Ihre Liebe zur Sprache entdeckte die Philologin Isabella Walser-Bürgler bereits in der Schule: "Als Schülerin war mir allerdings nicht bewusst, dass man eine Sprache wie Latein auch wissenschaftlich untersuchen kann." Nachdem sie Latein und Griechisch an der Universität Innsbruck studiert hat, zieht es die junge Tirolerin für ihre Doktorarbeit zunächst nach Freiburg im Breisgau. Dort spezialisiert sie sich auf neulateinische Studien: "Fast 95 Prozent aller lateinischen Texte sind in sogenanntem Neulatein verfasst. Dieses frühneuzeitliche Latein umfasst alle Schriften, die zwischen dem 14. und 18. Jahrhundert entstanden sind", sagt Walser-Bürgler.

Philologin Isabella Walser-Bürgler
Philologin Isabella Walser-Bürgler.
Uni Innsbruck

Rein sprachlich unterscheide sich Neulatein von klassischem Latein kaum, allerdings gebe es – nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen wissenschaftlichen Entdeckungen in der frühen Neuzeit – viele neue Wortbildungen. "Obwohl neulateinische Texte einen Großteil der überlieferten Quellen ausmachen, gibt es hierzu kaum Forschung. Auch in der Schule lernen Jugendliche im Lateinunterricht fast ausschließlich von antiken Quellen. Deshalb ist es mir ein Anliegen, dieses Forschungsgebiet sichtbar zu machen." Für die Leitung des Forschungsprojekts Neolatin and Politics kehrt Walser-Bürgler 2015 schließlich in ihre Heimat Innsbruck zurück.

Lateinische Plaudertreffen

Aktuell beschäftigt sich die Sprachwissenschafterin als Leiterin eines vom FWF geförderten Projekts mit der Academia Taxiana – einer Gelehrtenvereinigung, die Mitte des 18. Jahrhunderts in Innsbruck gegründet wurde. Anton Roschmann, der erste Bibliothekar der Universität Innsbruck, hat diese Vereinigung 1741 ins Leben gerufen. Dabei hat er eine ganze Reihe an geistlich sowie weltlich gelehrten Männern aus dem historischen Tirol – sprich Nordtirol, Osttirol, Südtirol und dem Trentino – um sich geschart.

In der Zeit der Aufklärung waren wissenschaftliche Gesellschaften keine Seltenheit. Die Mitglieder der Academia Taxiana forschten im süddeutschen Raum jedoch erstmals nach modernen geschichtswissenschaftlichen Standards. "Die Vereinigung hat sich fast 20 Jahre lang wöchentlich im Palais des Grafen von Thurn und Taxis getroffen", erklärt die Philologin. An der Universität seien Vorträge zu dieser Zeit noch streng hierarchisch geregelt gewesen. Bei der Academia Taxiana hingegen durften die Mitglieder frei sprechen, und sie diskutierten ihre wissenschaftlichen Abhandlungen auf Augenhöhe.

Walser-Bürgler und ihr Team möchten nun die Statuten, Sitzungsprotokolle und Vorträge der Vereinigung untersuchen, die vorrangig im Archiv des Tiroler Landesmuseums Ferdinandeum gelagert sind. Der Philologin ist es dabei wichtig zu betonen, dass erfolgreiche Forschung an der lateinischen Sprache nicht beim reinen Übersetzen von Texten endet: "Als Neulateinerin braucht es viel interdisziplinäres Wissen und die Bereitschaft, sich immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen." (Anna Tratter, 30.7.2023)