Es war ein Kleid mit aufgedruckten Zitronen. Laura Lobensommer kann sich noch genau daran erinnern. Sie sah es, als sie zur Arbeit ging, bevor sie von der Wiener Mariahilfer Straße in eine Seitengasse abbog. Und sie sah es auf dem Weg nach Hause. Es hing in einem Schaufenster von H&M. Wenige Monate später erkannte es Lobensommer wieder. Das gleiche H&M-Kleid. Es war inzwischen vom Schaufenster in den Schrank einer Person gewandert und auch schon wieder aussortiert worden. Als Sachspende war es in der Gruft gelandet, einer Obdachloseneinrichtung in Wien, wo Lobensommer Altkleidung sortierte. Lobensommer erkannte, dass es wohl nicht oft getragen wurde. Da sei ihr so richtig bewusst geworden, wie achtlos mit Kleidung umgegangen wird. "Ich kannte das ja von mir selbst: Je billiger Kleidung ist, desto weniger schaut man drauf und desto eher schmeißt man sie auch wieder weg." An manchen Stücken, die sie in den Händen hielt, hing sogar noch das Preisschild. Die 29-Jährige beschloss: Daran muss sich etwas ändern, daran will sie etwas ändern.

Tatsächlich schadet die Modebranche der Umwelt massiv. Schätzungen zufolge verursacht sie zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen, das ist weit mehr als Flugverkehr und Schifffahrt zusammen. Der Grund dafür heißt Fast Fashion: Die neusten Modetrends werden billig und in großen Mengen produziert. Nach spätestens drei Jahren werfen Österreicherinnen und Österreicher die Hälfte neuerworbener Kleidung wieder weg, wie eine Umfrage von Greenpeace ergab. Knapp jedes achte Teil hängt aber auch fast ungenutzt im Kleiderschrank.

Kost-nix-Laden; Salzburg; Verein Mut, Laura Lobensommer; Secondhand
Laura Lobensommer arbeitet im Kost-nix-Laden des Vereins Mut in Salzburg. Sie sagt: "Was man in den Geschäften großer Konzerne findet, ist potenziell Müll. Das sollte man beim Kauf beachten."
Foto: Birgit Probst

Expertinnen und Experten sagen: Um die Umwelt weniger zu belasten, wäre es wichtig, dass Kleidung länger im Kreislauf bleibt. Dass sie sorgfältiger produziert und länger getragen wird. Was nicht mehr benötigt wird, muss idealerweise recycelt oder weitergegeben werden. Secondhand spiele dabei eine zentrale Rolle.

Davon ist auch Laura Lobensommer überzeugt. Seit rund zwei Jahren führt sie den Kost-nix-Laden im Salzburger Andräviertel, hinter dem der gemeinnützige Verein Mut steht. In der Paris-Lodron-Straße nehmen sie und ihre Kolleginnen und Kollegen Kleidung entgegen, sortieren sie, hängen sie auf. Das Konzept ist denkbar simpel: Man kann gebrauchte Kleidung spenden, selbst nach Stücken stöbern und sie mit nach Hause nehmen – oder beides. "Es ist ein Umweltprojekt", sagt Lobensommer. Das Motto ist Weitergeben statt Wegwerfen. Es gibt eine Ecke mit Kinderkleidung, eine für Damen und eine für Männer. Auf einem Regal stehen hochhackige schwarze Schuhe, in einer Babywippe sitzen Kuscheltiere. T-Shirts für Kinder baumeln auf bunten Kleiderbügeln von einer Garderobenstange.

Kost-nix-Laden; Salzburg; Verein Mut, Laura Lobensommer; Secondhand
Kinderkleidung macht einen wichtigen Teil aus: "Kinder wachsen schnell aus ihrem Gewand heraus und brauchen neues", sagt Lobensommer.
Foto: Birgit Probst

Beim Verein Mut hat Lobensommer 2016 angefangen, anfangs arbeitete sie in Wien. Als sie für ihr Studium der Kommunikationswissenschaft nach Salzburg ziehen wollte, kam die Idee, dort einen Kost-nix-Laden zu eröffnen. Zunächst hätten "alle erst einmal die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen", wenn sie davon erzählte. Die Meinung war: So was könne doch im "schicken Salzburg" nie funktionieren. In manchen Bevölkerungsschichten gebe es tatsächlich noch Vorbehalte, Secondhand zu tragen. Bei jungen ortet Lobensommer jedoch eine gewisse Affinität.

80 Menschen kämen pro Tag in das Geschäft, sagt sie. Jeder nehme im Schnitt fünf Kleidungsstücke mit. 2300 Kilo Kleidung wechseln pro Monat den Besitzer oder die Besitzerin – das sind in etwa so viel wie 7000 T-Shirts, 1500 Pullover und 1200 Hosen. Der Kost-nix-Laden soll zu mehr Nachhaltigkeit führen, aber auch ein sozialer Gedanke steckt dahinter: "Es geht um eine nachhaltige Umverteilung und darum, die Menschen, die nicht so viel haben, zu bedenken."

Kost-nix-Laden; Salzburg; Verein Mut, Laura Lobensommer; Secondhand
Auch Kuscheltiere warten im Kost-nix-Laden auf einen neuen Besitzer oder eine neue Besitzerin.
Foto: Birgit Probst

Gespendete Kleidung, die löchrig ist oder Flecken hat, kommt ins Altstoffsammelzentrum der Stadt Salzburg. Der Verein habe ein Abkommen mit der Stadt, die die Kleidung gratis entsorgt. Letztes Jahr musste das Team circa 70 Kilo Kleidung wegwerfen. Die aussortierte Kleidung wird laut Umweltbundesamt hauptsächlich verbrannt. "Das ist nicht umweltschonend, aber noch das Allerbeste, was damit passieren kann", sagt Lobensommer. Was sie damit meint: Kleidung landet oft auf Landstrichen in Afrika oder Südamerika. Erst kürzlich schockierten Berichte über Kleiderhaufen in der chilenischen Atacama-Wüste.

Glücklicherweise sei jedoch der allergrößte Teil der Kleidung, den Menschen in den Kost-nix-Laden bringen, von guter Qualität. "Die Besucherinnen und Besucher haben einen Blick dafür entwickelt, was noch benötigt wird und was nicht", meint Lobensommer. Sie führt das auch darauf zurück, dass sie persönlich in das Geschäft kommen. Anders sei das wahrscheinlich bei den Altkleidercontainern, in denen alles Mögliche landet.

Kost-nix-Laden; Salzburg; Verein Mut, Laura Lobensommer; Secondhand
Das Angebot ist breit gestreut. Auch wer schicke Fußbekleidung für einen Partyabend sucht, wird hier womöglich fündig.
Foto: Birgit Probst

Auch Lobensommer selbst hat ihre Gewohnheiten verändert. "Ich habe dem vor vielen Jahren abgeschworen, aus Genuss Kleidung einzukaufen." Das bedeutet jedoch nicht, dass sie nichts kauft. Sie geht in Geschäfte, in denen Secondhand angeboten wird. Oder sie tauscht mit Freundinnen. Ihr aktuelles Lieblingsteil: ein graues Kleid aus Baumwolle, das vorher einer Freundin gehörte. "Ich mag Textilien mit Geschichte." (Lisa Breit, 25.7.2023)