Über sieben Jahrzehnte stand er auf der Bühne, über acht hat er gesungen, bereits als 13-Jähriger hat er sich als Hilfskellner in den Restaurants seiner Nachbarschaft damit etwas dazuverdient. Frank Sinatra nannte ihn den Größten seines Fachs – und das, obwohl sie gewissermaßen Konkurrenten waren. Denn wie Sinatra war dessen Freund Tony Bennett ein Jazzsänger, ein Crooner, ein Interpret des Great American Songbook – eine Kunstgattung, in der die Interpreten mit meist jazziger Intonierung zwischen Drama, Coolness und Schmalz wandelten.
Geboren in einfachen Verhältnissen in Queens
Es war ein Balanceakt, den Bennett mit großer Souveränität und inniger Übermittlung bewerkstelligte. Er habe seine Songs jedes einzelne Mal auf eine Art interpretiert, als stünde auch noch nach 50 Jahren alles für sie auf dem Spiel, haben Chronisten über Bennetts Gesangskunst geschrieben. Nun ist Tony Bennett im Alter von 96 Jahren in New York gestorben.
Am 3. August 1926 kam er ebendort als Anthony Dominick Benedetto auf die Welt, die ihm ab den frühen 1950ern immer wieder zu Füßen lag. Dazu besaß er den notwendigen Charme, und er überzeugte anders als Schlawiner wie Dean Martin durch eine große Aufrichtigkeit in der Darbietung: Die Herzen flogen ihm nur so zu.
Mit Because of You gelang ihm 1951 ein erster Hit, 2021 hatte er mit dem gemeinsam mit Lady Gaga eingespielten Album Love for Sale seinen letzten. Über 50 Millionen Alben soll er verkauft haben. Wie viele Singles? Frage nicht.
An seiner Karriere lassen sich die Veränderungen der Populärkultur des 20. Jahrhunderts ablesen. Vom Jazz über Engagements in den Hotels von Las Vegas mit großen Orchestern und die Einbrüche seiner Karriere in den 1960ern angesichts der Übernahme durch Bands wie den Beatles – bis zu seinem Comeback in den 1980ern.
Später folgten MTV-Würdigungen, Engagements in Filmen, ein Auftritt bei den Simpsons, 20 Grammys – alles Begleiter beim Übergang in den Status einer lebenden Legende. Als solche stand er bis letztes Jahr auf der Bühne – hatte alle Höhen und Tiefen erlebt. Wobei die Höhen überwogen, selbst wenn er 1979 unter Drogeneinfluss und in der Talsohle seiner Karriere fast gestorben wäre.
Tony Bennett war ein wie aus der Zeit gefallener Star. Lediglich seine Brille gab in späten Jahren einen Hinweis darauf, wie lange er schon im Geschäft sein musste. Er gehörte zu der Generation von Sängern, die den Kompositionen George Gershwins, Cole Porters oder Richard Rodgers’ und desses Texters Oscar Hammerstein Leben einhauchten – buchstäblich. Zu seinen populärsten Songs gehören The Way You Look Tonight,The Beat of My Heart,I Get a Kick Out of You oder das mit ihm in alle Ewigkeit verbundene I Left My Heart in San Francisco, das zu einer Art Signatur für ihn wurde.
Bennett war ein weitgehend skandalfreier Star. Zwar wurden dem Italoamerikaner Verbindungen zur Mafia nachgesagt, schließlich trat er in deren Hotels in Las Vegas auf. Konkrete oder gar kompromittierende Verbindungen sind nicht bekannt.
Treuer Demokrat
In den 1960ern engagierte sich der überzeugte Demokrat an der Seite von Harry Belafonte oder Sammy Davis Jr. für die Anliegen der Bürgerrechtsbewegung. Er sang für Präsidenten und in Waisenhäusern, verlor einmal fast sein ganzes Vermögen an die Steuer, war drogenabhängig – kriegte aber die Kurve. Bennett galt als stets positiv denkender Mensch. Denn als junger Mann war er als Soldat bei der Befreiung des KZ Dachau dabei, hätte dort, wie er sagte, die Hölle aus der ersten Reihe erlebt. Verglichen damit sei alles andere Kleinkram.
Zu seinen größten Niederlagen zählte er dann auch nur eines seiner Alben: Tony Bennett Sings the Hits of Today, auf dem er 1969 zeitgenössische Popsongs sang. Angesichts dieses Albums möchte er kotzen, schrieb er in seiner Autobiografie The Good Life aus 1989.
Als Botschafter eines guten Lebens und für eine bessere Welt wird Bennett in Erinnerung bleiben. Als ein Gentleman, stets wie für eine Hochzeit gekleidet – und mit einem selbst im hohen Alter nicht und nicht weichenden Haaransatz. (Karl Fluch, 21.7.2023)