Ein Schild des Arbeitsmarktservice Wien.
Das Arbeitsmarktservice (AMS) vermittelt offene Stellen an Arbeitslose und soll Vollbeschäftigung herstellen.
APA/ESTELLA BERGER

Wien – Das Arbeitsmarktservice (AMS) stellt sich im kommenden Jahr auf weniger öffentliche Mittel ein, weil Sonderprogramme wie die Aktion Sprungbrett für Langzeitarbeitslose enden und weniger Arbeitslose erwartet werden. Beim Förderbudget für aktive Arbeitsmarktpolitik rechne man für 2024 aus derzeitiger Sicht mit einem möglichen Rückgang auf 1,1 Milliarden Euro, nach 1,3 Milliarden Euro im laufenden Jahr, sagte die neue AMS-Österreich-Vorständin Petra Draxl im APA-Interview.

Die Summe sei Ausgangsbasis für Verhandlungen im August mit den zuständigen Ministerien, stehe aber sowohl im längerfristigen AMS-Budgetplan als auch in der Budgetvorschau des Bundes. Draxl verweist auch auf die neuen "sehr ambitionierten" arbeitsmarktpolitischen Zielvorgaben für das AMS von Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP). "Wenn man es ambitioniert umsetzen will, dann braucht es mehr Ressourcen", so die AMS-Vorständin. Eine genaue Budgethöhe wollte sie nicht nennen. "Ich wünsche mir ein gutes Budget auf Grundlage der Arbeitslosenzahlen, das auch der Schwerpunktsetzung gerecht wird."

Erwachsenenbildner betroffen

Aus dem Förderbudget werden unter anderem Qualifizierungs-, Beratungs- und Betreuungsangebote, Lohnkostenförderungen für Betriebe und temporäre Beschäftigungen im Rahmen gemeinnütziger Arbeitskräfteüberlassung oder bei sozialökonomischen Betrieben finanziert. Die Kurzarbeit ist im Förderbudget nicht enthalten. Arbeitslosengeld und Notstandshilfe sind Versicherungsleistungen und werden aus der Arbeitslosenversicherung bezahlt. Das AMS setzt bei der Qualifizierung von Arbeitslosen Trainer und Sprachlehrerinnen von externen Bildungsträgern ein. Wegen geringerer AMS-Fördermittel verloren in den Jahren 2018 und 2019 hunderte externe Erwachsenenbildnerinnen und Erwachsenenbildner ihren Job.

Neue AMS-Österreich-Vorständin Petra Draxl
Die neue AMS-Österreich-Vorständin Petra Draxl.
APA/GEORG HOCHMUTH

In der Corona-Pandemie stand dem AMS aber wieder deutlich mehr Fördergeld für die aktive Arbeitsmarktpolitik zur Verfügung. Im Jahr 2021 waren es 1,5 Milliarden Euro und damit 3.791 Euro pro Arbeitslosen/Schulungsteilnehmer, im Jahr 2022 waren es rund 1,6 Milliarden Euro und 4.919 Euro pro Kopf, geht aus APA-Berechnungen hervor. Die durchschnittliche Fördersumme pro Kopf ist nur ein rechnerischer Wert, weil es sich bei den vermeldeten Arbeitslosenzahlen um Bestandsgrößen handelt und nicht jede Person Qualifizierung benötigt. 2023 könnte die durchschnittliche Fördersumme laut Schätzung pro Kopf auf 3.929 Euro und im kommenden Jahr auf 3.516 Euro sinken. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) rechnet mit einem Rückgang der Arbeitslosenzahlen inklusive Schulungsteilnehmer von heuer 337.600 auf 326.600 im kommenden Jahr.

Weniger Stellen

Auch intern muss das AMS den Sparstift ansetzen. Der Mitarbeiterstand soll im kommenden Jahr laut aktuellem Planungsstand um 125 Vollzeitplanstellen sinken. Per Ende Juni hatte das AMS insgesamt 5.868 Planstellen.

Arbeitsminister Kocher hat dem AMS Ende Juni für die langfristige Arbeit neue "arbeitsmarktpolitische Zielvorgaben" gegeben. In dem 30-seitigen Dokument wünscht sich Kocher unter anderem eine Forcierung der Vermittlung, mehr Beschäftigungsanreize und einen Fokus auf "grüne Transformation". Zuletzt hatte die damalige Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) im Jahr 2019 dem AMS "arbeitsmarktpolitische Zielvorgaben" gegeben. Die neuen Zielvorgaben von Minister Kocher seien "sehr gut formuliert", so Draxl. "Mir haben sie sehr gut gefallen." Außerdem hat Kocher in einem dreiseitigen Erlass zum Thema geringfügig beschäftigte Arbeitslose das Arbeitsmarktservice aufgefordert, in diesem Bereich österreichweit schärfer zu kontrollieren. Wer Arbeitslosengeld bezieht, kann gleichzeitig einer geringfügigen Beschäftigung (bis maximal 500,90 Euro) nachgehen.

Mehr Offenheit bei Zuwanderung

Eine gesetzliche Verkürzung der Arbeitszeit – auf 32 Stunden bei vollem Lohnausgleich – hält Draxl auf absehbare Zeit nicht für realistisch. Es stelle sich die Frage, woher die Arbeitskräfte dafür kommen sollen, insbesondere in Bereichen wie der Pflege oder im Service- oder Dienstleistungssektor – also Branchen, wo aktuell Personalmangel herrscht. Ein Faktor sei auch die Erhöhung der Kosten, die mit einer Verringerung der Arbeitszeit einhergehen würde. Längerfristig erwarte sie aber Veränderungen. "Vielleicht haben wir in 15 Jahren eine weitere Senkung der Arbeitszeit."

Für die Mobilisierung zusätzlichen Personals – etwa um eine Arbeitszeitverkürzung möglich zu machen – müssten die verschiedenen Regionen mehr Offenheit in Bezug auf die Zuwanderung zeigen, findet Draxl. Gefragt sei eine Attraktivierung unterschiedlicher Standorte für Migrantinnen und Migranten aus dem In- und Ausland. Draxl unterstrich dabei die Forderung ihres AMS-Vorstandskollegen Johannes Kopf, die Rot-Weiß-Rot-Karte für qualifiziertes Personal aus Drittstaaten stärker zu bewerben. "Es braucht hier eine viel gezieltere Strategie." Geht es nach der neuen AMS-Vorständin, sollte die Antragstellung auch digital möglich und damit vereinfacht werden.

Recht auf Kinderbetreuung

Für die überregionale Vermittlung – ein Schwerpunkt unter den neuen Zielvorgaben an das AMS – regte Draxl an, die Entfernungsbeihilfe auszubauen, die Menschen dabei unterstützt, weiter abseits von ihrem Wohnort einer Arbeit nachzugehen. Auch eine Mobilitätsprämie, zuletzt vom neuen Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Holger Bonin, vorgeschlagen, könne man diskutieren. "Es braucht ein Instrument, damit Menschen hier unterstützt werden." Im Sinne zusätzlicher Beschäftigung forderte die ehemalige Geschäftsführerin des AMS Wien ferner einen Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. "Ich bin eine Anhängerin des Rechts auf einen Kinderbetreuungsplatz."

Zur hohen Arbeitslosenquote in Wien relativ zu anderen Bundesländern sagte Draxl, dass man sich die unterschiedlichen Strukturen vor Augen führen müsse. Beispielsweise seien in der Hauptstadt jüngst viele Jobs für höher Qualifizierte entstanden, weniger in Bereichen, die für niedrigqualifizierte Personen geeignet seien. Auch der Anteil von Migranten sei ein Faktor, wie zuletzt schon Draxls Nachfolger als Chef des AMS Wien, Winfried Göschl, ins Treffen führte. Von Bedeutung sei darüber hinaus die demografische Entwicklung, in der Stadt würden immer mehr junge Menschen leben. "Inzwischen ist Wien die jüngste Stadt Österreichs."

Als inhaltliche Schwerpunkte ihrer Tätigkeit nannte sie die Förderung von Green Jobs, die Schaffung zusätzlicher Qualifizierungsmöglichkeiten gemeinsam mit Unternehmen sowie einen verstärkten Fokus auf die Vermittlung von Langzeitarbeitslosen. Draxls Amtszeit im AMS-Vorstand ist vorerst für ein Jahr bis 2024 befristet. Sie ist für Langzeitvorstand Herbert Buchinger eingesprungen, der aus gesundheitlichen Gründen seine Funktion per Ende Juni vorzeitig zurückgelegt hat. Gemeinsam mit Kopf plant Draxl jedenfalls, sich für eine weitere Amtszeit zu bewerben. (APA, 13.7.2023)