Wien – Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) will via Rot-Weiß-Rot-Karte bis 2027 pro Jahr mindestens 15.000 Fachkräfte aus Staaten von außerhalb der EU nach Österreich locken. Das teilte das Ministerium am Dienstag nach einer Gesprächsrunde mit Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sowie Vertreterinnen und Vertretern der Sozialpartner per Aussendung mit. Ziel sei es, gemeinsam "umfassende" Fachkräftestrategien zu erarbeiten, um den Personalmangel zu bekämpfen.
In Österreich lag die Zahl der offenen Stellen im Juni laut AMS bei 118.566, wobei zahlreiche Betriebe in verschiedenen Branchen seit längerer Zeit über akute Personalknappheit klagen. Entspannung ist aktuell keine in Sicht: Allein im Pflegesektor rechnet das Sozialministerium bis 2030 laut Mitteilung mit einem Mehrbedarf von rund 76.000 Beschäftigten.
Rot-Weiß-Rot-Karte laut AK kein "Allheilmittel"
Gefragt seien daher weiterhin Arbeitskräfte aus den EU-Mitgliedsstaaten, die nicht über die Rot-Weiß-Rot-Karte angeworben werden. Dazu wolle man verstärkt auf Vermittlungen durch das europäische Jobnetzwerk Eures setzen, so Kocher. Das auf diesem Wege rekrutierte Personal soll sich schrittweise auf 2.000 Personen pro Jahr erhöhen. Zur Reform der Rot-Weiß-Rot-Karte, die im Oktober 2022 in Kraft getreten ist, zog der Arbeitsminister via Twitter am Montagabend eine positive Bilanz. Im ersten Halbjahr seien rund 3.800 Karten ausgestellt worden, ein Plus von 47 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.

Zentral für die zukünftige Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland sei eine effizientere Gestaltung der Antragsverfahren. "Beispielsweise sollen die Verfahren, unter anderem bei der Bewilligung der Rot-Weiß-Rot-Karte, aber auch die Anerkennung von bereits erworbenen Qualifikationen im Ausland, beschleunigt werden", hieß es in der Mitteilung. Zudem fasse man entsprechende Unterstützungsmaßnahmen für Betriebe und qualifiziertes Personal aus dem Ausland ins Auge.
Zuspruch kam wenig überraschend von Wirtschaftskammer (WKÖ), Industriellenvereinigung (IV) sowie aus dem Tourismusstaatssekretariat. Während WKÖ-Generalsekretär Karlheinz Kopf sowie IV-Generalsekretär Christoph Neumayer die rasche Umsetzung von Maßnahmen forderten, hob Staatssekretärin Susanne Kraus-Winkler (ÖVP) die Bedeutung der Rot-Weiß-Rot-Karte für den Tourismus hervor. Mit Kritik reagierten hingegen Arbeiterkammer (AK) und der Österreichische Gewerkschaftsbund: Die Rot-Weiß-Rot-Karte sei kein "Allheilmittel", die Betriebe müssten bessere Arbeitsbedingungen schaffen, um Arbeitskräfte zu finden, so AK-Präsidentin Renate Anderl. (APA, 18.7.2023)