Mithilfe einer gelben Kranschaufel wird in einem ukrainischen Hafen Getreide verladen.
Geht es nach Moskau, dann soll in ukrainischen Häfen vorerst kein Getreide mehr verladen werden. Kiew aber möchte an den Transporten festhalten.
AP/Andrew Kravchenko

Immer wieder hatte Russland in den vergangenen Tagen damit gedroht, am Montag gab sich der Kreml dann entschlossen: Das Abkommen, das trotz des Angriffskriegs gegen die Ukraine den Transport von ukrainischem Getreide, vor allem Mais und Weizen, über das Schwarze Meer ermöglicht hatte und am Montag um 24 Uhr auslief, sollte nicht verlängert werden.

Video: Das gekippte Getreideabkommen zwischen Russland und der Ukraine kurz erklärt
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Moskau hatte die Fortführung des Deals an Bedingungen geknüpft, die wiederum mit der Erleichterung eigener Exporte zu tun haben. Im Wesentlichen handelt es sich um den Wunsch nach Lockerung westlicher Wirtschaftssanktionen, zum Beispiel nach einer Wiederaufnahme der russischen Landwirtschaftsbank in das internationale Zahlungssystem Swift. Dadurch soll die Abwicklung von Bezahlungen für Ausfuhren aus Russland erleichtert werden.

Weitere Punkte in Moskaus Forderungskatalog: Russische Düngemittel sollen wieder über den ukrainischen Hafen Odessa exportiert, den beteiligten Unternehmen die entsprechenden finanziellen Aktivitäten erlaubt werden. Auch eine Pipeline für den Transport von Ammoniak soll wieder in Betrieb gehen, die Lieferung von Ersatzteilen nach Russland wieder gestattet sein.

Erst wenn alle diese Forderungen erfüllt seien, würde Moskau seinerseits wieder zur Erfüllung der Vereinbarung zurückkehren, sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow am Montag. Zuvor hatte bereits Präsident Wladimir Putin erklärt, dass für deren Verlängerung derzeit die Grundlagen fehlten.

Problem für die Ärmsten

Weltweit wuchs damit erneut die Sorge, dass Millionen Tonnen von ukrainischem Getreide nicht mehr über den Seeweg transportiert werden können. Vor allem für ärmere Regionen im Globalen Süden sind diese Exporte aber enorm wichtig. Für Länder in Afrika, im Nahen Osten und in Teilen Asiens sind die Ukraine und Russland selbst wichtige Lieferanten von Mais, Weizen, Gerste und anderen Nahrungsmitteln beziehungsweise Dünger.

Österreich kritisierte deshalb die Entscheidung Moskaus scharf: "Russland missbraucht damit zynisch Nahrung als Waffe und verschärft die durch den Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöste weltweite Nahrungsmittelkrise zunehmend", heißt es in einer Mitteilung des Außenministeriums in Wien. Man fordere Moskau "dringend auf, diese Entscheidung zu überdenken und einer weiteren Fortsetzung des Getreideabkommens zuzustimmen". Österreich plädiert zudem für eine längerfristige Lösung, um das bisher immer nur schrittweise verlängere Getreideabkommen nicht weiter zum Spielball geostrategischer Interessen zu machen.

Doch das ist vorerst Zukunftsmusik. Am Montag ging es eher um die Frage, wie rasch eine Wiederaufnahme des Deals überhaupt in die Wege geleitet werden kann. Hier gab sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan optimistisch, der das Abkommen vergangenen Sommer gemeinsam mit den Vereinten Nationen vermittelt hatte: Er denke, dass Putin "für eine Fortsetzung dieser humanitären Brücke ist", sagte Erdoğan am Montag.

Für August ist ein Besuch Putins in der Türkei geplant. Eine Verlängerung des Getreideabkommens noch vor diesem Termin sei möglich, glaubt der türkische Staatschef.

Explosion an Krim-Brücke

Das Abkommen sah unter anderem vor, dass Vertreter der Uno, Russlands, der Ukraine und der Türkei die ukrainischen Schiffsladungen kontrollieren. Kiew hat nun trotz fehlender Sicherheitsgarantien eine Fortsetzung angekündigt. Auch ohne Russland müsse man "alles tun, damit wir diesen Schwarzmeerkorridor nutzen können", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Montag vor Journalisten. Ihm zufolge seien Schiffseigner bereit, ukrainische Häfen für Getreidelieferungen anzulaufen. Das Abkommen zwischen der Ukraine, der Türkei und der Uno sei weiter in Kraft.

Spekulationen, das vorläufige Moskauer Aus für den Deal hänge auch mit Explosionen an der Krim-Brücke in der Nacht auf Montag zusammen, wies der Kreml aber zurück: "Das sind zwei nicht miteinander verbundene Ereignisse", so Peskow. Die Brücke ist eine wichtige Verkehrsverbindung zwischen der 2014 von Russland annektierten Halbinsel Krim und dem russischen Festland. Zudem gilt sie als Prestigeprojekt Wladimir Putins.

Bei dem Vorfall wurden laut russischen Behörden zwei Menschen getötet. Eine Jugendliche, angeblich die Tochter der beiden Toten, wurde demnach verletzt. Die drei sollen gemeinsam im Auto unterwegs auf die Krim gewesen sein.

Moskau machte die Ukraine für die Tat verantwortlich. Aus Kiew gab es dafür zunächst keine offizielle Bestätigung. Allerdings berichteten auch mehrere ukrainische Medien, der Inlandsgeheimdienst SBU und die Marine könnten die Attacke mit Überwasserdrohnen durchgeführt haben. Ein SBU-Sprecher zitierte frühere Aussagen von SBU-Chef Wasyl Maljuk, wonach es in einem Krieg gerechtfertigt sei, Versorgungsrouten des Feindes zu unterbrechen. (Gerald Schubert, 17.7.2023)