Im Krimmler Achental sollen Rüchhaltebecken für Hochwasser entstehen.
Stefanie Ruep

Die Schäden des Hochwassers, das im Juli 2021 den Oberpinzgau überschwemmte, sind immer noch nicht gänzlich beseitigt. Heftige Regenfälle hatten für Hochwasser und schwere Überschwemmungen gesorgt. Große Abschnitte der Salzburger Lokalbahn wurden bei Murenabgängen zerstört. Der Wiederaufbau der Strecke ist noch im Gange. Um derartige Extremereignissen vorzubeugen, will das Land Salzburg Rückhalteflächen in fünf Seitentälern der Salzach schaffen. Doch die geplanten Becken liegen inmitten des Nationalparks Hohe Tauern.

Naturschutzorganisationen üben heftige Kritik an dem geplanten Hochwasserschutz, die Grundeigentümer sind skeptisch. Der Rechnungshof empfiehlt in einem Bericht, das geplante Projekt zu überdenken, und die EU hat sogar ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Denn Österreich setzt nach Ansicht der EU-Kommission im Nationalpark Hohe Tauern in Salzburg die Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie nicht ordnungsgemäß um. In den letzten Jahren seien keine "geeigneten Schritte" unternommen worden, um einer "erheblichen Verschlechterung der natürlichen Lebensräume" entgegenzuwirken und wirtschaftliche Tätigkeiten, die "das Problem befeuern", zu regulieren. Zudem sei nicht jedes Projekt auf seine Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen überprüft worden und nicht ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt, erklärte die EU-Kommission.

Erste Dämme bis 2025

Doch das Land Salzburg will an den Plänen festhalten. Konkret sollen im Krimmler Achental, im Habachtal, im Obersulzbachtal sowie im Hollersbachtal und am Hintersee an sieben Standorten Retentionsbecken und Dämme gebaut werden, die rund sieben Millionen Kubikmeter Wasser zurückhalten. Das Wasser soll langsam abfließen, um Überflutungen im Tal zu vermeiden. Zwei Projekte liegen in der Kernzone des Nationalparks, fünf in der ebenfalls geschützten Außenzone.

500 Bürgerinnen und Bürger kamen zum Infoabend im Nationalparkzentrum Mittersill.
Land Salzburg/Melanie Hutter

Bei einem Infoabend in Mittersill, an dem in der Vorwoche rund 500 Personen teilnahmen, erklärte Landesrat Josef Schwaiger, das Projekt solle in den Jahren 2025 und 2026 fertiggestellt werden. "Wir werden im Felbertal beginnen, da scheint es am schnellsten zu gehen, und werden uns dann Schritt für Schritt weiter vorarbeiten."

Der Beirat der Nationalparks Austria, dem der Alpenverein, die Naturfreunde, Birdlife, Naturschutzbund, Umweltdachverband, WWF sowie das Forum Wissenschaft und Umwelt angehören, warnt in einer Stellungnahme vor den Folgen des Vorhabens, das den internationalen Vorgaben der Nationalparks zuwiderlaufe. "Wir sehen nicht nur die Gefahr, dass die Errichtung der Retentionsbecken zu einer Beeinträchtigung von Schutzgütern im Nationalpark Hohe Tauern Salzburg führt, sondern dass sie auch die mühsam errungene IUCN-Konformität des Nationalparks infrage stellt." Zudem werde mit der erforderlichen Änderung des Nationalparkgesetzes ein Präzedenzfall geschaffen, der auch Auswirkungen auf andere Nationalparks haben könne.

Moore und Wildnisgebiet bedroht

Für besonders problematisch halten die Naturschutzorganisationen eine Stauhaltung beim im Wildnisgebiet Sulzbachtäler gelegenen Sulzsee. Ein künstlicher Rückstau würde die natürliche Entwicklungsdynamik dieses Gewässers verändern und damit gegen die zentrale Zweckbestimmung eines Wildnisgebiets verstoßen. Bei den beiden Projekte in der Kernzone des Nationalparks, die den Hintersee im Felbertal und den Kratzenbergsee im Hollersbachtal als Rückhaltebecken vorsehen, seien zwei Moore gefährdet. Denn die Wasserstandsanhebung der beiden Seen, die durch den künstlichen Aufstau erfolgt, würde die an den Zuflüssen liegenden Moore fluten. Dadurch könnte die Moorvegetation absterben oder zurückweichen.

Die Rückhaltebereiche sollen naturnah gestaltet werden, wie eine Fotomontage für das Krimmler Achental zeigt, heißt es vom Land Salzburg.
Land Salzburg

"Es ist ein Eingriff in die Natur, das ist klar. Aber man darf sich keinesfalls Staumauern vorstellen oder Betonwände. Ist alles fertig und begrünt, wird man raten müssen, wo der naturnahe Damm ist", versicherte Projektleiter Martin Zopp. Für den Bau würden auch keine neuen Straßen gebaut, das Material werde zum Großteil aus der Umgebung genommen.

Der Rechnungshof kritisiert in seinem Bericht, dass die Bauarbeiten sowie in weiterer Folge die Flutungen der neuen Retentionsräume zu einer massiven Beeinträchtigung der Schutzgüter des Nationalparks führen würden. Das Verhältnis zwischen Schutz und Schaden stimme nicht. Das Land Salzburg solle daher Alternativen suchen. Und auch die Naturschutzorganisationen fordern naturverträgliche Alternativlösungen. "Wir haben bislang nicht den Eindruck, dass Alternativlösungen außerhalb des Nationalparks ausreichend und umfassend in Betracht gezogen worden sind." Im Talboden gebe es ausreichend Möglichkeiten für Rückstaubecken auf landwirtschaftlich genutzten Flächen, vermutet der Naturschutzbund.

Es seien Alternativen außerhalb des Nationalparks geprüft worden, kontert das Land. Diese würden jedoch "keine vergleichbare Retentionswirkung erzielen", heißt es in einer Stellungnahme. Am Talboden gebe es zudem bereits Retentionsräume mit einem Volumen von rund 20 Millionen Kubikmetern. Auch Nationalparkdirektor Wolfgang Urban sagt, dass es außerhalb des Nationalparks nur einige wenige Alternativen gebe, die aber nicht ausreichen werden. "Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir verträgliche Lösungen gefunden haben, die dem Schutzgebiet gerecht werden", sagt Urban. Die EU-Kommission, Naturschutzorganisationen und der Rechnungshof sehen das anders. (Stefanie Ruep, 25.07.2023)