Rote Mordwanze auf Sommerflieder
Eine Rote Mordwanze sitzt selbstbewusst auf dem Sommerflieder. (Belichtungszeit 1/800 Sek., Blende 7.1, Lichtempfindlichkeit ISO 1000, Brennweite 600 mm am APS-C-Sensor entspricht Bildwirkung v. 900 mm umgerechnet aufs Kleinbildformat)
Michael Simoner

Welche Filme kennen Sie, in denen Tiere die Bösewichte spielen? Mit fallen auf die Schnelle "Der weiße Hai", "Die Vögel" und "Anaconda" ein. Da ich kein Horrorexperte bin, hab ich gegoogelt und festgestellt, dass sogar schon einmal ein genmanipuliertes Schaf zum Filmmonster mutierte. Der Titel "Kiffer vs. Killer Mosquitos" wiederum hat mich neugierig gemacht, mal schauen, wo man das streamen kann. 

Ein Wunder eigentlich, dass Hollywood noch nicht die Mordwanze entdeckt hat. Die gibt es nämlich wirklich. Mir ist unlängst im Gartendschungel eine Rote Mordwanze (Rhynocoris iracundus) begegnet. Pardon, eine Rote mutmaßliche Mordwanze natürlich. Sie gehört zur Familie der Raubwanzen, für alle gilt selbstverständlich die Unschuldsvermutung. 

Tiere nicht sekkieren

Wir Menschen haben diesen Insekten übel beleumundete Namen gegeben, weil sie sich räuberisch ernähren. Das tun zwar auch Hunde und Katzen, wenn sie nicht gefüttert werden (und manchmal auch, obwohl sie ihr Dosenfressi bekommen), aber die Haustierlobby für Wanzen ist, sagen wir mal, ausbaufähig. Zur Ehrenrettung der Ordnung der Schnabelkerfen sei noch erwähnt, dass es viele Arten gibt, die nur Pflanzensäfte saugen.  

Unsere Rote Mordwanze jedenfalls geht auf die Jagd und erbeutet nicht selten Insekten und Spinnen, die wesentlich größer sind als sie. Das künftige Lunchpaket wird mit Gift gelähmt, und dann kommt der kräftige Saugrüssel zum Einsatz. Im Gegensatz zu anderen Wanzen können die Rote Mordwanze und ihre Cousine, die Geringelte Mordwanze, zur Verteidigung auch durch die menschliche Haut stechen. Das ist angeblich schmerzhafter als der Stich einer Biene. Aber solange wir die Tiere nicht sekkieren, müssen wir nichts befürchten. 

Lebensraum gefährdet

Wie alle Wanzen häutet sich die Mordwanze fünf Mal, dabei wird sie der fertigen Imago immer ähnlicher. Im Biounterricht haben Sie das vielleicht als "unvollkommene Metamorphose" kennengelernt – bei der "vollkommenen Metamorphose" kommt nach dem Larvenstadium das Puppenstadium. In der Puppe entsteht ein völlig anderes Lebewesen, ein Schmetterling hat mit seiner Raupe keine Ähnlichkeit mehr.

Bemerkenswert ist, dass die Rote Mordwanze, wie der Name schon verrät, keine Tarnfarbe besitzt. Sie ist rot, auffällig gemustert und kann bei Gefahr zirpen. Ihr größter Feind ist der Mensch, der ihr mit Flurbereinigung und Pflanzenschutzmitteln das Überleben schwermacht. In Deutschland wurde die Art in der Roten Liste gefährdeter Tiere bereits auf die Vorwarnstufe gesetzt. Eigentlich ist der Mensch der Mutmaßliche. (Michael Simoner, 19.7.2023)

Rote Mordwanze im Gras
Eine Rote Mordwanze in voller Pracht. (1/640 Sek., f8, ISO 280, 105 mm Makro, Vollformat)
Michael Simoner
Rote Mordwanze im Gras
Dieses Exemplar ist mir in tieferen Regionen des Gartendschungels begegnet. (1/500 Sek., f8, ISO 450, 105 mm Makro)
Michael Simoner
Rote Mordwanze im Gras
Die Mordwanze ist sehr flink zu Fuß, kann aber auch gut fliegen. (1/500 Sek., f8, ISO 280, 105 mm Makro)
Michael Simoner
Rote Mordwanze im Gras
Bei Gefahr kann sie auch zirpen. (1/640 Sek., f8, ISO 450, 105 mm Makro)
Michael Simoner