Mann der Stunde bei der Tour de France: Felix Gall.
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Courchevel – Felix Gall hat am Mittwoch österreichische Radsportgeschichte geschrieben. In beeindruckender Manier pedalierte sich der 25-jährige Osttiroler mit dem Sieg bei der Königsetappe der 110. Tour de France auf den vorläufigen Höhepunkt seiner Laufbahn. "Es ist unglaublich, ich weiß nicht, was ich sagen soll. Hier die Königsetappe zu gewinnen ist unglaublich", jubelte ein zu Tränen gerührter Gall nach der Zielankunft in Courchevel.

Als erst vierter Österreicher landete Gall einen Tagessieg beim wichtigsten Radrennen der Welt. Dass dem 25-Jährigen dies auf der mit über 5.000 Höhenmetern gespickten, wohl schwersten Etappe der diesjährigen Frankreich-Rundfahrt gelungen ist, ist nicht hoch genug einzuordnen.

"Gallaktisch", kommentierte beispielsweise der ehemalige Kärntner Radprofi Peter "Paco" Wrolich den Husarenritt auf Twitter.

Felix Gall auf seinem königlichen Ritt.
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Bewunderung erhielt Gall für seine Leistung auch von anderen, ehemaligen österreichischen Radprofis. "Er hat bewiesen, dass er mit den allerbesten mithalten kann. Er hat Geschichte geschrieben und uns alle superstolz gemacht", sagte etwa Thomas Rohregger. Auch einer, der Bescheid weiß, wie sich solch ein Erfolg anfühlt, fand lobende Worte. "Er hat einen Supertag erwischt und alles richtig gemacht. Kompliment!", sagte Georg Totschnig, Tour-Etappensieger im Jahr 2005.

Das Rennen lief von Beginn weg nach dem Geschmack von Gall. Zusammen mit einer rund 30-köpfigen Ausreißergruppe startete der Osttiroler früh einen ersten Angriff. "Ich habe mich vom Start weg gut gefühlt, was nicht so oft der Fall ist." Einige der Gruppe zollten dem hohen Tempo früher oder später Tribut, nicht so Gall, der an diesem Tag unaufhaltsam wirkte. Lange Zeit gezogen vom eigentlichen Kapitän des französischen AG2R-Teams, Ben O'Connor, setzte der Osttiroler 13 Kilometer vor dem Ziel die entscheidende Attacke.

Niemand aus der stark dezimierten Spitzengruppe konnte folgen, einzig der Brite Simon Yates hielt den Rückstand in Schach. "Yates im Nacken zu haben war mental schlimm. Es waren immer stabile 15 bis 20 Sekunden", analysierte Gall die finalen Augenblicke vor dem Triumph. Beim Passieren der Ziellinie verspürte er dann einfach nur Dankbarkeit. "Mir ist nicht viel durch den Kopf gegangen."

Auf der obersten Treppe angekommen.
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Unmittelbar danach wurde der 25-jährige Radprofi aber von seinen Emotionen überwältigt. "Ich will einfach nur Danke an das Team sagen, sie haben mir so viel gegeben", sagte Gall, auch in Richtung von O'Connor. Der Australier umarmte den Osttiroler und gratulierte: "Du bist ein Champion, genieß es!" Trainer Stephen Barrett sprach von einem "sehr, sehr guten" Rennen und adelte Gall. "Er kann sehr stolz auf sich sein, er ist ein beeindruckender Athlet."

Die aktuelle Stärke führte Gall auf die erstmals ohne Krankheitspausen abgelaufene Vorbereitung zurück. Unter Anleitung von Barrett gelang dem Osttiroler eine deutliche Steigerung im Training, und vor allem in den Rennen. Auch ein langes Höhentrainingslager im Mai verlief reibungslos, dementsprechend gut in Form ging er auch an den Start der Tour.

Einen Blick auf die restlichen vier Etappen wollte Gall im Moment des Erfolges nicht werfen: "Jetzt muss ich einmal das Ganze verarbeiten, und dann schauen wir weiter, was noch möglich ist." Im Bereich des Möglichen ist für den Osttiroler noch einiges. Ein Platz unter den Top Ten im Gesamtklassement ist für den aktuell Achtplatzierten absolut in Reichweite, auch der Kampf um das Bergtrikot spitzt sich zu. Nachdem Gall die Wertung auf dem Col de la Loze für sich entschieden hat, trennen ihn nur sechs Punkte vom aktuell Führenden Giulio Ciccone. (APA, 20.7.2023)