Schach, oft als Spiel der Könige apostrophiert, wurde seit jeher – nicht erst in der aktuell herrschenden Ära der Dauererregung – auffallend häufig in öffentlichkeitswirksamen Inszenierungen politischer Kräfte verwendet; wohl um Intelligenz, Strategie und Weitsicht zu suggerieren. Kein Wunder also, dass es zahlreiche Fotos von Staatsmännern wie Joe Biden, Wolodymyr Selenskyj, Helmut Schmidt, Muammar al-Gaddafi und Co am Brett mit dem berühmtesten Muster der Welt gibt. Interessanterweise nicht von Wladimir Putin, dessen Agieren medial aber umso häufiger mit besagtem Spiel in Verbindung gebracht wird. Wie auch immer ...

Beim Wettbewerb um die Staatspreise und Ehrenurkunden "Die schönsten Bücher Österreichs" werden Bücher für ihre gestalterische und herstellerische Qualität ausgezeichnet, um diesen wichtigen Teil der Buchproduktion an die Öffentlichkeit zu bringen und ihm die Anerkennung zu verschaffen, die ihm gebührt.
Album-Verlag

In Arno Schmidts Roman Zettels Traum findet sich ein seltsamer Terminus, der das Schachspiel wie kaum ein anderer zu charakterisieren vermag – so meinen es zumindest die Schachexperten Michael Ehn und Ernst Strouhal, die Autoren einer allwöchentlichen STANDARD-Kolumne und eines gleichnamigen Buches: SMadness. "Gleichzeitig lesbar als Verrücktheit wie Melancholie, vermittelt es die spielerische Simultaneität von Überschwang und Traurigkeit, gefährlicher Leidenschaft und purer Freude, in manchen Lebenslagen Trost, in anderen Droge." SMadness ist das Leitmotiv des 2022 publizierten Buches, in dem die Autoren in 180 Episoden die Historie des Spiels als labyrinthische Geschichte der Außenseiter, der großen Meister, des Scheiterns sowie des Triumphierens erzählen.

Dieses Buch wurde kürzlich vom Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport und dem Hauptverband des Österreichischen Buchhandels als eines der 15 "Schönsten Bücher des Landes" prämiert. In der Begründung der Jury lobt man Typografie, Wechselspiel von Struktur, Weißraum, Konzentration und Fokussierung, die Präsentation ikonischer Partien und die Vermittlung von Weisheit und Schönheit des königlichen Spiels.

"Das Buch passt sich in vielen Details dem konzentrierten Spiel mit seinen zwei Farben und den 64 Quadraten an: Schon der zweistimmige Titel bringt zwei faszinierende Charakteristika des Spiels aufs Cover: ‚Sadness und Madness‘." Die Anlehnung drückt sich auch im gelungenen Buchformat mit seinem geraden Rücken aus und setzt sich in der schwarz-orangen Zweifarbigkeit bei Kapitelnummern und Überschriften, bei Hervorhebungen im Text, beim Vor- und Nachsatz und im äußerst wirkungsvollen granitschwarz(weiß)en Einbandmaterial mit orange-weißer Prägung fort. Zweifarbige Lesebändchen runden das Gesamtpaket von Druck und Bindung perfekt ab.

Berichtet wird unter anderem vom von Mythen umrankten Ursprung des Spiels in Indien und Persien, von den Wahlverwandtschaften zu Philosophie, Literatur, Kunst, Musik, vom Überschreiten der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn, vom Kampf der Geschlechter und nicht zuletzt von den vielen kulturellen Passagen und Räumen, die das Schachspiel im Laufe seiner Reisen durchquerte.

Nebst der spielerischen Komponente erfährt man so manches über Franz Kafkas Affen, über Pablo Picassos Leidenschaften, über Stefan Zweig, Ernst Jünger, über die Wiener Kaffeehausliteraten, über Napoleon Bonaparte, den Westminster-Chess-Club und manchen mehr oder minder bekannten Parforceritt.

Gelobt sei die analoge Gutenberg-Galaxis! (Gregor Auenhammer, 21.7.2023)