Computeranimiertes Gehirnmodell, das Alzheimer symbolisieren soll
Etwa 55 Millionen Menschen weltweit leiden an Alzheimer, Tendenz steigend. Heilung gibt es derzeit keine. Ein neues Medikament soll aber das Fortschreiten der Krankheit deutlich verlangsamen.
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Eine von fünf Personen über 85 leidet an Demenz. Bei den über 90-Jährigen ist sogar jede dritte Person betroffen. Demenzerkrankungen sind eine der ganz großen zukünftigen Herausforderungen unserer Gesellschaft. Rund 50 verschiedene Krankheiten werden unter diesem Begriff zusammengefasst. Die bekannteste davon ist Alzheimer, daran leiden etwa zwei Drittel der Betroffenen. Aktuell sind allein in Österreich rund 100.000 Menschen von einer Demenzform betroffen, Tendenz steigend. Schon im Jahr 2050 sollen es etwa 230.000 sein. Das liegt vor allem auch daran, dass die Menschen immer älter werden – und Demenz ist eine Krankheit des Alters.

Das alles überschattende Hauptproblem ist aber: Bei dieser Diagnose gibt es keine Heilung. Und auch die medikamentöse Behandlung kann den Verlauf im besten Fall verlangsamen. Allerdings wird intensiv an medikamentösen Therapien geforscht. Ein neues Alzheimer-Medikament des US-Pharmakonzerns Eli Lilly gibt nun neue Hoffnung.

Das Medikament, das unter dem Markennamen Donanemab vertrieben wird, wirkt offensichtlich im Frühstadium der Krankheit besser als gedacht. Bei Betroffenen verlangsamte das Mittel das Fortschreiten der hirnschädigenden Krankheit um 60 Prozent, das geht aus einer soeben veröffentlichten Studie hervor. Das ist eine fast doppelt so hohe Erfolgsrate, wie zuvor für die gesamte mit dem Medikament behandelte Gruppe ermittelt wurde. Die Daten unterstrichen, dass eine frühere Erkennung und Diagnose den Verlauf von Alzheimer wirklich verändern könne, erklärte Lilly-Vorstandsmitglied Anne White, zuständig für den Bereich Neurowissenschaften.

Risiko der Hirnschwellung

Allerdings birgt die Behandlung auch das Risiko der Hirnschwellung. Das ist eine bekannte Nebenwirkung von Alzheimer-Arzneimitteln. Bei mehr als 40 Prozent der Behandelten mit einer genetischen Veranlagung zur Alzheimer-Krankheit, die mit Donanemab behandelt worden sind, traten Hirnschwellungen auf. Das Pharmaunternehmen Lilly hatte zuvor berichtet, dass bei insgesamt 24 Prozent der gesamten Donanemab-Behandlungsgruppe Hirnschwellungen aufgetreten sind. Bei 31 Prozent der Studienteilnehmenden in der Donanemab-Gruppe kam es außerdem zu Hirnblutungen, verglichen mit etwa 14 Prozent in der Gruppe, die ein Placebo erhalten hatten. Zudem wurden drei Todesfälle mit der Behandlung in Verbindung gebracht.

"Diese Nebenwirkungen sollten nicht auf die leichte Schulter genommen werden", betont Studienleiterin Liana Apostolova, Professorin für Alzheimer-Forschung an der Indiana University School of Medicine. Die meisten Fälle ließen sich aber durch Überwachung mit Magnetresonanztomografie (MRT) oder Absetzen des Medikaments in den Griff bekommen. Ärztinnen und Ärzte müssten voraussichtlich "sehr strenge MRT-Sicherheitsuntersuchungen während der Behandlung dieser Patienten vornehmen". Das entwickelnde Pharmaunternehmen geht davon aus, dass die US-Arzneimittelbehörde FDA bis Ende des Jahres über die Zulassung von Donanemab entscheiden wird.

Wirkung auch nach Absetzen des Medikaments

Der US-Pharmakonzern hatte im Mai erste Daten veröffentlicht und erklärt, das alle Studienziele erreicht worden seien. Bei 1.182 Personen mit leichter kognitiver Beeinträchtigung oder leichter Demenz, deren Gehirn Ablagerungen von zwei wichtigen Alzheimer-Proteinen, Beta-Amyloid und Tau, aufwies, verlangsamte Donanemab den kognitiven Abbau um 29 Prozent im Vergleich zu einem Placebo. Bei Patienten mit hohem Tau-Gehalt verlangsamte das Mittel das Fortschreiten der Krankheit um etwa 17 Prozent. Bei Erkrankten mit niedrigem bis mittlerem Tau-Gehalt verlangsamte sich das Fortschreiten der Krankheit sogar um 35 Prozent.

Donanemab gehört wie das kürzlich zugelassene Biogen-Mittel Leqembi zu einer Klasse von Medikamenten, die darauf abzielen, das Fortschreiten von Alzheimer zu verlangsamen, indem sie Ablagerungen des Proteins Beta-Amyloid aus dem Gehirn entfernen. Nach Angaben von Lilly nahm der Behandlungseffekt von Donanemab im Vergleich zu einem Placebo im Laufe der 18-monatigen Studie weiter zu – selbst bei Teilnehmenden, die das Medikament abgesetzt hatten, nachdem ihre Amyloidablagerungen deutlich zurückgingen.

"Am Ende der Studie hatte der durchschnittliche Patient sieben Monate lang kein Medikament mehr eingenommen und profitierte dennoch weiter von der Behandlung", erklärte Lilly-Vorstandsmitglied White. Diese Ergebnisse stützten die These, dass Donanemab abgesetzt werden könne, sobald das Amyloid aus dem Gehirn abgebaut sei. Die vollständigen Studienergebnisse wurden auf der internationalen Konferenz der Alzheimer-Gesellschaft in Amsterdam vorgestellt und im Fachjournal "Jama" veröffentlicht. Ob bzw. wie intensiv das Mittel in Zukunft eingesetzt werden soll, ist noch nicht klar. "Ob die Schäden dieser Medikamente durch ihren bescheidenen klinischen Nutzen aufgewogen werden, wird letztlich nur durch weitere Daten zu klären sein", hieß es dazu im "Jama". (Reuters, Red., 17.7.2023)