Obst Gemüse Markt
Es sei okay, wenn sich jemand dazu entschließe, vegan zu leben, sagte unlängst der Bundeskanzler, aber es müsse auch okay sein, wenn andere gerne Schnitzel äßen. Die Folgen für die Umwelt, das Klima und die Gesundheit sind allerdings grundverschieden, zeigt eine neue wissenschaftliche Untersuchung.
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Die Beispiele dafür, was normal ist und was nicht, sind auch in der Normalitätsdefiniererpartei ÖVP alles andere als festgeschrieben. Hatte Bundeskanzler Karl Nehammer in seiner ersten Replik auf die Populismuskritik des Bundespräsidenten noch davon gesprochen, dass es okay sein müsse, gern Schnitzel zu essen, fehlte dieser wichtige Hinweis in seinem kurze Zeit später veröffentlichten Video wieder.

Die Schnitzelessernormalität ist auch nicht so einfach zu definieren. Ist das tägliche Schnitzel für die ÖVP okay und normal? Darf es für Ottilie und Otto Normalo das Schnitzerl auch schon zum Frühstück sein? Oder doch lieber nur eines pro Woche?

Für alle, die der eigenen Gesundheit wie auch der des Planeten etwas Gutes tun wollen, ist ein möglichst geringer Konsum von (rotem) Fleisch besonders günstig, wie hunderte Studien bereits gezeigt haben. Eine zusammenfassende Metastudie, die 2019 im Fachblatt "The Lancet" veröffentlicht wurde, empfahl eine Diät, die für Mensch und Umwelt besonders nachhaltig ist. Ideal seien demnach unter anderem nicht mehr als zwei Portionen Fleisch und zwei Eier pro Woche. Stattdessen sollten dagegen täglich rund 500 Gramm Obst und Gemüse sowie eine Handvoll Nüsse konsumiert werden.

Bisher detaillierteste Untersuchung

Britische Forschende haben in der bisher detailliertesten Studie ermittelt, wie sehr eine pflanzliche Ernährung die durch die Lebensmittelproduktion verursachten Umweltschäden reduziert, und kamen dabei zu einem eindeutigen Ergebnis: Vegane Ernährung führt zu 75 Prozent weniger Klimaerwärmung, Wasserverschmutzung und Landverbrauch als eine Diät, bei der mehr als 100 Gramm Fleisch pro Tag und entsprechend viele Milchprodukte verzehrt werden. Vegane Ernährung reduziert zudem die Zerstörung der Biodiversität um 66 Prozent und den Wasserverbrauch um 54 Prozent, so das Ergebnis der Studie, die kürzlich im Fachblatt "Nature Food" erschien.

Vegan, Fleisch, Vegetarisch
Die verschiedenen Umweltfolgen je nach Ernährungsweise.
Die verschiedenen Umweltfolgen je nach Ernährungsweise.
Scarborough et al., Nature Food 2023

Während frühere Studien nur Durchschnittswerte für die Auswirkungen der einzelnen Lebensmittelarten verwendet haben, analysierte das Team um Peter Scarborough (Universität Oxford) im Gegensatz dazu die realen Ernährungsgewohnheiten von 55.000 Britinnen und Briten. Außerdem wurden Daten von 38.000 landwirtschaftlichen Betrieben in 119 Ländern herangezogen, um Unterschiede in den Auswirkungen bestimmter Lebensmittel zu berücksichtigen, die auf unterschiedliche Weise und an unterschiedlichen Orten erzeugt werden.

Eines der weiteren Schlüsselergebnisse der Studie: Das, was gegessen wird, ist hinsichtlich der Umweltauswirkungen viel wichtiger als der Ort und die Art der Herstellung. Damit bestätigte sich etwa auch das Resultat einer früheren Untersuchung, die zeigte, dass selbst das am wenigsten klimaschädliche rote Fleisch – Bio-Schweinefleisch – für achtmal mehr Klimaschäden verantwortlich ist als die "klimaschädlichsten" Pflanzenprodukte, nämlich pflanzliche Öle.

VIDEO: Wie vegan is(s)t Österreich?
DER STANDARD

Fleischarm ähnlich wie vegetarisch

Die Studie zeigte auch, dass eine fleischarme Ernährung – weniger als 50 Gramm pro Tag – nur halb so große Auswirkungen auf Treibhausgasemissionen, Wasserverschmutzung und Landnutzung hat wie eine fleischreiche Ernährung. Die Unterschiede zwischen fleischarmer und vegetarischer Ernährung waren relativ gering.

Das globale System der Lebensmittelherstellung hat enorme Auswirkungen auf den Planeten, da es ein Drittel der gesamten Treibhausgasemissionen verursacht, die zur Erderwärmung beitragen. Außerdem verbraucht es 70 Prozent des weltweiten Süßwassers und verursacht 80 Prozent der Verschmutzung von Flüssen und Seen. Etwa 75 Prozent der Landfläche der Erde werden vom Menschen genutzt, vor allem für die Landwirtschaft, und die Zerstörung der Wälder ist die Hauptursache für den enormen Verlust an biologischer Vielfalt.

Debatte um Maßnahmen

Scarborough und sein Team fordern daher, dass man in Großbritannien Maßnahmen einführen sollte, die den Menschen helfen, die Menge an Fleisch und Milchprodukten zu reduzieren, die sie essen, um die Klimaziele des Landes zu erreichen. Die konservative britische Regierung hat allerdings – ähnlich wie jene in Österreich – wiederholt erklärt, dass sie den Menschen nicht vorschreiben werde, was sie zu konsumieren haben, obwohl sie beispielsweise Steuern auf zuckerhaltige Getränke eingeführt hat.

Vorschreiben ist freilich das eine, die Schnitzelapologie das andere. Eine evidenzbasierte Ernährungsempfehlung der Wissenschaft haben Sie gerade gelesen. (Klaus Taschwer, 30.7.2023)