Adelheid Wölfl aus Sarajevo

Unweit der Una, auf der man raften kann, liegt das Aufnahmezentrum Lipa, in dem Migrantinnen und Migranten kostenlos essen und schlafen können sowie medizinisch versorgt werden. Das Aufnahmezentrum, das von der EU finanziert wurde, gilt als Vorzeigeprojekt mit hohen Standards und wird auch von Migranten als hilfreich erachtet. Auch eine Hafteinheit wurde errichtet, sie sorgt seit Monaten für Kritik. Nun soll diese Hafteinheit vom anderen Teil des Aufnahmezentrums baulich getrennt werden, bevor sie in Betrieb geht. Das bestätigte das Internationale Zentrum für die Entwicklung der Migrationspolitik (ICMPD) dem STANDARD.

"Das ICMPD wird auf Ersuchen der Behörden von Bosnien und Herzegowina und der EU-Delegation in Bosnien und Herzegowina einige abschließende bauliche Arbeiten durchführen", so ICMPD-Sprecher Bernhard Schragl. Die bosnische Ausländerbehörde werde danach über den Zeitpunkt der Inbetriebnahme der Hafteinheit entscheiden.

Hafteinheit wurde nachträglich gebaut 

Die Container, die mit einem grün betuchten Zaun umgeben sind, wurden noch nie benutzt. In ihnen sollen in Zukunft Migranten, gegen die etwas Strafrechtliches vorliegt, die als Gefährder gelten oder gegen die ein Abschiebebescheid besteht, für maximal 72 Stunden untergebracht werden. Wenn weiterhin Gründe vorliegen, um sie festzuhalten, können sie danach in eine entsprechende Einrichtung in der Nähe von Sarajevo gebracht werden.

Der Bau der Hafteinheit wurde erst im Vorjahr nach dem Bau des Aufnahmezentrums im Jahr 2021 beschlossen. "Die Behörden von Bosnien und Herzegowina und die Europäische Kommission haben dieses Vorhaben geplant und sich mit einigen internationalen Organisationen zur Umsetzung beraten. Das ICMPD gehörte zu den Organisationen, die als Durchführungspartner für dieses Projekt in Betracht gezogen wurden", erklärt Schragl.

Camp Lipa in Bosnien
Von Zäunen umgeben und videoüberwacht: die Hafteinheit im Aufnahmezentrum Lipa in Bosnien-Herzegowina.
Foto: SOS Balkanroute

EU-Dokument nennt auch Inhaftierung als Ziel

Er verweist auf ein Aktionsdokument der EU-Kommission zur Bewältigung der Migration auf dem Westbalkan aus dem Vorjahr. Das ICMPD sei darin nicht als die mit der Durchführung dieser Maßnahme betraute Einrichtung genannt worden. Doch "nach der Verabschiedung dieses Aktionsdokuments wurde auf der Grundlage weiterer Konsultationen zwischen der Europäischen Kommission und den Behörden von Bosnien und Herzegowina beschlossen, das Projekt mit dem ICMPD durchzuführen", so Schragl.

In dem Aktionsdokument der EU-Kommission vom 22. April 2022 wird in Bezug auf das Aufnahmezentrum in Lipa ausdrücklich auch die Inhaftierung von Personen genannt. Es gehe darum, "einen neuen Haftraum zu errichten, in dem in bestimmten Fällen Haftmaßnahmen und Bewegungseinschränkungen im Einklang mit internationalen und EU-Standards umgesetzt werden können, während gleichzeitig Unterkunft und grundlegende Dienstleistungen bereitgestellt werden, bis eine endgültige Entscheidung über Asyl oder Rückkehr getroffen wird. Die notwendigen rechtlichen Grundlagen müssen vorhanden sein", ist unter "Output 1.6" zu lesen.

Haftabteilung mit Rückkehrbestrebungen verknüpft

Wer den Haftraum errichten solle, werde nach bestimmten Kriterien entschieden, heißt es in dem Dokument weiter. Dabei gehe es um Kapazität und Fachwissen zur Leitung, Überwachung und Umsetzung der Bauarbeiten, die Fähigkeit, schnell zu reagieren, eine nachgewiesene Erfolgsbilanz und Fachkenntnisse in Migrations- und Grenzmanagementprogrammen in Bosnien und Herzegowina sowie auf dem Westbalkan. "Die Umsetzung durch diese Stelle umfasst die Leitung des Baus einer verbesserten Isolations- und Haftzone im Mehrzweckzentrum in Lipa", so das EU-Aktionsdokument. Das ICMPD erhielt in der Folge den Zuschlag.

Die Errichtung der Gefängnisabteilung ist in dem Aktionsdokument unter dem Punkt "Output 3.3" mit dem Ziel verknüpft, für die freiwillige und unfreiwillige Rückkehr von Migranten zu sorgen. Für beide Aufgaben zusammen wird laut dem EU-Kommissionspapier eine Million Euro bezahlt; für die Errichtung der Hafteinheit erhielt das ICMPD in der Folge 500.000 Euro.

Output 3.3 umfasst die "Unterstützung der Behörden von Bosnien und Herzegowina im Vorab- und tatsächlichen Abschiebeverfahren" sowie die "Bereitstellung der notwendigen logistischen Unterstützung für die Organisation von Rückführungen". Die 500.000 Euro für die Rückkehrerberatung bekam die International Organisation for Migration (IOM).

Baubehörde bewilligte eine Sportanlage

Die Hafteinheit selbst wurde allerdings nie vor Ort gesondert bewilligt. Wie DER STANDARD berichtete, hat die zuständige Baubehörde der Stadt Bihać keine Baugenehmigung für die Hafteinheit ausgestellt: Es wurde darum gar nicht angesucht und bisher auch nicht um eine nachträgliche Legalisierung gebeten.

Vielmehr sollte dort, wo jetzt die Haftcontainer stehen, eine Sportanlage errichtet werden. "Gemäß der gültigen städtebaulichen Genehmigung ist die Errichtung einer Hafteinheit auf dem Gebiet des gesamten Lagers nicht vorgesehen, an der Stelle soll sich eigentlich eine Erholungszone befinden", sagt Edin Moranjkić vom Rathaus in Bihać. Weshalb eine Sportanlage zugelassen wurde, wenn später genau an diesem Platz eine Hafteinheit entstand, bleibt unklar.

Dem Bau stand laut ICMPD nichts im Wege

Das ICMPD ist weder für die Planung noch für den Betrieb der Anhalteeinrichtung verantwortlich, sondern ausschließlich für den Bau. Insofern war das ICMPD auch nicht für die Baubewilligung zuständig. "Nachdem die Behörden bestätigt hatten, dass alle erforderlichen Bedingungen erfüllt waren, begann das ICMPD mit der Errichtung des Erweiterungsbaus. Diese Situation wurde von den Behörden von Bosnien und Herzegowina sowohl während der Projektvorbereitung als auch in der Anfangsphase bestätigt", so Sprecher Schragl.

Die Übergabe der Schlüssel für die Anhalteeinrichtung habe am heurigen 12. Mai stattgefunden. Das ICMDP betont, dass "unsere Auftraggeber ausschließlich die nationalen Behörden in Form des Sicherheitsministeriums und der diesem Ministerium untergeordneten Ausländerbehörde" seien. Möglicherweise wird von den zuständigen Behörden in Bosnien-Herzegowina, etwa dem Sicherheitsministerium, die ursprüngliche Baugenehmigung für das gesamte Zentrum als ausreichend erachtet, sodass im Rahmen dieser Genehmigung auch später die Hafteinheit ermöglicht wurde. In dem Zusammenhang geht es um rechtliche Interpretationen. Denn in der ursprünglichen Baugenehmigung wurden Zäune und Container genehmigt, und für die Hafteinheit wurden auch Zäune und Container aufgestellt.

Ungeklärte Zuständigkeiten

Unklar ist insofern jedoch, wer zurzeit für die Hafteinheit in Lipa die Verantwortung trägt. Laut einer schriftlichen Stellungnahme der bosnischen Ausländerbehörde unterliegt die Hafteinheit "derzeit nicht der Zuständigkeit des Dienstes für Ausländerangelegenheiten". "Der Status wird in nächster Zeit von den Institutionen Bosnien und Herzegowinas geklärt", heißt es.

Die EU hat ab 2015 versucht, die bosnischen Behörden davon zu überzeugen, dass sie auch Verantwortung für das Migrationsmanagement übernehmen sollten. Davor hatten die bosnischen Behörden betont, dass die Migranten ohnehin nicht in Bosnien-Herzegowina bleiben, sondern in die EU einreisen wollten. Der Bau des Zentrums in Lipa unterstreicht nun die Mitzuständigkeit Bosnien-Herzegowinas. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, 20.7.2023)