Elektronische Fußfessel
Straffällige kommen nicht einfach an eine Fußfessel. Sie müssen mehrere Bedingungen erfüllen – etwa einen Job vorweisen.
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Eine elektronische Fußfessel ist nicht viel größer als eine klobige Armbanduhr. Sie wird unauffällig über dem Knöchel getragen – und ermöglicht Freiheit. Die Freiheit, trotz einer Haftstrafe nicht ins Gefängnis zu müssen oder es frühzeitig verlassen zu können. Angelegt wird sie Verurteilten, um sie im "Hausarrest" elektronisch überwachen zu können. Bald sollen deutlich mehr Menschen die Chance auf eine Fußfessel bekommen als bisher – und sich dadurch die Haft ersparen. Ist das eine gute Idee? Was spricht dafür, was dagegen?

Konkret arbeitet das Justizministerium derzeit an einem Gesetzesentwurf, mit dem das Strafvollzugsgesetz novelliert werden soll. In "klar definierten Fällen" soll die Möglichkeit geschaffen werden, den elektronisch überwachten Hausarrest auf 24 Monate zu erhöhen, heißt es aus dem Justizministerium auf Anfrage des STANDARD. Aktuell kann eine Fußfessel höchstens zwölf Monate lang getragen werden. Der Entwurf werde gerade "finalisiert", erklärt ein Sprecher von Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Einen genauen Zeithorizont nennt er nicht.

Überfüllte Justizanstalten

Der Kurier hatte über den Gesetzesentwurf zuerst berichtet und damit das Thema wieder aufgebracht. Eigentlich ist das Vorhaben aber schon relativ alt: Im Jahr 2019 hatte bereits der damalige türkise Justizminister Josef Moser angekündigt, die Fußfessel-Regelung ausweiten zu wollen. Der Gedanke dahinter war vor allem, durch die Maßnahme die überfüllten Gefängnisse zu entlasten. Dann wurde das Ibiza-Video publik, die türkis-blaue Regierung platzte. Passiert ist bis heute nichts.

Auch die grüne Justizministerin Zadić hat sich schon mehrfach für die Ausweitung des Hausarrests ausgesprochen. Es sei "natürlich" ihr Ziel, die Haftzahlen zu reduzieren – etwa mit verstärktem Einsatz der Fußfessel, sagte sie schon im Jänner 2020.

Überfüllt sind Österreichs Justizanstalten weiterhin – mit steigender Tendenz. Im Jahr 2022 waren um 7,3 Prozent mehr Menschen inhaftiert als 2021. In Zahlen: um 669 mehr Insassen als im Jahr davor.

Auch Fußfesseln kommen immer häufiger zum Einsatz. Eingeführt wurde der überwachte Hausarrest im Jahr 2010. Bis 2022 hat sich die Zahl der Fußfesselträger mehr als verdoppelt. 2011 befanden sich 530 Menschen im überwachten Hausarrest, 2012 bereits 788. In den Jahren zwischen 2013 und 2019 waren es konstant zwischen 700 und 900 Personen jährlich. In den vergangenen Jahren stieg die Zahl dann noch einmal deutlich an: 2020 befanden sich 1041 Personen im elektronisch überwachten Arrest – im Vorjahr sogar 1207.

Ein strikter Wochenplan

Geht es nach Alois Birklbauer, sind Fußfesseln in Österreich ein großer Erfolg. Nur in seltenen Fällen müsste der Hausarrest abgebrochen werden, sagt der Strafrechtsexperte. Und das, obwohl das Konzept vor allem auf Vertrauen in die Betroffenen beruhe. Schließlich handle es sich um keine "punktgenaue GPS-Überwachung" durch die Polizeibehörden, sondern bloß um ein Betreuungskonzept durch die Justiz – wenn auch um ein eng­maschiges.

Wer eine Fußfessel trägt, muss mit der Justizanstalt einen "Wochenplan" vereinbaren. Darin werden genehmigte Ausgehzeiten festgelegt – etwa für den Job und den Einkauf. Kommt es hier zu Abweichungen, wird ein Alarm in der Überwachungszentrale ausgelöst. Zwischen den festgelegten Ausgehzeiten werde man aber nicht "auf Schritt und Tritt" überwacht, sagt Birklbauer.

"Zweiklassenjustiz"

Eine Fußfessel sei "kriminalpolitisch sinnvoll", erklärt der Experte – vor allem, wenn die Strafe von Beginn an im Hausarrest abgesessen wird. So würde "weniger Entsozialisierung" stattfinden. Soll heißen: Die Menschen werden nicht aus ihrem Alltag, Job und ihrem sozialen Netzwerk gerissen.

Ohne weiteres bekommt man die Fußfessel aber nicht. Es gibt zahlreiche Voraussetzungen für den elektronischen Hausarrest – etwa muss man einen Vollzeitjob sowie auch eine geeignete Unterkunft vorweisen können (siehe Wissen). Birklbauer spricht diesbezüglich sogar von "Zweiklassenjustiz". Nicht jeder könne die Bedingungen erfüllen. Besonders schwierig sei es für jene, die einen Teil ihrer Strafe bereits im Gefängnis abgebüßt haben und sich "aus dem Vollzug heraus eine Beschäftigung suchen müssen", sagt der Strafrechtler. In diesen Fällen sei das Konzept auch weniger erfolgreich.

Der Verein Neustart hat vorgerechnet, dass die elektronische Fußfessel ein enormes Einsparungspotenzial für den Staat berge: Im Jahr 2019 seien durch den überwachten Hausarrest 127.000 Hafttage in österreichischen Gefängnissen vermieden worden. Bei durchschnittlichen Kosten von rund 130 Euro pro Tag und Insassen seien dadurch 16,5 Millionen Euro eingespart worden. (Katharina Mittelstaedt, Jan Michael Marchart, Sandra Schieder, 24.7.2023)