Maria Sterkl aus Jerusalem

Archäologie Westjordanland Siedlung
Israels Premier besucht immer wieder archäologische Stätten im Westjordanland, hier nahe Jericho.
AP/Ariel Schalit)

Es klingt nach einer guten Nachricht: Knapp 27 Millionen Euro will die israelische Regierung in archäologische Projekte stecken. Ein Blick in die Details zeigt jedoch, dass sich diese Projekte im Westjordanland befinden – und damit auf einem Gebiet, das Israel militärisch besetzt hält. Mehr als 600 Ausgrabungsstätten, die der Regierungsplan anführt, befinden sich sogar in jenen Zonen, die der Kontrolle der Palästinenserbehörde unterstehen. Wenn israelische Archäologen dort graben, müssten sie also erst eine Lizenz der Behörde in Ramallah einholen. In der Vergangenheit haben israelische Archäologen, die in der Westbank niedergelassen sind, gegen diese Pflicht häufig verstoßen. Indem Israels Regierung diese Projekte nun in den Budgetunterlagen auflistet, werden diese illegalen Projekte quasi mit einem offiziellen Staatsstempel versehen.

Es ist der Moment, auf den Siedlerorganisationen lange gewartet haben. Sie drängten darauf, Tausende Ausgrabungsstellen, die sich teilweise in palästinensischem Privatbesitz befinden, "unter israelischen Schutz" zu stellen, wie sie es nennen. Indem dieses Gebiet zum Ausgrabungsgebiet erklärt wird, kann es den Eigentümern entzogen werden – und zwar ohne einen internationalen Aufschrei zu bewirken, wie man ihn bei der Gründung einer neuen Siedlung zu befürchten hätte.

Schleichende Annexion

Wie vergangene Projekte zeigen, münden die archäologischen Projekte aber oft in neue Siedlungen: Aus der Ausgrabungsstätte wird dann ein archäologischer Themenpark, der Touristen anlockt, die dann wiederum nach touristischer Infrastruktur verlangen, also Herbergen und Gastronomie. Nach und nach bilden sich rundherum auch neue Siedlerwohnungen. Die palästinensischen Bewohner und Grundbesitzer werden schleichend verdrängt.

Emek Shaveh, eine israelische Organisation, die sich für gerechte archäologische Praxis einsetzt, sieht darin eine "schleichende Annexion".

Diese Entwicklung ist zwar schon seit Längerem im Gange, auch Vorgängerregierungen engagierten sich im Westjordanland. Die rechts-religiöse Koalition unter Benjamin Netanjahu macht aus ihrem Ansinnen erst gar keinen Hehl. Ziel der Investition in die Archäologie sei es, "langfristig wirtschaftlich nachhaltige" Tourismusprojekte zu lancieren, heißt es im Regierungsplan.

Rechtsextreme Partei mit Aufsicht betraut

Die Aufsicht über diese Pläne liegt ausgerechnet bei der rechtsextremen Partei Otzma Jehudit von Itamar Ben Gvir. Sie hatte sich bereits in den Koalitionsverhandlungen zusichern lassen, dass sie die Kontrolle über die israelische Archäologiebehörde erhält. So kam es, dass nun der Hardliner Amichai Eliyahu "Minister für kulturelles Erbe" und damit oberster Ausgrabungswächter Israels ist. Eliyahu möchte laut eigenen Angaben "das jüdische Erbe auf beiden Seiten der Grünen Linie zu bewahren", also auch im besetzten Westjordanland. Was nach einer kulturellen Mission klingt, ist auch politische Strategie. Man gewinnt nicht nur neues Land, sondern holt sich auch eine quasi akademisch besiegelte Lizenz für weitere Gebietsansprüche: Je mehr Ausgrabungsfunde darauf hinweisen, dass hier vor langer Zeit einmal Juden gelebt haben, desto klarer ergibt sich daraus Israels Recht, dieses Territorium für sich zu nutzen – so die Logik.

Am Montag sollen die neuen Investitionen in der Regierungssitzung in Jerusalem beschlossen werden, und damit einen Tag später als ursprünglich geplant. Grund dafür ist ein medizinischer Fall, der ganz Israel am Sonntag zum fröhlichen Gerüchteköcheln veranlasste: Benjamin Netanjahu hatte die Nacht auf Sonntag im Krankenhaus verbracht. Dass Netanjahu dies mit einem längeren Aufenthalt unter praller Sonne "ohne Hut und ohne Wasser" begründete, sorgte für Staunen, zumal Netanjahu von der kardiologischen Fachabteilung versorgt wurde. Der Leiter dieser Abteilung betonte jedenfalls, das Herz des Regierungschefs schlage durch und durch rhythmisch und der Gesundheitszustand des 73-Jährigen sei insgesamt "hervorragend".

Der Vorfall kam inmitten einer der schwersten Krisen der israelischen Demokratie: Die Koalition hält weiter daran fest, die Gewaltenteilung zu verändern. Für kommenden Dienstag sind im ganzen Land erneut Massenproteste geplant. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 17.7.2023)