Sound of Freedom
Der Film sei "weder rechts noch links", wurde behauptet, doch wirbelte "Sound of Freedom" zuletzt viel Staub auf.
Angel Studios

In dem Drama "Sound of Freedom" geht es um einen Bundesagenten, der sich dem Kampf gegen Kinderhändler verschrieben hat. Bewertungsplattformen wie "Rotten Tomatos" oder auch Schauspieler wie Mel Gibson überhäuften den Film mit Lob. In Rezensionen namhafter Zeitungen wurde allerdings in erster Linie Kritik laut. "The Guardian" meint, der Film sei "ein QAnon-naher Thriller", das "Rolling Stone" schrieb, die einfache Zugänglichkeit zum Film würde ihn zu einem "wertvollen Recruiting-Werkzeug" für eben diese Gruppe machen. 

Tatsächlich konnte man im Netz seit dem Start am 4. Juli beobachten, wie sich zahlreiche Verschwörungstheorien schnell verselbstständigten und von rechts der Mitte befindlichen TV- und Online-Kanälen die Thesen schnell und gerne aufgegriffen wurden. Tenor der Vorwürfe: Die "Eliten" in den USA hätten versucht, den Film zu "verhindern". Hollywood würde nicht wollen, dass man das Thema "Kinderhandel und Kindesmissbrauch" auf die große Leinwand bringt. Das Guerilla-Marketing des Films, etwa der Auftritt des Hauptdarstellers bei Donald Trumps ehemaligen Chefstrategen Steve Bannon, hat wohl sein Übriges dazu getan, dass der Film auf zahlreichen Plattformen zum Trend wurde.

 Reale Ereignisse

"Sound of Freedom" basiert auf einer wahren Geschichte. Der Schauspieler Jim Caviezel spielt Tim Ballard, einen Bundesagenten bei Homeland Security, der sich auf Fälle von Pädophile und Kinderhandel spezialisiert hat. Immer wieder kann er Täter aus dem Verkehr ziehen, doch die Opfer bleiben meist auf der Strecke. Der Fall des jungen Miguel bewegt Ballard dann so sehr, dass er nach Mexiko geht, um ein ganzes Netzwerk auszuheben.

Die Geschichte des Films ist ebenfalls bewegt. Ursprünglich sollte der Film vom mexikanischen Ableger von 21st Century Fox verliehen werden, doch kaufte Disney das Studio, und so verschwand der Film von der Bildfläche. Eingesprungen ist schließlich Angel Studios, ein christlich-aktivistisches Independent Studio. 

Sound of Freedom | Theatrical Trailer | PR
Angel Studios

Totgeschwiegen

Bekannt wurde der Film über die Landesgrenzen hinaus dank zahlreicher Social-Media-Beiträge. Speziell die Interviews mit dem Hauptdarsteller, die bei US-TV-Stationen und Live-Panels gefragt sind, gingen schnell viral. So erzählt Caviezel beispielsweise, dass der Film seit drei Jahren fertig war, aber es an einem Distributionspartner gefehlt hat. Man habe alles versucht, sei aber bei Branchengrößen wie Netflix oder Amazon einfach abgeblitzt. "Das ist nichts für uns", sei die Antwort gewesen. In den Kommentarspalten der jeweiligen Plattform hagelte es förmlich Antworten. Die "Regierung" würde den Film verheimlichen wollen. Man würde ihn "totschweigen" und sogar zu einem Boykott von Netflix wird nun aufgerufen.

Der Online-Sender Auf1 ergriff ebenfalls die Gelegenheit und übernahm die Geschichte von der Film-Blockade dankend. Der Veröffentlichung seien "zahlreiche Hindernisse in den Weg" gelegt worden, wird dort erzählt. Disney habe das Thema "nicht auf die Leinwand" bringen wollen, und Hollywood sei genau die "Maschinerie, die die Nachfrage nach Kinderhandel fördere". 

Das Narrativ, wenn "Megaunternehmen, die Wahrheit nicht veröffentlichen wollen", müssen eben "Menschen" die Finanzierung für ein solches Projekt übernehmen, wird mehrfach zitiert. So wird am Ende des Berichts betont, dass die Entstehung des Films zeigen würde, dass wenn sich "Menschen zusammenschließen" und derartige "alternative Projekte" finanziell unterstützen, "alles möglich ist". 

Sprung zu QAnon

Auch Mel Gibson, der mit dem Film eigentlich nichts zu tun hat, meldete sich auf Social Media und in diversen Interviews zu Wort, um Werbung für den Film zu machen. Der mexikanische Sänger Luis Fonsi veröffentlichte ein selbstproduziertes Video auf Twitter, und der umstrittene Psychologe und Autor Jordan Peterson tat es ihm gleich. Besonders direkt benennt der erfolgreiche Youtuber und Filmkritiker "The Critical Drinker" die Theorien der Community beziehungsweise befeuert diese sogar. In seiner Video-Rezension stößt er sich daran, dass Tageszeitungen wie "The Guardian" versuchen würden, den Film "um jeden Preis zu unterdrücken", obwohl die Thematik eigentlich "Unterstützung verdient hätte". Danach blendet er Fotos von Harvey Weinstein und Jeffrey Epstein ein, unterlegt von den Worten: "Warum wollen sie nicht, dass der Film erfolgreich ist? Warum ist Hollywood so defensiv dem Thema gegenüber?" 

Der Indie-Film, der lediglich 14,5 Millionen Dollar gekostet und bereits über 41 Millionen Dollar allein in den USA in der ersten Woche eingespielt hat, könnte sich eine große Marketing-Kampagne gar nicht leisten. Deshalb verwundert es nicht, dass diese Art des Grass-Root-Marketings genutzt wird, um die Menschen ins Kino zu bringen. 

Die Art der Kommunikation sei allerdings nah am "Sprung hin zu QAnon und Pizzagate", formuliert es der deutsche Filmjournalist Christoph Peterson. Wenn Caviezel etwa im Podcast des Ex-Chefs der Website Breitbart, Steve Bannon, erzählt, dass der Handel mit Adrenochrom von gefolterten Kindern ein Milliardengeschäft sei, dann erreiche man schnell die dafür empfängliche Zielgruppe.

Und so war es in den sozialen Netzwerken zu beobachten, wie zusätzlich zu den oben genannten Verschwörungstheorien plötzlich von Kinobesuchern behauptet wurde, dass Klimaanlagen in den Sälen absichtlich abgeschaltet worden seien oder der Sound zu leise aufgedreht gewesen sei. Die Vorwürfe gegen die Kinokette AMC, die den Film aktuell in den USA möglich macht, ließen sogar deren Chef Adam Aron auf Twitter antworten, dass diese Aussagen nur von "Bots" oder "Hatern" kommen könnten. Man habe den Film in 570 Kinos bereits über 3.000-mal gezeigt, erklärt Aron, weshalb er sich diese Art der Desinformation nicht erklären kann.

Rechtes Amerika

Produzent Eduardo Verástegui, der ebenfalls bei Bannon im Podcast geladen war, versuchte die aufkommende Polarisierung rund um den Film mit den Worten zu deeskalieren, dass die "politischen Unterschiede" in der Diskussion "beiseitegelegt werden sollen", um die eigentliche Anti-Kinderhandel-Message in den Vordergrund zu stellen. Sängerin Jewel stellte ein Video online, in dem sie sagt, der Film sei "weder rechts noch links". Die Medien sollten nicht versuchen, den Film zu politischen Zwecken zu missbrauchen.

Wann und ob der Film in Europa zu sehen sein wird, steht aktuell noch nicht fest. Fast wäre er wohl auf Twitter gelandet, zumindest wenn es nach Elon Musk ginge. Dieser bot vor wenigen Wochen an, den Film für eine "bestimmte Zeit" auf seiner Plattform zur Verfügung zu stellen. Die Einnahmen durch neue Twitter-Abonnenten würde man an das Projekt weitergeben. Obwohl der Social-Media-Kanal des Films antwortete, "lass uns darüber reden", schien nichts aus diesen Plänen geworden zu sein. 

Nun läuft das Drama im Kino. In den USA ist "der Lieblingsfilm des rechten Amerikas", wie "Die Welt" titelt, gerade auf Platz drei, hinter "The Red Door" und dem neuen "Indiana Jones". Am US-amerikanischen Unabhängigkeitstag war er sogar kurzzeitig auf Platz eins. (aam, 14.7.2023)