Einhausung der Tauernautobahn A10 bei Zederhaus im Lungau
Die Tauernautobahn führt zwar mitten durch das Bergdorf Zederhaus, ist aber inzwischen in einem 1,5 Kilometer langen Lärmschutztunnel "verschwunden".
Foto: Franz Moser

Wer in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vom Lungauer Zederhaus in die Landeshauptstadt Salzburg zu einem Behördentermin musste, hatte eine zweitägige Reise einzuplanen. Es ging zu Fuß über die 2236 Meter hohe Taferlscharte am Alpenhauptkamm nach Flachau und weiter mit dem Zug in die Stadt. Auf dem Rückweg erzwang der Fahrplan eine Übernachtung, und man kam erst tags darauf am Vormittag wieder zu Hause an.

Mit der Motorisierung rückte die Stadt ein gutes Stück näher: Über die Strecke Mauterndorf–Radstädter Tauern–Radstadt lag der Rekord in den 1960er-Jahren bei etwa dreieinhalb Stunden.

Lage von Zederhaus an der A10 in der Mitte von Österreich
Grafik: Der Standard

Dann das Jahr 1975: Für das abgeschiedene Bergdorf begann eine ganz neue Zeitrechnung. Mit der Tauernautobahn und dem Tauerntunnel rückte Zederhaus von einem Tag auf den anderen ins Zentrum Österreichs. Die Landeshauptstadt Salzburg war plötzlich in etwas mehr als einer Stunde erreichbar.

Fluch und Segen

"Die Autobahn ist mehr Segen als Fluch", sagt heute der junge Bürgermeister Thomas Kößler (ÖVP) im STANDARD-Gespräch. Zederhaus sei der am besten aufgeschlossene Ort im Lungau. Kößler meint damit die Möglichkeiten für Pendler und Pendlerinnen oder für Studenten und Studentinnen, vom Lungau in den wirtschaftsstärkeren Norden zu gelangen. Der Ort verfügt über einen Autobahnhalbanschluss Fahrtrichtung Landeshauptstadt. Die Bevölkerungsstatistik gibt Kößler recht: Während andere Seitentäler des Lungaus zunehmend entvölkert werden, bleibt in dem knapp 1200 Einwohner zählenden Zederhaus die Einwohnerzahl stabil.

So positiv, wie es Kößler formuliert, hat man die A10 in dem engen Tal nicht immer gesehen. Der zunehmende Verkehr verwandelte das Dorf in eine Transithölle. "Bei einem Begräbnis hast du am Friedhof den Pfarrer nicht mehr verstanden", erzählt der Vorgänger Kößlers im Bürgermeisteramt Alfred Pfeifenberger. Anfang der 1990er-Jahre reichte es den Menschen schließlich, es kam zu Demonstrationen und einer Autobahnbesetzung.

Die zweite Röhre

Dann war plötzlich von einem Tag auf den anderen wieder alles anders: Am 29. Mai 1999 fuhr ein Lkw im Tunnel auf eine stehende Kolonne auf. In der Folge kam es zu einem verheerenden Brand, zwölf Menschen starben, der Tunnel war stark beschädigt und musste monatelang gesperrt bleiben. Plötzlich war es wieder still im Zederhaus-Tal.

Wer heute, rund ein Vierteljahrhundert nach der Katastrophe, beim Kirchenwirt auf dem Hausbankerl sitzt, hört ein Rauschen. Es ist aber nicht die nur wenige Meter entfernte Autobahn, es ist nur der Zederhausbach zu hören, der glucksend und gurgelnd durch das Dorf rinnt. Und das, obschon im Jahresmittel täglich fast 25.000 Fahrzeuge die Zählstelle Zederhaus passieren; an Spitzentagen wie aktuell in der Ferienreisezeit sind es knapp 50.000 Fahrzeuge. Tendenz laut Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (Asfinag) steigend. Die Stauberater werden diesen Sommer auf der Tauernautobahn wieder Hochsaison haben; das Land Salzburg versucht, mit Abfahrtssperren den Umgehungsverkehr durch die Anrainergemeinden einzudämmen.

Seit 2017 ist die Autobahn im Bereich Zederhaus auf rund 1,5 Kilometer Länge tiefer gelegt und vollständig eingehaust. 70 Millionen Euro hat das Projekt gekostet und dem Ort sein Leben zurückgegeben. "Heute hört man sogar den Hahn wieder von der Talseite gegenüber schreien", fasst Altbürgermeister Pfeifenberger die wiedergewonnene Lebensqualität zusammen.

Dass die A10 "versteckt" wurde, hat mit dem Unfall im Mai 1999 zu tun. Damals wurde schnell klar, dass der bisher mit Gegenverkehr geführte Tauerntunnel zweiröhrig ausgebaut werden muss. Die zweite Röhre wurde 2011 dem Verkehr übergeben. Die Zederhauser haben ihre Chance gewittert und ihre Zustimmung zum Tunnelausbau mit einer großzügigen Einhausung junktimiert.

Baustelle der Einhausung Zederhaus an der A10 Tauernautobahn
Das Baustellenfoto der Einhausung Zederhaus verdeutlicht die Enge des Tales und wie Nahe die Tauernautobahn A10 am Ortskern vorbeiführt.
Foto: Franz Moser

Anfangs habe es noch Widerstand im Ort gegen die zweite Tunnelröhre gegeben, berichtet Pfeifenberger. Selbst der Tiroler Antitransitpolitiker Fritz Gurgiser sei nach Zederhaus gekommen. Es habe auch Überlegungen gegeben, die Autobahn ganz in den Berg zu verlegen. Dies sei aber aufgrund geologischer Probleme verworfen worden. Als dann die Pläne für die Einhausung konkreter wurden, sei klar gewesen, dass es nur eine Erleichterung für den Ort geben werde, "wenn alle an einem Strang ziehen". Der Widerstand gegen die zweite Röhre war vorbei.

Parallel zum Bau der Einhausung musste Zederhaus aber auch selbst investieren: Vieles an der einst miserablen Luftqualität sei nämlich hausgemacht gewesen, sagt Pfeifenberger. Die Emissionen des Hausbrandes seien vor allem im Winter im Kältesee des Gebirgstals liegen geblieben. Erst mit dem Bau des Heizkraftwerks habe sich die Luftqualität wesentlich verbessert. Die Abgasbelastung durch den Transitverkehr ist allerdings geblieben.

Sanfter Tourismus

Mit der Einhausung im Bereich des Dorfzentrums und den mächtigen Lärmschutzbauten entlang der übrigen Strecke zwischen Tunnel im Norden und Mautstelle St. Michael im Süden wachsen auch die Hoffnungen, den Tourismus etwas anzukurbeln.

Touristisches Herzstück in Zederhaus ist das Riedingtal. Dieses Seitental führt entlang des Südrandes der Niederen Tauern direkt vom Tauerntunnel-Südportal nach Westen und ist seit 2003 ein offizieller Naturpark. Der überwiegende Teil der Gäste kommt mit dem Pkw über die schmale Gemeindestraße und die darauf folgende Mautstraße hierher. In Zederhaus weiß man um den Nachholbedarf in Sachen sanfte Mobilität, man arbeite an Konzepten, sagt Bürgermeister Kößler.

Der erste Schritt wäre wohl eine Fahrplanerweiterung für den Tälerbus ins Riedingtal. Dieser Bus fährt derzeit nur in der Ferienzeit, dann ist Schluss. Der für einen Wanderurlaub so beliebte goldene Herbst wird derzeit nicht bedient. Es wird aber noch etwas dauern: 2024 wird vom Salzburger Verkehrsverbund, dem Regionalverband und den Gemeinden der gesamte Fahrplan für den Lungau neu geplant und ausgeschrieben. Neuer Fahrplan: frühestens 2025. (Thomas Neuhold, 13.7.2023)