Carl Gustav Carus 1823 gemalter Blick aus einer Gefängniszelle
Carl Gustav Carus 1823 gemalter Blick aus einer Gefängniszelle wechselte für ein Vielfaches der Erwartungen (10.000-20.000) erst bei 224.000 Euro (inkl. Aufgeld) den Besitzer.
Im Kinsky

Rückblickend war die Präsentation des ungerahmten Bildes in einem Winkerl der Schaustellung im Vorfeld der Versteigerung bei "im Kinsky" eher beiläufig und die Katalogangaben gar spärlich geraten. Dem Interesse an dem Kleinformat aus einem österreichischen Nachlass tat das am 20. Juni allerdings keinen Abbruch. Im Gegenteil. Denn das eigenwillige Motiv Blick aus einem Gefängnisfenster in den Himmel, 1823 von einem gewissen Carl Gustav Carus gemalt, mauserte sich unerwartet zum Star im Angebot der Sparte Gemälde des 19. Jahrhunderts.

Knapp am Auktionsrekord vorbei

Nicht weniger als elf potenzielle, übers Telefon zugeschaltete Käufer konkurrierten mit einigen Onlinebietern. Wer bitte, so war man während des Gerangels zu fragen geneigt, plant, sich eine solche die Freiheit verheißende Aussicht ins Wohn- oder Arbeitszimmer zu hängen? Sentimentale Ex-Knackis oder doch Connaisseurs? Letzteres freilich, weshalb die angesetzte Taxe von 10.000 bis 20.000 Euro auch schnell Geschichte war.

Erst ab 80.000 Euro dünnte sich die Schar der potenziellen Käufer aus, und es kämpften noch vier Bieter um das Bild, je zwei am Telefon und übers Internet. Die analoge Welt behielt die Oberhand: Das siegreiche Gebot eines Telefonbieters in der Höhe von 175.000 Euro schrammte nur knapp am Auktionsrekord vorbei, inklusive Aufgeld hatte er 224.000 Euro zu überweisen.

Leihgabe für Ausstellung 2024

Der Käufer war ein US-amerikanischer Händler, wie "im Kinsky" auf Anfrage informierte. Ob er in Vertretung eines Sammlers oder doch eines Museums agierte, könnte sich spätestens kommendes Jahr herausstellen. Denn die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden haben das kleine Gemälde als Leihgabe angefragt, wie dort in Erfahrung zu bringen war: für die Sonderausstellung anlässlich des 250. Geburtstages von Caspar David Friedrich. In diesem Zuge werden im Albertinum (24. 8. 2024 bis 5. 1. 2025) auch Gemälde seiner Freunde, Schüler und weiterer Zeitgenossen zu sehen sein werden.

Der aus Schwedisch-Pommern gebürtige und 1840 in Dresden verstorbene Carus gilt als einer der vielseitigsten Universalgelehrten des 19. Jahrhunderts in Deutschland, befreundet etwa mit Goethe und auch mit Friedrich, an dessen Motivrepertoire er sich als Maler orientierte. In seinem Werkverzeichnis (1968) wurde der Blick aus dem Gefängnisfenster laut Albertinum-Konservator Holger Birkholz einst nicht erfasst. Dieses Carus-Gemälde stehe jedoch zweifelsfrei "im Kontext der politischen Werke der Dresdner Romantik", die an den Kampf um Freiheit in den Napoleonischen Kriegen anknüpften. (Olga Kronsteiner, 21.7.2023)