Der Gagen- und Privilegienskandal vom Herbst schien eingeschlafen, aber jetzt, Monate später, kocht die Sache wieder hoch. Und einmal mehr wird die steirische Wirtschaftskammer (WKO Steiermark) und der ÖVP-Wirtschaftsbund (WB) von internen Protesten wegen der "Selbstbedienungskultur" der Kammerspitze gebeutelt. Eine Rundmail eines hohen Kammerfunktionärs hat neuerlich Unruhe ausgelöst.

Josef Herk
Noch im Herbst versprach Wirtschaftskammerpräsident Josef Herk, die gegen ihn und die Kammerspitze erhobenen Vorwürfe voll aufzuklären. Das sei er bis heute schuldig geblieben, sagen seine Kritiker.
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Es geht darin abermals um die Sonderdotierungen für Wirtschaftskammer- und Wirtschaftsbundchef Josef Herk – er ist dies in Personalunion – um präsidiale, teure Essensrunden, schwere Dienstkarossen plus Chauffeure für Herk und Wirtschaftskammerdirektor Karl Heinz Dernoscheg.

Intimer Kreis

Es geht um zusätzliche Gelder, die sich die Kammerspitze quasi selbst genehmigt hat – ganz legal im intimen Kreis per Gremialbeschluss. Von all dem hatten die Kammer- und WB-Mitglieder nichts erfahren.

Herk musste sich im Herbst auch Kritik wegen einer angeblich generösen Verteilung von Corona-Hilfen an den ÖVP-Wirtschaftsbund anhören, auch wegen eines schönen Aufsichtsratspostens für seine Gattin oder überdimensionierter Kammer-Prestigebauten.

Als die Sache aufkam, eilte Präsident Herk von seinem Urlaub auf Hawaii nach Graz, um in den Gremien Rede und Antwort zu stehen. Danach zeigte sich Josef Herk reumütig und entschuldigte sich für das Bild, das durch die Berichte über die Gagen entstanden sei.

"Für die entstandene Optik entschuldige ich mich", sagte Herk und versprach, die zusätzlichen 4000 Euro Extragage ruhend stellen zu lassen und eine Transparenzoffensive zu starten.

"Wir haben jetzt Monate gewartet und ihm vertraut, aber es ist nichts passiert, im Gegenteil, die beiden mauern sich immer mehr ein", sagt ein hoher Wirtschaftskammerfunktionär, der noch anonym bleiben möchte, im Gespräch mit dem STANDARD. Sein Visier geöffnet hat inzwischen aber der Unternehmer und Wirtschaftskammer-Chef des Bezirks Weiz, Vinzenz Harrer. Er fungiert auch als Vorsitzender der steirischen Gesundheitskasse. Harrer hat diese Mail an Herk, Dernoscheg und alle führenden Kammer- und WB-Funktionäre gerichtet. Er fordert darin, die Kammerspitze solle endlich für eine lückenlose Aufklärung der Affäre sorgen. Das eingerichtete Transparenzgremium, das alle Vorwürfe hätte prüfen sollen, sei aufgelöst worden. Ohne Endbericht, schreibt Harrer. Es fehle nach wie vor eine Aufarbeitung und Erklärung, "warum sich ein Wirtschaftsbundobmann für ein Ehrenamt über die Jahre über 200.000 Euro auszahlen lässt". "Es ist für mich auch zu hinterfragen, warum sich das Präsidium die Entschädigungen um 50 Prozent erhöht. Auch wenn Gerüchte aufkommen, dass der Dienstwagen inklusive Chauffeur auch für Familienangehörige von Direktoren genutzt werden, dann ist das für mich zu hinterfragen. Auch, wenn Bauprojekte mit 33 Millionen projektiert werden und dann über 100 Millionen kosten", kritisiert Harrer und kommt zu dem Schluss: "Das System der Wirtschaftskammer und des Wirtschaftsbundes ist krank."

Klagsdrohung

Als Reaktion auf seine Mail wurde Harrer von Wirtschaftskammerdirektor Dernoscheg per Mail umgehend mit einer Klage bedroht: "Dein Mail lasse ich in Bezug auf die Unterstellungen, die meine Person betreffen – und völlig aus der Luft gegriffen sind – von meinem Rechtsanwalt prüfen. Sollte sich die Möglichkeit ergeben, werde ich klagen."

Auf Anfrage des STANDARD wollten weder Herk noch Dernoscheg zu der Causa Stellung nehmen. Sie teilten lediglich mit, "sämtliche Vorwürfe, die die WKO Steiermark betreffen, wurden in der Vergangenheit bereits umfangreich beantwortet. Weiters wurde im Internet eine eigene Transparenzseite zu Funktionsentschädigungen, Rechnungsabschlüssen und Wählergruppen-Förderungen eingerichtet, darüber hinaus obliegen sämtliche Investitionen und Aktivitäten der WKO Steiermark den Prüfungen des Kontrollamts und des Rechnungshofs. Alle Bauprojekte fußen auf gültigen Beschlüssen der dazu eingerichteten und befugten Organe, diese üben auch die Kontrolle aus. Mediale Stellungnahmen von Präsident Herk und Direktor Dernoscheg wird es in dieser Causa aktuell keine weiteren geben." (Walter Müller, 20.7.2023)