Männer, gemeinsam im Bett - aber nicht nur. Bisexuelle Männer seien
Männer, gemeinsam im Bett – aber nicht nur. Bisexuelle Männer seien "keine richtigen Männer", und Frauen fehle ein "richtiger Mann", heißt es oft.
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Bisexuelle Menschen sind bis heute kaum sichtbar. Während etwa im Job viele voneinander wissen, ob sie homo- oder heterosexuell sind, wissen wohl die wenigsten von bisexuellen Kolleg:innen. Am stärksten sind noch immer heterosexuelle Menschen repräsentiert, gefolgt von schwulen Männern, sagt Umut C. Özdemir, approbierter Psychotherapeut, Gruppenpsychotherapeut sowie Paar- und Sexualtherapeut in Berlin. "Bisexuelle Menschen werden tatsächlich oft vergessen und von manchen Menschen nicht ernst genommen."  

Ein Stück weit liegt das auch daran, dass die Definition und Wahrnehmung von Bisexualität nicht ganz klar sind. Auch unter queeren Menschen sind die Positionen dazu unterschiedlich, sagt Özdemir, der auch auf Tiktok und Instragram Aufklärungskanäle betreibt. So gebe es bisexuelle Menschen, die sowohl an Cis-Männern- und Frauen als auch an nichtbinären Menschen sowie Transpersonen, kurz, die an allen Menschen ein romantisches und sexuelles Interesse haben. Dies fällt auch unter den Begriff pansexuell, und viele bisexuelle Menschen verstehen ihre Sexualität genauso. Für andere bisexuelle Menschen passt das wiederum nicht, und sie interessieren sich ausschließlich für Männer und Frauen. "Wir haben keine allgemeingültigen Definitionen, wenn wir von 'queeren' und 'bisexuellen' Menschen sprechen", meint Özdemir. Der Einfachheit halber alle, auch bisexuelle, unter "queer" zu subsumieren wäre aber auch schwierig.

Nur unentschlossen?

"Queer sind quasi alle, die nicht hetero sind", erklärt Özdemir. "Queer" könne sich aber auch nur auf die eigene Geschlechterrolle beziehen und darauf, dass man nicht traditionellen Geschlechterbilder entspricht – und das hat erst einmal nichts mit der sexuellen Orientierung zu tun. Zudem sei die explizierte Benennung von Bisexualität ein wichtiges Zeichen, dass man Menschen mit dieser sexuellen Orientierung ernst nimmt, ist der Psychotherapeut überzeugt.

Umut C. Özdemir ist Psychotherapeut, Paar- und Sexualtherapeut.
Umut C. Özdemir 2020 gründete den ersten deutschsprachigen Aufklärungskanal auf Tiktok und leistet sexualpsychologische und psychotherapeutische Aufklärungsarbeit auf Instagram.
Mehran Djojan

Denn genau damit kämpfen viele bisexuelle Menschen. "Die Option Bi kommt viele Menschen gar nicht in den Sinn, wenn jemand nicht hetero ist." Bisexuelle würden schnell in eine Schublade gesteckt – und das ist dann lesbisch oder schwul, sagt Özdemir. Eine häufige Reaktion gegenüber bisexuellen Menschen sei auch, dass "die einfach unentschlossen" seien.

Die Probleme bisexueller Menschen unterscheiden sich auch nach Geschlecht: Eine bisexuelle Frau muss sich Sätze wie folgenden anhören: "Na ja, du brauchst halt einen richtigen Mann – dann würdest du nicht mit Frauen schlafen wollen." Und ein bisexueller Mann wird von der Gesellschaft sanktioniert, weil er angeblich ja kein Mann sei. Özdemir: "Männlichkeit ist das Nonplusultra, entweder zum Bekehren bisexueller Frauen oder weil der bisexuelle Mann sich nicht männlich genug verhält."

Fantasie und Verhalten

Auch innerhalb queerer Communitys werden Bisexuelle eher diskriminiert. Befragungen zeigen, dass sich bis heute sowohl Lesben als auch Schwule, aber auch Hetero-Menschen zwar Sex mit ihnen vorstellen können, aber einer Beziehung mit ihnen stehen viele skeptisch gegenüber. Özdemir erklärt das damit, dass bisexuellen Menschen oft unterstellt wird, sie würden eher fremdgehen, weil für sie nicht nur Männer oder Frauen potenzielle Sexualpartner:innen sind. Dabei werde aber vergessen: "Wenn wir uns auf eine monogame Beziehung einlassen, treffen wir eine Entscheidung – und diese Entscheidung kann man beibehalten oder auch nicht. Bisexuelle Menschen können genauso fremdgehen wie heterosexuelle." Letztlich sei es egal, ob ein lesbisches, schwules, bisexuelles oder heterosexuelles Paar: Man findet trotzdem andere Menschen attraktiv. Das müsse aber nicht gleich bedeuteten, mit ihnen Sex zu haben, so der Sexualtherapeut. "Fantasie und Verhalten sind zwei Paar Schuhe."

Özdemir beobachtet jedenfalls eine gesellschaftliche Veränderung. Viele junge Menschen würden heute traditionelle, konservative Geschlechterbilder bewusst ablehnen, und das Repertoire erweitert sich. Junge Frauen fragen sich, warum sie sich die Körperbehaarung rasieren sollen, wenn Männer das auch nicht machen. Oder wir sehen an jungen Männern Perlenketten oder lackierte Nägel. "Das war vor 15 Jahren noch undenkbar." (Beate Hausbichler, 14.7.2023)

Daniel*: "In meinem Arbeitsumfeld bin ich nicht geoutet" 

Ich habe mir schon in meiner Schulzeit darüber Gedanken gemacht, mit 18 oder 19 habe ich dann meine Bisexualität nach außen getragen. Damals war ich schon mit Leuten befreundet, die sehr offen mit dem Thema umgegangen sind. Auch für meine Eltern oder meine Schwester ist das kein Problem, beim Studium auch nicht. Aber vor älteren Verwandten würde ich mich nicht outen. Wenn mich jemand direkt danach fragt, würde ich aber nicht lügen. In meinem Arbeitsumfeld bin ich auch nicht geoutet – man bekommt doch oft Kommentare mit, weniger über Bisexualität als über Homosexualität, über die gern gewitzelt wird.

Heute, mit Anfang 20, bin ich mit einer heterosexuellen Frau zusammen, sie ist sehr unterstützend und auch selbst in einem sehr queerem Umfeld. Aber ich kann mir vorstellen, dass das Gefühl belastend sein kann, der oder dem Partner:in nicht alles bieten zu können, was er oder sie braucht. Da ist es einfach wichtig zu reden.

Wenn man mit jemanden des anderen Geschlechts zusammen ist, hat man als bisexueller Mensch eine relativ angenehme Position. Wenn man homosexuell ist und man den Partner oder die Partnerin irgendwohin mitnimmt, ist das immer eine Art Outing – ob man will oder nicht. Doch als bisexueller Mensch kann man meist recht gut vor sich hinleben, ohne sich zu outen. Ich selbst habe nie mit mir gekämpft – doch natürlich war es schönes Gefühl, dass man seine Identität irgendwann besser verstanden hat.

In hatte zwar schon was mit Männern, war aber noch nie in einer Beziehung mit einem – ich könnte es mir aber vorstellen. Es gibt das Klischee, dass sich Bisexuelle nicht im Griff hätten – doch im Umgang mit Treue spielt meine Sexualität überhaupt keine Rolle.

Laura: "Ich bin sehr stolz auf mich"

Als in meiner Jugend Pornos Thema geworden sind, sind Fragen für mich aufgekommen. Bin ich lesbisch, weil mich vor allem Frauen interessieren? Ich bin das länger immer wieder mit mir durchgegangen. Als ich das erste Mal erkannt habe, dass ich auch für Frauen Gefühle entwickle, dachte ich, ich sei lesbisch. Meine ersten Beziehungen hatte ich aber dann doch mit Männern, und es zeigte sich, dass ich bi bin. Ich bin jetzt 23 und seit fünf Jahren mit einem heterosexuellen Mann zusammen. Eine Beziehung mit Frauen kann ich mir derzeit nicht vorstellen.

Wir haben zwar keine offene Beziehung, aber es ist mit meinem Partner ausgemacht, dass ich was mit Frauen haben darf. Die Bedingungen: Dass ich es ihm davor sage und erzähle, wer die Person ist. Er gibt mir da sehr viele Freiheiten, solange alles offen kommuniziert wird. Derzeit ist es nur eine sehr gute Freundin, mit der ich gelegentlich Sex habe – und davon weiß mein Partner.

Mein Partner weiß über meine Sexualität Bescheid, seit wir zusammen sind. Was Outings betrifft, halte ich es so: Wenn es passt, gehe ich offen damit um. Wenn es in der Familie oder in der Arbeit Gesprächsthema wird, dann stehe ich natürlich zu mir selbst. Allerdings würde ich nicht in einem Job reinspazieren und sagen: "Hallo, ich bin die Laura und bisexuell." Es ist für mich auch eine Sache des Feingefühls, wem ich das preisgebe und wem nicht.

Ich hatte nie ein Problem damit, mir meine Bisexualität einzugestehen. Ich bin sehr zufrieden damit auch sehr stolz auf mich.

Fabian: "Es ist ein Unterschied, ob man es weiß oder wirklich akzeptiert"

Ich finde es schon wichtig, bisexuell ausdrücklich zu sagen. Alle bisexuellen Menschen sind queer, aber nicht alle queeren Menschen sind bisexuell. Queer ist nur ein Oberbegriff. Bisexualität ist nicht im Bewusstsein der Gesellschaft. Obwohl alle wissen, was Bisexualität ist, ist kaum jemand darauf eingestellt, und es wird davon ausgegangen, dass man heterosexuell oder homosexuell ist. Wenn ich zum Beispiel über Männer spreche, werde ich gefragt, ob ich schwul bin, und nie, ob ich bisexuell bin. Deshalb sage ich das auch immer sehr klar.

Mir ist seit fast zwei Jahren bewusst, dass ich bisexuell bin. Ich bin 21, also mit etwa 19 Jahren. Allerdings wusste ich es schon seit ich 15 bin, aber ich konnte es damals nicht akzeptieren. Es ist ein Unterschied, ob man es weiß oder auch wirklich akzeptiert, für Letzteres brauchte ich länger. Beziehungen kann ich mir heute mit Männern und mit Frauen vorstellen.

Ich mache meine Bisexualität nicht aktiv zum Thema, aber wenn es etwa um Beziehungen oder Sex geht, dann verstecke ich mich nicht – grundsätzlich finde ich aber, es sollt keine Rolle spielen.

Canan: "Ich habe mich für die Monogamie entschieden"

Mir ist etwa mit 15 Jahren klar geworden, dass ich bisexuell bin. In dem Alter war ich auch zum ersten Mal in eine Frau verliebt. Ich bin 22 und heute in einer Beziehung mit einem heterosexuellen Mann. Ich war dem Gedanken einer offenen Beziehung nie abgeneigt, habe mich aber in meiner Partnerschaft für die Monogamie entschieden. Um meine Sexualität ausleben zu können, reicht mir mein Partner vollkommen. Es passt für mich jetzt, und es fehlt mir nichts.

Mein Partner akzeptiert zwar meine Sexualität zu 100 Prozent – manchmal merke ich aber schon, dass er das Gefühl hat, er könne nicht alle meine Bedürfnisse befriedigen. Wenn der Partner selbst nicht bisexuell ist, bleibt dieses Thema wohl nicht aus – und man muss auch darüber sprechen,  damit der Partner besser verstehen und vertrauen kann.

Beim Job war ich anfangs nicht sicher, ob ich es erwähnen soll, und habe mir die Frage gestellt, ob das am Arbeitsplatz überhaupt wichtig ist. Ich arbeite seit kurzem in einem Kindergarten, wo sich schnell herausstellt hat, dass auch einige andere im Team queer sind. Im Endeffekt bin ich froh, dass wir offen darüber gesprochen haben. Letztlich kommt es aber sehr auf den Arbeitsplatz und das Verhältnis zu den Kolleg:innen an.