Verzerrte Aufschrift
Ein 41-Jähriger muss sich wegen Verleumdung und falscher Beweisaussage vor Gericht verantworten. Er hatte einen Exekutivbeamten angezeigt, der ihn bei einer Vernehmung geschlagen haben soll.
APA / TOBIAS STEINMAURER

Wien – Unbestritten ist, dass Herr H. am 13. April nach einem Aufenthalt in einer Polizeiinspektion in Wien-Fünfhaus mit Verletzungen ins Spital kam. Die Frage, die Richter Martin Kampitsch im Prozess gegen den 41-Jährigen klären muss: Wie sind diese Verletzungen entstanden?

H. hatte angezeigt, ein Polizeibeamter habe ihm bei einer Einvernahme mehrmals mit der Faust ins Gesicht und in den Nacken geschlagen. Der Beamte dagegen sagt, H. habe sich selbst verletzt, indem er mit dem Gesicht auf den Tisch schlug. Die Ermittlungen gegen den Polizisten wurden eingestellt – denn der medizinische Sachverständige Wolfgang Denk war in einem Gutachten zu dem Schluss gekommen, dass die Verletzungsspuren von H. nicht mit dessen Schilderungen übereinstimmen würden. Daher sitzt der Staatenlose nun wegen Verleumdung und falscher Beweisaussage hier.

Verteidiger ortet Ungereimtheiten

Sein Verteidiger Helmut Graupner prangert das im Plädoyer an. Aus seiner Sicht gäbe es viele Merkwürdigkeiten: Ursprünglich sei der unbescholtene H. wegen beleidigender Facebook-Posts einvernommen worden, dabei soll es zu den Schlägen gekommen sein. Nach dem Angriff habe H. das bei einer anderen Inspektion angezeigt – die Polizisten dort riefen den ursprünglichen Beamten an, der die Festnahme aussprach und H. zu sich überstellen ließ. Nach zwei Stunden sei die Rettung verständigt worden, die Sanitäter notierten, Polizisten hätten ihnen gesagt, H. sei gegen eine Tür gelaufen. Erst nach 15 Stunden kam der Angeklagte auf freien Fuß, der Vorwurf der Beleidigung stellte sich später als falsch heraus.

Angeklagter ändert Schilderung

H. ändert in dem ungewöhnlich gründlichen Prozess seine Aussage ab: Von Faustschlägen in den Nacken spricht er nicht mehr, aus einer angeblichen Würgeattacke wird ein kurzes Wegdrücken. Der Polizist wiederum beruft sich auf seine ursprüngliche Meldung und will sich an Details nicht mehr erinnern können.

Eigentlich hängt also alles von Gutachter Denk ab, der neuerlich zur Entstehung der Verletzungen befragt wird. Sein Schluss: Mit der neuen Version des Angeklagten sei beides möglich – Tisch oder Faust.

Für weitere mögliche Tatzeugen vertagt Kampitsch auf den 14. August. (Michael Möseneder, 17.7.2023)