Bis in die höchsten politischen Ämter hinein ist die unabhängige Justiz in Österreich ein Eckpfeiler rechtsstaatlicher Verhältnisse. Das zeigen nicht zuletzt die Ermittlungen zur Chataffäre. Insofern gilt es aufzuhorchen, wenn die Präsidentin eines Oberlandesgerichts (OLG) von der "Blockade" einer für das Rechtswesen zentralen Postenbesetzung spricht.

Katharina Lehmayer OLG-Präsidentin
"Blockade" eines Gerichts: OLG-Präsidentin Katharina Lehmayer bei Martin Thür in der "ZiB 2".
ZiB 2 ORF Screenshot

Genau das jedoch tat Katharina Lehmayer, Chefin des OLG Wien, Donnerstagabend im "ZiB 2"-Interview mit Martin Thür – ruhig und in zugewandtem Ton, aber klar und deutlich: "Wir haben auch einen Vizekanzler, und trotzdem stellt niemand in Frage, dass es notwendig ist, dass wir auch einen Bundeskanzler haben", sagte sie.

Leitungs- und damit in übertragenem Sinn kanzlerlos ist seit nunmehr sieben Monaten das Bundesverwaltungsgericht (BVwG), das wichtigste Kontrollorgan behördlicher Entscheidungen. Dem Vorschlag der Besetzungskommission leistet die Regierung nicht Folge. Laut einem koalitionären Sideletter soll die Entscheidung über den Spitzenjob der ÖVP zustehen und mit jenem des Leiters der Bundeswettbewerbsbehörde junktimiert sein.

Pikante Parteinähe

Für diese Stelle wiederum soll pikanterweise der derzeitige interimistische BVwG-Chef im Gespräch sein. Ihm wird eine gewisse ÖVP-Nähe nachgesagt.

Diese Kabale kommentierte Lehmayer nicht. "Da bin ich leider die falsche Ansprechpartnerin", antwortete sie auf die Frage Thürs, warum "das eine Partei so macht". Stattdessen plädierte sie für die Entkopplung derartiger Entscheidungen von der Politik. Ohne echte Leitung seien interne Verbesserungen im BVwG nicht möglich. Tatsächlich schwächt das ein Gericht – ein rechtsstaatliches Risiko. (Irene Brickner, 14.7.2023)