Künstlerin oder Aktionistin, solche Begriffe hat Anna Brus stets abgelehnt, wenn es um ihre Person ging. Obwohl sie mit den berühmten Mitgliedern der Wiener Aktionisten in einer Zeit, als diese Kunstgeschichte schrieben, in deren Zentrum mitdiskutierte und mitplante. Ihre bevorzugte Bezeichnung blieb aber Mitarbeiterin der Aktionisten, wie sie dem STANDARD in einem Interview 2018 erzählte.

Anna und Günter Brus in der Aktion Vitriolkabinett 1966.
Anna und Günter Brus bei der Aktion "Vitriolkabinett" 1966.
Foto: Ludwig Hoffenreich

"Ana – Ihr Leben mit den Wiener Aktionisten" heißt eine sehenswerte Ausstellung im Grazer Bruseum, die aus einer Fülle von Fotos, Filmen und Originaldokumenten schöpft. Die von Roman Grabner kuratierte Schau ist eine lange überfällige Würdigung des Einflusses von Anna Brus auf jene Kunst im Nachkriegsösterreich, die mit dem düsteren Erbe der Nazizeit radikal brach und den Kunstbegriff nachhaltig und gegen Widerstände erweiterte. Weg von der Leinwand hin zum eigenen Körper lautete eine Devise. Es sind Biografien wie jene von Anna Brus, die zeigen, wie selbst in revolutionären Phasen die Frauen immer noch ein Stück härter kämpfen mussten. Gerade in der Frage der Selbstbestimmung über den eigenen Körper.

Keine Muse

Als Ana Steiner 1943 im kroatischen Viškovci geboren und als Kind von Vertriebenen zum Kriegsende nach Österreich eingewandert, lernt die aus einfachsten Verhältnissen stammende Anna ihre Lebensliebe Günter Brus Ende der 1950er im steirischen Lannach kennen. Sie wird seine Ehefrau, Geschäftspartnerin, Kunstmanagerin, Mitakteurin und Mutter der gemeinsamen Tochter Diana. Muse sollte man sie nicht nennen, wenn man die heute 80-Jährige bei Laune halten will.

Das Paar zog zuerst nach Wien, wo sie 1968 nach der legendären Aktion "Kunst und Revolution" im Hörsaal 1 des NIG der Uni Wien den gebündelten Hass der Boulevardmedien und der aufgehetzten Bevölkerung zu spüren bekamen. Während Günter Brus wegen Herabwürdigung von Staatssymbolen im Gefängnis saß, sammelten Wienerinnen und Wiener Unterschriften, um Anna ihr Kind wegnehmen zu können. Das Paar floh nach Westberlin, wo es eine freiere, progressivere Kunstszene und Stadt kennen- und lieben lernte, unter anderem in Ossi Wieners legendärem Lokal "Exil" in Kreuzberg. Die gelernte Schneiderin Anna ernährte die Familie, ihr Mann konnte seine Kunst weiterentwickeln. Auch ihre textilen Fertigkeiten fanden Eingang in die Kunst und die Ausstellung. Nach Wien kehrte die Familie nie zurück, heute leben sie in Graz.

Nackt aus Liebe

Im Bruseum kann man der Geschichte von Anna Brus von der ersten der vielen gemeinsamen Aktionen nachspüren. Diese hieß nach der kroatischen Version ihres Namens "Ana", und für sie wälzte sich das Paar 1964 in einem komplett in weiße Farbe getauchten Raum. Anna zeigte sich dafür erstmals nackt vor anderen Menschen. Zunächst eine große Überwindung, die sie aus Liebe schaffte, wie sie erzählt. Sie war auch Akteurin in Arbeiten Otto Muehls, wie dem "Nahrungsmitteltest" (1966), oder in Aktionen von Rudolf Schwarzkogler, der Anna Brus besonders zugetan war, wie sie in einem der kurzweiligen und berührenden Videointerviews erzählt, die in der Ausstellung zu sehen sind.

Anna Brus erinnert sich darin eloquent und witzig auch an die pragmatischen Seiten der Kunstaktionen, etwa als sie Kübel voll Blut und Gedärmen in einem Schlachthof oder Unmengen von Kondomen in der Apotheke für Hermann Nitsch besorgte. Bemerkenswert ist auch die Erzählung, wie Annas Mutter vom Land nach Wien reiste, um das in einem Zimmer lebende arme Paar zu besuchen. Dort erkannte die Schwiegermutter früh die Kunst von Günter Brus und sagte ihm eine große Zukunft voraus. Ein weiterer Beweis dafür, dass man öfter und früher auf Frauen hören sollte. (Colette M. Schmidt, 17.7.2023)