi".

Die Bande war gut im Geschäft. Im Jahr 2019 beschlagnahmte die spanische Küstenwache 800 Kilogramm Kokain im Wert von 50 Millionen Euro auf einem aus Südamerika kommenden Schiff. Die Pakete auf dem Schiff trugen das Antlitz von Gavrilo Princip. Deshalb nehmen die Ermittler an, dass die Pakete für die "Principi" bestimmt waren.

Das Abbild von Gavrilo Princip ist in den vergangenen Jahren auch häufig im Norden des Kosovo an Häusern zu sehen. Es ist so etwas wie ein Erkennungszeichen einer extrem nationalistischen, ideologischen Truppe.

Die Principi flogen nur auf, weil internationale Ermittler 2021 den Code einer Handy-Software namens Sky ECC knackten, den die Drogenbosse auf dem Balkan verwendeten. Die Ermittler stießen auf grausame Fotos verstümmelter Leichen, es waren die Opfer der Belivuk-Truppe, die mit einem Drogenclan aus Montenegro abgerechnet hatte. Offenbar zögerten die serbischen Behörden eine Zeitlang, Belivuk und seine Leute zu verhaften, während diese in einem Haus in der Nähe von Belgrad noch zahlreiche Menschen zu Tode folterten, ihnen die Fingernägel abzogen und sie in den Fleischwolf steckten, bevor sie sie ihn die Donau warfen.

Verbindungen zu Kriminellen

Der Generalsekretär der serbischen Regierung, Novak Nedić, pflegte die engsten Kontakt zu kriminellen Fußballfans. Seine Familie gilt als die graue Eminenz des berüchtigten Fußballklubs Partizan Belgrad. Nedić hatte Zeugen zufolge etwa 2018 Kontakt zu Belivuks Gruppe und auch zu diesem selbst, als es darum ging, Probleme nach Gewalttaten der "Principi" ohne Polizei zu "lösen". Erst diesen Mai wurde Nedić dabei aufgenommen, wie er eine Truppe von offenbar gewaltbereiten Männern anführte, die in Pančevo eine Protestaktion von Bauern "auflösen" sollte.

Aber auch wer in Vučićs persönlicher Vergangenheit sucht, stößt auf Verbindungen zu Kriminellen. Ein Video zeigt ihn mit einem Gewehr im Jahr 1995 auf einem Hügel oberhalb der Stadt Sarajevo, von wo aus Tschetniks jahrelang die Stadt beschossen und die Bevölkerung terrorisierten. Vučić behauptete, es habe sich nicht um eine Waffe, sondern um einen Regenschirm gehandelt. Vučić war damals und auch noch lange Zeit danach Mitglied der rechtsextremen rassistischen Radikalen Partei von Vojislav Šešelj.

Mit Verbrechern auf der Plastikbanane

Aus dieser Zeit kennt er auch den Gangster Petar Panić, genannt "Pana", der Šešeljs Leibwächter war. Neben Fotos, die Panić vor dutzenden erschossenen Füchsen, Wildschweinen und Bären zeigen, postet dieser auch ab und zu Bilder mit Vučić. Auf einem ist Panić mit Vučić auf einer großen gelben Plastikbanane im Meer plantschend zu sehen. Panić wurde in den 1990er- und frühen 2000er-Jahren wegen 16 Verbrechen angeklagt, unter anderem wegen Körperverletzung. Allerdings bekam er von einem Arzt in einem Belgrader Krankenhaus medizinische Atteste, um sein Nichterscheinen vor Gericht zu rechtfertigen. Dieser Arzt, Zlatibor Lončar, wurde im Jahr 2014 von Vučić zum Gesundheitsminister gemacht.

Wie sehr das Regime eine Allianz mit Kriminellen pflegt, zeigt auch die "Koluvija-Affäre". Der 38-jährige Predrag Koluvija wurde im Herbst 2019 von der Polizei gestoppt, weil er mit seinem Audi zu schnell auf der Autobahn unterwegs gewesen war. Bei den polizeilichen Ermittlungen stellte sich heraus, dass Koluvija Inhaber einer zwölf Hektar großen Marihuana-Plantage in der Vojvodina war, die mit Hightech-Überwachung und Handy-Störsendern, Sicherheitskameras, Drohnen und Schusswaffen "geschützt" wurde. Den Ermittlungen zufolge soll Koluvija die Drogenfarm mithilfe und in Zusammenarbeit mit fünf Mitgliedern der serbischen Polizei und der Sicherheitsdienste betrieben haben. Offensichtlich genoss das kriminelle Unternehmen also "staatliche" Unterstützung.

"Niemanden getötet"

Auch der damalige serbische Verteidigungsminister und heutige Geheimdienstchef Aleksandar Vulin besuchte 2015 den Bauernhof von Koluvija und pflückte dort vor Kameras Bioparadeiser. Er wurde von Dragan Sikimić begleitet, der heute Direktor der Antikorruptionsbehörde ist. Koluvija stand außerdem in Kontakt mit einem Staatssekretär des Innenministeriums, Milosav Miličković. Interessant ist auch, dass sich Vučić in einem Interview mit dem regierungsnahen TV-Sender Pink überrascht zeigte, dass Koluvija "wegen eines solchen Verbrechens zwei Jahre in Untersuchungshaft sitze", wo er doch "niemanden getötet" habe.

Bei dem Prozess in der Koluvija-Affäre, der gerade in Serbien geführt wird, sagten Polizisten aus, dass sie unter Druck gesetzt werden. Der Polizist Dušan Mitić meinte vor Gericht, dass sich der Staatsanwalt zuweilen wie ein Verteidiger von Koluvija verhalte. Mitić sagte zudem, dass er in Koluvijas Büro in "Jovanjica" die Bestätigung des Militärgeheimdienstes gefunden habe, wonach Koluvija Oberstleutnant des Dienstes sei. Einige Bürgerinnen und Bürger begleiteten am Dienstag die mutigen Polizisten mit Applaus zum Gericht. (Adelheid Wölfl, 13.7.2023)