Fluss mit Wasserfall in Island
Die Landschaft Islands ist durch Erdbeben und Vulkanismus geprägt. Auch die Studie wurde quasi durch ein Erdbeben ermöglicht.
IMAGO/Panthermedia/Luigi Morbidelli

Die Hitze hat weite Teile der nördlichen Hemisphäre fest im Griff: Auf den italienischen Inseln Sizilien und Sardinien werden im Zuge dieser Hitzewelle sogar bis zu 48 Grad Celsius erwartet. Womöglich kommt es dabei auch zu den höchsten Temperaturen, die je in Europa gemessen wurden. Neue Maximalwerte wurden für den globalen Durchschnitt, aber auch etwa für ganz China aufgezeichnet.

Auch in kälteren Gefilden sorgt die vom Menschen verursachte Klimakrise für steigende Temperaturen. Dadurch entweicht immer mehr Kohlenstoff aus subarktischen Böden. Diskutiert wird, ob diese Entwicklung durch ein stärkeres Pflanzenwachstum im wärmeren Klima kompensiert wird. Eine Innsbrucker Forschungsgruppe zeigt nun durch ein Experiment in Island, dass dies dort nicht der Fall ist: Bei steigenden Temperaturen setzen die Böden im hohen Norden nachhaltig Kohlenstoff frei, schreibt sie im Fachjournal "Global Change Biology".

Nachhaltig ist in diesem Fall freilich nicht positiv besetzt, sondern bedeutet, dass Kohlenstoff dauerhaft aus dem Boden verschwindet und nicht durch Photosynthese von Pflanzen wieder der Atmosphäre entnommen und gespeichert wird. Das bewirkt einen Rückkopplungseffekt: Das Klima wird durch ein Mehr des Treibhausgases in der Luft zusätzlich angeheizt, es wird wärmer, noch mehr Kohlenstoff entkommt aus den Böden.

Aktivere Mikroben

Böden sind der größte terrestrische Kohlenstoffspeicher. Speziell im hohen Norden, wo es kühl und feucht ist und daher der Abbau abgestorbener Pflanzenteile durch Bodenmikroben langsamer abläuft, hat sich über die Jahrtausende viel organischer Kohlenstoff im subarktischen Boden abgelagert. Diese Region ist allerdings besonders stark von der Klimaerwärmung betroffen. Die Arktis erwärmte sich in den vergangenen 40 Jahren etwa viermal so schnell, wie es die Erde im Durchschnitt tat.

Durch die steigenden Temperaturen werden auch die Bodenmikroben aktiver. Sie bauen mehr tote organische Substanz ab, und es entweicht immer mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre. Allerdings stehen durch diesen verstärkten Abbau auch mehr Mineralstoffe – speziell Stickstoff – für die Pflanzen zur Verfügung, wodurch sie besser wachsen können. Bisher war unklar, ob durch das verstärkte Pflanzenwachstum mehr Kohlenstoffdioxid (CO2) aus der Atmosphäre aufgenommen werden kann als über die Böden verlorengeht.

Um die längerfristigen Auswirkungen der Klimaerwärmung auf den Kohlenstoffkreislauf im hohen Norden zu erforschen und zu klären, ob die zusätzlich zur Verfügung stehenden Mineralstoffe ausreichen, um das Pflanzenwachstum entsprechend anzukurbeln, haben die Wissenschafterinnen und Wissenschafter um Michael Bahn vom Institut für Ökologie der Universität Innsbruck ein natürliches Klimalabor genutzt. Dabei handelt es sich um Flächen nahe einer geothermalen Bruchlinie in Island.

Testumfeld dank eines Erdbebens

2008 verlagerte dort ein Erdbeben ein geothermisches System, wodurch sich die Bodentemperatur eines unbewirtschafteten baumlosen Graslands erhöhte. Auf diesem Gelände steckten die Forscherinnen und Forscher 14 zwei mal zwei Meter große Parzellen ab, die in unterschiedlichen Abständen von der Bruchlinie lagen und um bis zu acht Grad wärmer waren als zuvor.

Die Hälfte der Flächen düngten die Fachleute mit unterschiedlichen Mengen an Stickstoff. Zudem führten sie den Versuchsflächen das stabile Kohlenstoff-Isotop C13 zu, um dem Kreislauf des Kohlenstoffs von der Atmosphäre über Pflanze und Boden wieder zurück zur Atmosphäre verfolgen zu können.

Es zeigte sich, dass mit steigender Erwärmung der durch die Photosynthese der Pflanzen gebundene Kohlenstoff von den Mikroben stärker aufgenommen und rascher wieder vom Boden abgegeben wird. Dadurch wurde auf den untersuchten Flächen in den ersten Jahren nach der lokalen Erhitzung bis zu 40 Prozent des Kohlenstoffs im Oberboden an die Atmosphäre abgegeben. Im Laufe der Zeit passte sich die mikrobielle Biomasse an die höheren Temperaturen an, und der Kohlenstoffhaushalt des Bodens pendelte sich wieder ein. "Trotzdem verliert das System netto noch CO2", erklärt Bahn.

Weitere Forschung an Ausgasung

Beim Düngeexperiment "hatten wir erwartet, dass die Pflanzen, die mehr Stickstoff bekommen, stärker wachsen und dadurch den Kohlenstoffverlust im Boden ausgleichen – das war zu unserer Überraschung aber nicht der Fall", sagt der Ökologe. Offensichtlich geht durch die Erwärmung dem System auch sehr viel Stickstoff verloren, einerseits etwa durch eine verstärkte Auswaschung des Mineralstoffs und andererseits durch Ausgasung von molekularem Stickstoff. Bei Letzterem handle es sich um einen Prozess, der noch zu wenig erforscht ist, findet Bahn.

"Dieser Stickstoffmangel zeigt sich auch dadurch, dass die Pflanzen vermehrt in die unterirdische Biomasse investieren", hält der Ökologe fest. Sie wachsen also vor allem dort, wo der Mangel am größten ist, konkret bei den Wurzeln, um so zu mehr Mineralstoffen zu gelangen. Jedenfalls wurde im subarktischen Grasland unter wärmeren Bedingungen die Produktivität der Pflanzen durch den Stickstoffmangel begrenzt. "Dies führt zu einem Rückgang der Kohlenstoffaufnahme im Ökosystem", sagt Bahn, "und durch die beschleunigte Freisetzung von Kohlenstoff wird die Fähigkeit des Bodens, Kohlenstoff zu speichern, zusehends reduziert." (APA, red, 22.7.2023)