Eine Marilyn in Leder und ein buchfernes Wesen auf dem Sozius: Samantha Fish und Jesse Dayton spielen eine rasante Mischung einer ewig untoten Musik.
Eine Marilyn in Leder und ein buchfernes Wesen auf dem Sozius: Samantha Fish und Jesse Dayton spielen eine rasante Mischung einer ewig untoten Musik.
Kaelan Barowsky

Wenn die beiden in einem Quentin-Tarantino-Film um die Ecke biegen würden, es ergäbe ein stimmiges Bild. Zwei Gestalten in Leder, so als wären sie gerade vom Bike gestiegen, Vertreter aus dem Gewerbe der Wegelagerei oder des Tankstellenraubs. Doch statt mit Knarren sind sie mit Gitarren behangen. Und anstatt hinsichtlich ihres Tuns anonym zu bleiben, führen sie die Namen Samantha Fish und Jesse Dayton.

Gemeinsam haben sie das Album Death Wish Blues veröffentlicht, schon Ende Mai – aber erst jetzt schlug es im Vertrieb hierzulande auf. Das macht nix. Es handelt sich nämlich um Musik von einer gewissen Zeitlosigkeit, um Musik, die eigentlich neben der Zeit existiert, die von Trends und Moden unbekleckert bleibt.

Samantha Fish & Jesse Dayton - Deathwish (Official Music Video)

Was Fish und Dayton spielen, ist eine explosive Mischung aus Blues, Rock und Funk. Explosiv ist gleich ein Stichwort: Für ihr elftes Album in zwölf Jahren hat Fish sich neben Dayton Jon Spencer als Produzenten geangelt. Spencer ist in dieser Neigungsgruppe als Chef der Jon Spencer Blues Explosion eine Größe für sich – der Name seiner Band Programm.

Damit schließt sich ein Kreis, denn schon in der Vergangenheit hat sich die aus Kansas City stammende Musikerin in einem Milieu herumgetrieben, das die Ungeschliffenheit dieser Musik hochhält und nicht aufs Airplay im Formatradio schielt. Dabei kreuzte ihr Weg den des Luther Dickinson von den North Mississippi All Stars, die in großfamiliärem Verhältnis zu Jon Spencer stehen. So gesehen ist er als Mentor dieses Albums eine logische Entwicklung.

Keine Gefangenen

Jesse Dayton wiederum stammt aus Texas, hat mit Figuren wie Lucinda Williams gespielt, mit den Punks von X oder den Supersuckers, ist also so etwas wie ein progressiver Traditionalist. Zu dieser Ausrichtung passt auf Death Wish Blues eine hübsche Ballade wie No Apology, die an der Ausschank jeder Tankstelle für feuchte Äuglein unter einsamen Zechern sorgen würde. Doch das ist die Ausnahme.

Samantha Fish & Jesse Dayton - Supadupabad (Official Audio)

Der Großteil der Songs dieser Marilyn-Monroe-Wiedergängerin in Lack und Leder steht mit beiden Beinen auf dem Gaspedal. Dazu singt und spielt sie Songs, die unterschwellig bis offen angriffslustig sind, was sich in grimmigen Riffs niederschlägt und eine Attitüde bloßlegt, die mit "Hau drauf und Gusch" umschrieben werden könnten. Gefangene machen nur Ärger, also macht man besser keine. Search and destroy.

Das alles badet natürlich im Klischee, doch Fish und Dayton spielen sich mit Biss, Spaß und Wonne durch ein Album, dessen Titel schon die halben Geschichten erzählen: Rippin’ and Runnin’, Dangerous People, Supadupabad.

Neben den Tough-Girl- und Bad-Guy-Rollen öffnen sie stellenweise ihre vernarbten Herzen und zerdrücken Tränen mit dem Stiefel. Dann wischen sie sich den Rotz in den Ärmel, bestellen noch ein Rolling Rock, verschwinden zechprellend durch den Hinterausgang und entschwinden in Richtung Horizont. Dorthin, wo die Geschichte des nächsten Songs spielt, irgendwo Down in the Mud. (Karl Fluch, 21.7.2023)